Was man als medizinischer und juristischer Laie nach dem Namen des Entwurfs für ein Gesetz zur Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz – DVPMG) nicht vermutet, soll mit dem neuesten Gesetzentwurf aus dem Hause Spahn (CDU) vorbereitet werdenb: Die Einbindung weiterer Kategorien von Leistungserbringer*innen in die Telematikinfrastruktur (TI) und deren Zugriff auf die elektronische Patientenakte (ePA):
„Mit Heil-und Hilfsmittelerbringern, Erbringern von Soziotherapie und von Leistungen in zahnmedizinischen Laboren werden weitere Gesundheitsberufe an die Telematikinfrastruktur angebunden.“ (Gesetzentwurf S. 3)
„Für den Bereich der häuslichen Krankenpflege, außerklinischen Intensivpflege, der Soziotherapie, der Heil- und Hilfsmittel, der Betäubungsmittel und weiterer verschreibungspflichtiger Arzneimittel werden elektronische Verordnungen eingeführt bzw. ergänzende Regelungen getroffen. Zur Sicherstellung einer flächendeckenden Nutzbarkeit dieser elektronischen Verordnungen werden weitere Leistungserbringergruppen sukzessive zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur verpflichtet.“(Gesetzentwurf S. 4)
Bundestag und Bundesrat haben das sogenanntePatientendaten-Schutzgesetz (PDSG) aus der Feder des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) trotz mehrfach geäußerter datenschutzrechtlicher Einwände des Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) Prof. Ulrich Kelber beschlossen. Das PDSG enthält u. a. die Regelung, wonach die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten zum 01.01.2020 die Nutzung einer elektronischen Patientenakte (ePA) anbieten müssen (§ 342 Abs. 1 SGB V).
Am 03.04.2020 hatte der BfDI seine Stellungnahme zum Entwurf des PDSG veröffentlicht. Darin erklärt er eingangs: „Ich unterstütze die Digitalisierung des Gesundheitswesens, insbesondere soweit sie Verbesserungen für die Versicherten bringt. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Gesundheitsdaten ist die Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit dabei von herausragender Bedeutung… im Hinblick auf die Umsetzung dieser Prämissen weist der Gesetzentwurf noch wesentliche datenschutzrechtliche Defizite auf, z.B. in Bezug auf das Zugriffsmanagement der ePA und die Freigabe von Daten für die Forschung…“ Die vom BfDI genannten Kritikpunkte wurden weder vom Bundesgesundheitsminister, noch von Bundestag und Bundesrat aufgenommen.Bundesdatenschutzbeauftragter versendet Warnung an Krankenkassen: Elektronische Patientenakte (ePA) ist nicht DSGVO-konform weiterlesen →
Dies geht aus der am 06.11.2020 veröffentlichten Antwort des hessischen Sozialministers Kai Klose (Grüne) auf eine kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Christiane Böhm (Linke) zur Kritik an der Telematikinfrastruktur hervor:
Frage 7 lautet: „Wie hat sich die Zahl der nicht an die Telematik-Infrastruktur angeschlossenen Ärztinnen und Ärzte seit dem 30. Juni 2019 in Hessen entwickelt?“
Die Antwort: „ Zur Beantwortung dieser Frage wurde die Kassenärztliche Vereinigung Hessen um Information gebeten. Zum Stichtag 30. Juni 2020 haben 938 Betriebsstätten (8,5545% aller Betriebsstätten in Hessen), welche eine Abrechnung für das 2. Quartal 2020 abgegeben haben, keine Anbindung an die TI nachgewiesen. 61,73% davon sind Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Im Vergleich dazu waren es zum Stichtag 30. Juni 2019 noch 1.220 Betriebsstätten (11,20 % aller Betriebsstätten in Hessen), die weder eine Anbindung an die TI noch eine fristgerechte Bestellung der Komponenten der TI nachgewiesen haben.“
Frage 8: „Wie hat sich die Zahl der nicht an die Telematik-Infrastruktur angeschlossenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten seit dem 30. Juni 2019 in Hessen entwickelt?“
Die Antwort: „Zur Beantwortung dieser Frage wurde die Kassenärztliche Vereinigung Hessen um Information gebeten. Zum Stichtag 30. Juni 2020 sind 579 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nicht an die TI angeschlossen, zum Stichtag 30. Juni 2019 waren es 684 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.“
Ursprünglich von Business Crime Controlals Präsenz-Veranstaltung gedacht, unter Corona-Bedingungen jetzt als digitale Veranstaltung. Drei Vorträge mit Diskussion:
„Pillendreh am Rande der Legalität, das Pharmageschäft mit manipulierter Wissenschaft und Laienwerbung“ mit Jörg Schaaber, Geschäftsführer der BUKO-Pharmakampagne, Bielefeld, Chefredakteur des „PHARMA-BRIEFS“ und von „Gute Pillen – Schlechte Pillen“
„Weiße Kittel, dunkle Geschäfte – Im Kampf gegen die Gesundheitsmafia“ mit Dina Michels, Chefermittlerin bei der Kaufmännischen Krankenkasse Hannover KKH
„Profite first – Im Angesicht von Corona zeigt Bayer schlicht Marktversagen“ mit Marius Stelzmann, Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V., Düsseldorf
In einer Stellungnahme vom 09.11.2020 von Prof. Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), zum Entwurf des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (Bundestags-Drucksache 19/23944 vom 03.11.2020) werden eingangs zwei Punkte kritisiert: Die Eile, mit der der Gesetzentwurf beraten und beschlossen werden soll und die ungenügende Beachtung des Schutzes von Gesundheitsdaten:
„Am 14. Oktober 2020 legte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) abends einen ersten Entwurf der Formulierungshilfe für ein Drittes Pandemieschutzgesetz zur Ressortbeteiligung vor mit einer Frist zur Stellungnahme bis zum 16. Oktober 2020. Eine veränderte und teilweise ergänzte Version wurde am 23. Oktober 2020 morgens mit Frist zur Stellungnahme bis zum gleichen Tag, 18.00 Uhr übersandt. Diese extrem kurzen Fristen erschweren eine sachgerechte Bearbeitung erheblich und erscheinen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Pandemie-Lage seit mehr als sieben Monaten besteht, nicht angemessen…“
„Erneut werden mit dem Gesetz verschiedene Meldepflichten oder Übermittlungen personenbezogener Daten eingeführt oder erweitert, ohne zu berücksichtigen, dass die Verarbeitung von Gesundheitsdaten, also besonders geschützten personenbezogenen Daten, einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt und daher sorgfältig zu begründen und zu rechtfertigen ist und besondere flankierende Maßnahmen zum Schutz der sensiblen Daten vorzusehen sind.“
Das teilt MEDI GENO Deutschland, eine Vereinigung von Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen am 02.11.2020 mit. „Natürlich ist das eine Enttäuschung“, erklärt Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI GENO Deutschland und MEDI Baden-Württemberg. „Man fragt sich als Vertragsarzt, warum wir Kosten für eine Telematikinfrastruktur tragen sollen, die uns und unseren Patienten keine Vorteile bringt und die Datensicherheit in unseren Praxen gefährdet.“