bitkom und Co: Erneuter Angriff auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung im Gesundheitswesen

Im Juni 2018 haben acht Lobbyorganisationen aus mehreren Industriebereichen in einem Positionspapier den Versuch unternommen, auf den im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbarten eHealth-Aktionsplan Einfluss zu nehmen.

Dabei tragen sie unter den Stichworten „Datensouveränität“ und „Patientenautonomie“, die auch von Bundeskanzlerin Merkel und dem Deutschen Ethikrat als Alternative zu den bisherigen gesetzlichen Regelungen im Bezug auf  Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung verwendet werden, einen massiven Angriff auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung vor.

Im Abschnitt „Rechtliche und technische Voraussetzungen zur Datenvernetzung“ wird wenige Wochen nach Inkrafttreten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und ihrer Umsetzung in nationales Recht durch das BDSG-neu und die Anpassung weiterer Bundes- und Landesgesetze an die DSGVO gefordert: „Die Erhebung, der Austausch und die sektorübergreifende Verarbeitung von Daten bedarf eines bundeseinheitlichen Rechtsrahmens, der sowohl einen hohen Standard an Datenschutz als auch die Nutzbarkeit von Forschungs- und Versorgungsdaten gewährleistet. Ohne einen technologieneutralen und innovationsoffenen Rechtsrahmen können die Wertschöpfungspotenziale nicht optimal genutzt werden. Die derzeit in Deutschland geltenden gesetzlichen Vorschriften erschweren einen Datenaustausch zwischen Patient, Klinik und Forschung… Das derzeitige Datenschutzmodell in Deutschland, das auf Datensparsamkeit beruht und die Nutzung der Daten ausschließlich auf den Grund der Datenerhebung beschränkt, passt weder zu einer datenbasierten Wirtschaft noch zu einer digitalisierten Gesundheitsversorgung…“ (Positionspapier S. 3)

Und im Abschnitt „Datenverfügbarkeit und -nutzung von Versorgungs- und Forschungsdaten“ fordern bitkom und Co.: Regulatorische Grundsätze wie Zweckbindung, Datensparsamkeit oder Personenbezug müssen im Zuge der Vernetzung, Versorgungsforschung und Präzisionsmedizin neu gedacht werden. Neue und innovative Einwilligungsmodelle für Patienten müssen entwickelt und ermöglicht werden…  Der Patient rückt in den Mittelpunkt des Gesundheitssystems und wird ein informierter Teilnehmer im Versorgungsprozess. Er verwaltet die Zugriffsberechtigung und ist zu jederzeit Herr seiner Daten… Für mehr Vertrauen in die Digitalisierung im Gesundheitssystem müssen zudem die Chancen stärker diskutiert und neue Versorgungsansätze in Aktionsräumen konkret erprobt und der Nutzen praktisch erlebt werden. Hier bedarf es – neben dem politischen Gestaltungsprozess – auch einer bundesweiten Aufklärungskampagne, die den gesamtgesellschaftlichen Diskurs über die Vorteile der sektorübergreifenden Vernetzung und dabei auch Fragen zur Ethik umfasst.“ (Positionspapier S. 6)

Elektronische Gesundheitsakten – Die Karten werden neu gemischt

Am Mittwoch, dem 20.6.18 fand im Frankfurter “Haus am Dom” eine Veranstaltung statt: “Elektronische Gesundheitsakten – Die Karten werden neu gemischt”. Referent war der Berliner Rechtsanwalt Jan Kuhlmann, Vorsitzender des Vereins “Patientenrechte und Datenschutz e.V.”.

Jan Kuhlmann mit den Themen seines Vortrags

Trotz sommerlicher Temperaturen und paralleler Fussball-WM waren ca. 45 Personen gekommen, was die Veranstaltenden als Erfolg einschätzten.

Ein aufmerksames Publikum

Der Referent informierte zuerst über die Geschichte und den jetzigen Stand der Elektronischen Gesundheitskarte (EGK). 14 Jahre nach dem Start des Projekts durch die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (zu Zeiten von rot/grün) kann die Gesundheitskarte bis heute nicht mehr, als schon damals die Vorgänger-Karte, die Krankenversichertenkarte konnte. Trotz Ausgaben von mehreren Milliarden € für modernste IT-Technik. Die derzeitige EGK-Kartengeneration hatte nie eine andere Funktionalität als die Krankenversichertenkarte, war aber mehr als 10mal teurer. Sie wird derzeit gegen eine neue Karten-Generation ausgetauscht, die noch teurer ist. Obwohl die einzige EGK-Anwendung, die ab 2019 kommen soll, noch mit den alten Karten funktioniert. Ein Beispiel für die einseitige Orientierung des Projekts an den Interessen der IT-Industrie. Die Steuerung durch die IT-Industrie sei der Hauptgrund für die hohen Ausgaben im Projekt.

Elektronische Gesundheitsakten – Die Karten werden neu gemischt weiterlesen

Österreich: Regierung will ELGA und Gesundheitsdaten zum Aufspüren von Versicherungsmissbrauch durch Arbeitnehmer*innen nutzen

ELGA (die Elektronische Gesundheitsakte) ist das österreichische Pendant zur elektronischen Gesundheitskarte (eGk). Im Unterschied zur eGk, mit der Gesundheits- und Behandlungsdaten erst nach Zustimmung der jeweiligen Versicherten durch Dritte genutzt werden dürfen (opt-in§ 291a Abs. 5 SGB V), ist ELGA ein Verfahren, bei dem Gesundheits- und Behandlungsdaten auch ohne Zustimmung der Betroffenen erfasst, gespeichert und ausgelesen werden können. Nur in einem aufwendigen Verfahren können einzelne Personen durch opt-out-Anträge ihre Daten wieder aus dem System austragen lassen. Informationen zu ELGA finden Sie hier.

Die österreichische Bundesregierung hat jetzt durch die Koalitionsfraktionen ÖVP und FPÖ einen Gesetzentwurf vorlegen lassen, der u. a. zum Ziel hat, das „elektronischen Aufspüren von Versicherungsmissbrauch“ durch Arbeitnehmer*innen zu erleichtern.

Quelle: @epicenter_works Österreich: Regierung will ELGA und Gesundheitsdaten zum Aufspüren von Versicherungsmissbrauch durch Arbeitnehmer*innen nutzen weiterlesen

Sicherheitslücke bei Online-Apotheken entdeckt

Eine vermutlich wachsende Zahl von Menschen kauft Medikamente online. Das kann praktisch sein, wenn die nächste Apotheke jwd ist; kann finanziell günstiger sein als in der Apotheke vor Ort und kann den Vorteil haben, dass man über genierliche oder schwere Erkrankungen nicht mit dem Apothekenpersonal am Verkaufstresen unter den Ohren anderer Kund*innen sprechen muss. Online-Kund*innen müssen sich aber darauf verlassen können, dass ihre persönlichen Daten wie Name, Anschrift, Zahlungsdaten und ihre Bestellhistorie, die ja einiges über den Gesundheitszustand des Bestellers aussagen, bei den Online-Apotheken gut geschützt werden. Leider war das bei mehr als 170 Shops nicht der Fall, wie der NDR am 24.05.2018 berichtete. Sicherheitslücke bei Online-Apotheken entdeckt weiterlesen

„Rote Karte für die TI“ -Ärzt*innen wehren sich gegen die Telematikinfrastruktur

Mit einer Postkartenaktion unter dem Titel Rote Karte für die TI fordern (Zahn-)ärzt*innen (anfänglich aus Bayern, inzwischen aus dem ganzen Bundesgebiet) von ihren jeweiligen Bundestagsabgeordneten, die Einführung der Telematikinfrastruktur (TI) auszusetzen. Einem Bericht des Internetportals zm online ist zu entnehmen, dass die Aktion bei den MdB’s erste Wirkungen zeigt. Aus mehreren Bundestagsfraktionen gab es dazu Anfragen an die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV).

Die KZBV sah sich zu einer eigenen Stellungnahme gezwungen. Lt. zm online erklärte Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender der KZBV und zuständig für den Bereich Telematik: „Die dort geäußerte fundamentale Kritik an der Anbindung der Praxen an die TI tragen wir nicht mit… Eine Aussetzung ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Dies würde den Ausbau der TI insgesamt behindern und erschweren. Auch wenn die Anwendung dem Zahnarzt vorerst wenig nutzen sollte – sie wird kommen…“ „Rote Karte für die TI“ -Ärzt*innen wehren sich gegen die Telematikinfrastruktur weiterlesen

Ärzt*innen aufgepasst: „Telematikinfrastruktur für alle – sparen Sie bis zu 746 €!“

Unter dieser Überschrift und mit dem Versprechen „Ab sofort können alle Ärzte und Zahnärzte in Deutschland ihr TI-Bundle bequem online bestellen und die Komponenten einfach selbst installieren. Mit unserer cleveren Installationssoftware ‚KoCo Guide‘ und einer aussagekräftigen Schritt-für-Schritt-Anleitung wird die TI-Anbindung zum Kinderspiel…“ wirbt der koco-shop.de, ein Unternehmen der CompuGroup Medical Deutschland AG (derzeit einziger zertifizierter Anbieter von Konnektoren für die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur) um neue Kunden.   Ärzt*innen aufgepasst: „Telematikinfrastruktur für alle – sparen Sie bis zu 746 €!“ weiterlesen

Darf der Messenger „WhatsApp“ zur Arzneimittelbestellung in Apotheken eingesetzt werden?

Zu diesem Thema hat die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen im Mai 2018 Stellung genommen. In der zweiseitigen Information wird festgestellt: Vermehrt bieten niedersächsische Apotheken den Service an, dass Kunden rezeptpflichtige Arzneimittel mittels des Messengerdienstes WhatsApp bestellen können. Hierbei werden Kunden durch die Apotheke aufgefordert, eine Fotografie eines Rezeptes an eine mit WhatsApp verbundene Mobilfunknummer der Apotheke zu versenden. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wird der Einsatz von WhatsApp zur Bestellung von Arzneimitteln bei Apotheken, allerdings als nicht zulässig angesehen.“ Darf der Messenger „WhatsApp“ zur Arzneimittelbestellung in Apotheken eingesetzt werden? weiterlesen

Achtung Ärzt*innen, Sie werden überflüssig: „Das Gesundheitssystem der Zukunft findet auf dem Smartphone statt“

Das Internetmagazin Medscape berichtet am 13.06.2018: „Beim Hauptstadtkongress (HSK) Medizin und Gesundheit 2018 wurde diskutiert, wie Künstliche Intelligenz die Arbeit von Ärzten ersetzen kann… Den Auftakt machte die Gesundheitshelferin ‚Ada‘, die bei der Kongress-Eröffnung vorgestellt wurde: eine auf künstliche Intelligenz (KI) beruhende App, die Krankheiten erkennen kann. Entwickelt wurde sie vom Neurowissenschaftler Dr. Martin Hirsch, einem Enkel von Werner Heisenberg. ‚Welcher Arzt kann sich 7.000 Erkrankungen merken?‘, fragte Hirsch, der nach 7-jähriger Entwicklung die App in Berlin präsentierte. Bei Ada geben Nutzer ihre Symptome ein, dann spuckt der Algorithmus mehrere Verdachtsdiagnosen aus… ‚Ada stellt dir einfache, relevante Fragen und vergleicht deine Antworten mit Tausenden von ähnlichen Fällen, um die wahrscheinlichste Ursache für deine Symptome zu finden‘, stellt sich die App auf der Firmenseite der Ada Health GmbH vor. Achtung Ärzt*innen, Sie werden überflüssig: „Das Gesundheitssystem der Zukunft findet auf dem Smartphone statt“ weiterlesen

Informationsveranstaltung zu elektronischen Gesundheitsakten und der Telematik-Infrastruktur am 20. Juni in Frankfurt

Angeregt durch eine regionale Gruppe von Kritiker*innen der mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) verbundenen Telematik-Infrastruktur hat das Haus am Dom, das Tagungszentrum des Bistums Limburg in Frankfurt, den Vorsitzenden des Vereins Patientenrechte und Datenschutz e . V., Jan Kuhlmann, zu einem Vortrag mit Diskussion zum Thema Elektronische Gesundheitsakten eingeladen.

Die Veranstaltung findet statt am Mittwoch, 20.06.2018 um 20:00 Uhr im Haus am Dom, Domplatz 3, 60311Frankfurt (Nähe Haltestelle Römer/Paulskirche, Straßenbahn-Linien 11 und 12). Informationsveranstaltung zu elektronischen Gesundheitsakten und der Telematik-Infrastruktur am 20. Juni in Frankfurt weiterlesen

Patientenrechte und Datenschutz e.V.