Das teilt MEDI GENO Deutschland, eine Vereinigung von Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen am 02.11.2020 mit. „Natürlich ist das eine Enttäuschung“, erklärt Dr. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI GENO Deutschland und MEDI Baden-Württemberg. „Man fragt sich als Vertragsarzt, warum wir Kosten für eine Telematikinfrastruktur tragen sollen, die uns und unseren Patienten keine Vorteile bringt und die Datensicherheit in unseren Praxen gefährdet.“
Diese Botschaft ist Kern einer Stellungnahme, die Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke, Vorstandsvorsitzender bzw. stv. Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) in der neuesten Ausgabe des Servicemagazins für KVH-Mitglieder (dort S. 3) abgegeben haben.
Die Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), nach eigenen Angaben die größte Interessenvertretung für Psychotherapeut*innen in Deutschland, hat in einer Pressemitteilung vom 11.02.2020 informiert, dass 16 % der DPtV-Mitglieder, die eine Kassenzulassung haben, sich aus unterschiedlichen Gründen einem Anschluss an die TI verweigern. Von diesen lehnten etwa 70 Prozent die TI grundsätzlich ab. Weitere Gründe (Mehrfachangaben waren möglich) wurden in dem nicht erkennbarem Nutzen für die psychotherapeutische Tätigkeit (68 Prozent) und dem nicht vertretbaren Aufwand einer TI-Installation (52 Prozent) gesehen. 14 Prozent ohne bisherige TI-Anschlussbeantragung gaben an, aufgrund baldiger Praxisaufgabe die TI-Installation nicht mehr vorzunehmen. Von den etwa 7.400 DPtV-Mitglieder mit Kassenzulassung beteiligten sich fast 2.600 (35 %) an der Umfrage, so dass die Ergebnisse als realistisch zu betrachten sind.
Beim 36. CCC-Kongress im Dezember 2019 wurden Schwachstellen und Sicherheitslücken beim Ausgabeprozess für verschiedene in der Telematikinfrastruktur (TI) genutzte Komponenten und Smartcards demonstriert. Es wurde deutlich, dass es für Unbefugte problemlos möglich war, einzelne Smartcards und Komponenten der TI durch die jeweiligen beteiligten Serviceprovider zu beziehen. Es gelang den CCC-Mitgliedern, sich u. a. unautorisiert einen elektronischen Heilberufeausweis und einen Praxis-Ausweis (SMC-B) zu bestellen. Auch ein Konnektor wurde den CCC-Mitgliedern unautorisiert ausgehändigt. Zusätzlich waren bei einem beauftragten Serviceprovider die Kartenanträge von 168 Ärztinnen und Ärzten zeitweise online zugänglich.Außerdem war es den Mitgliedern des CCC gelungen, unautorisiert eine elektronische Gesundheitskarte der AOK Hessen zu bestellen.
Bereits 2015 deckten Recherchen des ZDF Schwachstellen bei der Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte auf, nachlesbar in der Deutschen Apothekerzeitung vom 25.06.2015.
– das sind Begriffe, die man als Ärzt*in und Psychotherapeut*in mittlerweile zwar kennt, aber nicht oder nicht in vollem Umfang versteht.
Auf der Homepage des hessischen Hausärzteverbands wurde dazu ein Beitrag des Wiesbadener Hausarztes Christian Sommerbrodt veröffentlicht, der sich mit den Fallstricken und Risiken des Anschlusses von Arztpraxen an die Telematik-Infrastruktur beschäftigt. Obwohl der Beitrag bereits am 26.05.2019 veröffentlicht wurde ist er immer noch aktuell und informiert Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen, die keine IT-Spezialist*innen sind (vermutlich die weit überwiegende Mehrzahl), in auch für technische Laien verständlicher Sprache über den Anschluss eines Konnektor im IT-System einer Arztpraxis und die Folgen, die daraus entstehen (können).
… hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einer Stellungnahme vom 17.10.2019 – gestützt auf von der Bundesregierung veröffentlichte Zahlen – als Begründung dafür angegeben, dass er die beabsichtigte Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) zum 01.01.2021 ablehnt. In der Stellungnahme des DGB zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein “Dritten Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Drittes Bürokratieentlastungsgesetz) – Bundestags-Drucksache 19/13959 – wird dazu erklärt:
“Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften lehnen die geplante Einführung der elektronischen AU-Bescheinigung (eAU) zum 1.1.2021 kategorisch ab. Der Stand der telematischen Infrastruktur in Deutschland ließ bereits erhebliche Zweifel aufkommen, ob die Einführung der eAU zu dem ursprünglich im Referentenentwurf vorgesehenen Zeitpunkt (1.1.2023) überhaupt funktionieren würde. Von den insgesamt 170.000 Arztpraxen der Vertragsärzte in Deutschland nehmen derzeit 77.000 Arztpraxen NICHT an dem Telematik-Verfahren teil, welches jedoch eine zwingende Voraussetzung für das Funktionieren der eAU istVon den insgesamt 170.000 Arztpraxen der Vertragsärzte in Deutschland nehmen derzeit 77.000 Arztpraxen NICHT an dem Telematik-Verfahren teil… weiterlesen →
Das meldet das Niedersächsische Ärzteblatt in seiner Ausgabe für Oktober 2019: „Von 11.054 Praxen in Niedersachsen, die für den TI-Anschluss in Frage kommen, wurden für das erste Quartal 2019 1.247 mit den vorgeschriebenen Honorarkürzungen von einem Prozent des Praxisumsatzes belegt. Die Kürzungssumme beläuft sich auf 732.231,12 Euro. Damit sind im ersten Quartal 11 Prozent der Praxen von einer Honorarkürzung betroffen. Im Durchschnitt liegt der Kürzungsbetrag bei 587,19 Euro. Für das zweite Quartal 2019 sieht es nur wenig anders aus: 11.062 Praxen kommen für den TI-Anschluss in Frage, 1.009 Praxen davon wurden sanktioniert, das sind neun Prozent. Insgesamt beträgt die Kürzungssumme 479.962,07 Euro, durchschnittlich liegt sie bei 475,68 Euro pro Praxis.“ (Seite 37)Auch in Niedersachsen: Mehr als 10 % der Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen werden für ihren Widerstand gegen die Telematik-Infrastruktur sanktioniert weiterlesen →
Dieser Frage geht Roland Schäfer nach, freiberuflich als Datenschutzbeauftragter tätig und Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main in einem Beitrag auf der Homepage der Gruppe nach.