Archiv der Kategorie: Blog

Bundesverfassungsgericht gibt Klagen gegen Spahn eine Chance

Das Bundesverfassungsgericht hatte es in dieser Entscheidung ebgelehnt, eine einstweilige Anordnug zu erlassen, mit der ein Kläger die Weitergabe von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken stoppen wollte. Mit Spahns „digitalem Versorgungsgesetz“ (DVG) war Anfang 2020 vorgesehen worden, dass die Krankenkassen alle Gesundheitsdaten, die bei ihnen anfallen, und zusätzlich Wohnort, Alter und Geschlecht des Versicherten an eine Datenstelle ihres Spitzenverbandes liefern. Dort werden sie personenbezogen zusammengeführt. Die Versichertennummer wird durch ein Pseudonym ersetzt. Dieser Datenbestand steht dann Forschungseinrichtungen offen. Zu ihnen gehören alle deutschen Universitäten.

Es ist längst vielfach erwiesen, dass die Identifikation der betroffenen Person bei solchen Daten ein Kinderspiel ist, wenn man nur zwei bis drei Informationen über den Betroffenen hat, z.B. Wohnort, Alter und Datum eines Arztbesuchs. Deshalb hatten  Datenschützer dieses Gesetz kritisiert.

Das Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aber keineswegs für das Gesetz grünes Licht gegeben. Es hat nur entschieden, dass kein Ausnahmefall vorliegt, in dem das Gesetz sofort gestoppt werden muss. Eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz ist weiterhin möglich. Das Gericht schreibt dazu:

„Eine gegebenenfalls noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet. Der Antragsteller bringt gewichtige Bedenken gegen die streitgegenständlichen Vorschriften vor. Darüber hinaus waren diese bereits im Gesetzgebungsverfahren umstritten; die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Vorschriften wurde unter den Aspekten des Reidentifikationsrisikos, der Datensicherheit insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit einer Verschlüsselung der Daten statt einer Anonymisierung oder Pseudonymisierung und des Selbstbestimmungsrechts der gesetzlich Versicherten über ihre Daten diskutiert sowie mit Blick auf den sensiblen Charakter der genutzten Daten auch in Teilen bezweifelt (vgl. BRDrucks 360/19 [Beschluss], S. 9; BT-Plenarprotokoll 19/116, S. 14291B, C, D; BT-Plenarprotokoll 19/124, S. 15366A, B, 15368C, D, S. 15369B, C; siehe auch BT-Ausschussprotokoll 19/63, S. 17 ff.). Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hatte im Gesetzgebungsverfahren in einer Stellungnahme vom 23. Oktober 2019 Bedenken geäußert. In einem gegebenenfalls durchzuführenden Hauptsacheverfahren würden sich komplexe Fragen der verfassungsrechtlichen Datenschutzdogmatik stellen, insbesondere die Frage, ob die vom Gesetzgeber mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz verfolgten Zwecke auch durch eine in Umfang, Erhebungs- oder Verarbeitungsmodalitäten begrenzte Datennutzung (zum Beispiel durch verpflichtend einzuholende Einwilligungen oder weiter als bisher reichende Widerspruchsmöglichkeiten der Versicherten) im Ergebnis ohne nennenswerte Abstriche hinsichtlich Repräsentativität und Qualität des Datenmaterials erreicht werden könnten. Diese Fragen bedürfen näherer Aufklärung und können angemessen nicht in der für das Eilverfahren gebotenen Kürze der Zeit behandelt werden. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf die Aspekte der Anonymisierung und Pseudonymisierung sowie auf die Vorkehrungen zur IT-Datensicherheit und auf die institutionelle Ausgestaltung der datenverarbeitenden Stellen zu richten sein. Für ein gegebenenfalls durchzuführendes Hauptsacheverfahren ist davon auszugehen, dass der Vortrag insoweit weiter ausgebaut und substantiiert wird.“

Das Gericht ermutigt somit geradezu dazu, im ordentlichen Verfahren eine Verfassungsbeschwerde gegen das DVG einzureichen. Wir sollten dafür Sorge tragen, dass das nun auch getan wird.

Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG): Lobby-Gruppen, Unternehmen und Teile der CDU-CSU fordern erweiterte Zugriffsrechte auf Gesundheits- und Behandlungsdaten

Der Entwurf des Patientenrechte-Datenschutz-Gesetzes (PDSG) wird derzeit im Bundestag beraten. Am 27.05.2020 war die parlamentarische Anhörung von Verbänden und Sachverständigen.

Zum Thema Nutzung von Behandlungs- und Gesundheitsdaten durch Privatunternehmen haben sich diverse Lobby-Verbände zu Wort gemeldet, denen die mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) erweiterten Zugriffsrechte auf die Daten der 70 Mio. gesetzlich versicherten Menschen in Deutschland nicht ausreichen. Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG): Lobby-Gruppen, Unternehmen und Teile der CDU-CSU fordern erweiterte Zugriffsrechte auf Gesundheits- und Behandlungsdaten weiterlesen

Gesellschaft für Informatik: Grobe Mängel in der Datentransparenzverordnung des Bundesgesundheitsministeriums zum Digitale-Versorgung-Gesetz

Mit dem Referentenentwurf zur Neufassung der Datentransparenzverordnung (DaTraV) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) soll Details zum 2019 verab­schiedeten Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) regeln, so auch die Weitergabe von Gesundheits- und Behandlungsdaten der Versicherten zu Forschungszwecken.

In einer Stellungnahme kritisiert der Präsidiumsarbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit der Gesellschaft für Informatik (GI) die vorgesehene zentrale Datensammlung sämtlicher gesetzlich Versicherter ohne Widerspruchsmöglichkeit. Gesellschaft für Informatik: Grobe Mängel in der Datentransparenzverordnung des Bundesgesundheitsministeriums zum Digitale-Versorgung-Gesetz weiterlesen

Petition „Keine zentrale Datenspeicherung sämtlicher Patientendaten“ – öffentliche Anhörung am 15. Juni im Bundestag

Im September 2019 veröffentlichte eine Gruppe von bayrischen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen eine Petition an den Bundestag mit der Forderung Keine zentrale Datenspeicherung sämtlicher Patientendaten / Anschluss von Arzt- und Psychotherapiepraxen an die Telematik-Infrastruktur (TI) nur auf freiwilliger Basis“. Sie wurde auf Papier und online von mehr als 64.000 Menschen unterzeichnet. Dies war Voraussetzung dafür, dass diese Petition im entsprechenden Ausschuss des Bundestags öffentlich beraten wird.

Am Montag, 15.06.2020 wird die öffentliche Anhörung stattfinden. Dr. Andreas Meißner, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus München und Mitbegründer der Initiative Freiheit für 1 Prozent wird für die Initiator*innen der Petition an der Sitzung des Petitionsausschusses teilnehmen. Im Internet wird die Sitzung auf www.bundestag.de (für mobile Geräte unter m.bundestag.de) sowie im Parlamentsfernsehen live übertragen; die Aufzeichnung wird auf der Internetseite des Bundestages bereitgestellt. Petition „Keine zentrale Datenspeicherung sämtlicher Patientendaten“ – öffentliche Anhörung am 15. Juni im Bundestag weiterlesen

Spahns Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) – eine Kritik aus ärztlicher Sicht

Der Gesetzgeber maßt sich an, völlig praxisferne und unsichere Regelungen zu treffen, die tief in die Abläufe in den Arztpraxen eingreifen, noch mehr Bürokratie schaffen und von denen weder Ärzte noch Patienten profitieren. Im Gegenteil, das Ganze schadet der medizinischen Versorgung extrem.“ So fasst Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft und Sprecherin der Aktion: Stoppt die e-Card! ihre Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) zusammen.

In einer umfangreichen Stellungnahme vom 31.05.2020 stellt Frau Dr. Lüder eingangs fest: Die Digitalisierung von Daten im Gesundheitswesen ist entgegen vieler anderslautender Behauptungen weit vorangeschritten. Nahezu alle Arztpraxen und Kliniken arbeiten mit digitalen Geräten und Akten. Auch ohne staatlichen Zwang hat sich das moderne Arbeiten zum Nutzen des Workflows und der Effizienz von Praxen und Kliniken durchgesetzt – immer orientiert am Nutzen für die Patientenbehandlung.“ Sie kritisiert die Gesetzgebungsflut von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Während der Corona-Krise werden im Eilverfahren neue Gesetze durchgepeitscht, bei denen der konkrete Patientennutzen, die Anwenderfreundlichkeit und die Gewährung der informationellen Selbstbestimmung hinten herunterfallen. Schon im Digitale-Versorgung-Gesetz (April 2020) wurde darauf verzichtet, die künftigen Gesundheits-Apps vor Einführung unabhängig daraufhin zu prüfen, ob sie einen medizinischen Nutzen bringen. Im Vordergund stand eher, der IT-Industrie schnell Absatzchancen zu ermöglichen.“ Spahns Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) – eine Kritik aus ärztlicher Sicht weiterlesen

Entsetzen in Büren (NRW): Youtuber finden tausende Krankenakten und Röntgenbilder im früheren Klinikum

Auf seinem Streifzug durch sogenannte „Lost Places“ (Vergessene Orte) hat ein Youtuber im heruntergekommenen St. Nikolaus-Hospital in Büren tausende Krankenakten und Röntgenbilder gefunden. Alle Personendaten lagen dort offen und ganze Krankengeschichten waren nachzulesen. Das berichtet die Neue Westfälische am 30.05.2020. Das ehemalige Krankenhaus im Kreis Paderborn sei seit zehn Jahren geschlossen, habe mehrfach den Besitzer gewechselt und gammele langsam vor sich hin. Obwohl eigentlich ein Sicherheitsdienst für die Immobilie zuständig sei, seien die Türen nicht verschlossen und der Zutritt problemlos möglich. Mittlerweile sei das Gebäude nach Angaben der Stadt abgesperrt und ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet.

Es ist nicht der erste Skandal im Umgang mit Patientenakten; sicher wird es auch nicht der letzte bleiben. Entsetzen in Büren (NRW): Youtuber finden tausende Krankenakten und Röntgenbilder im früheren Klinikum weiterlesen

Telematik-Infrastruktur: Die gematik im „Lockdown“

 

Der Versichertenstammdatendienst ist aktuell in Teilen gestört.“ Diese Meldung ziert seit einigen Tagen die Homepage der gematik. In zwei Pressemitteilungen vom 28.05.2020 und 29.05.2020 wird die Misere umfangreich beschrieben, ohne eine schnelle Lösung des Problems anbieten zu können. Telematik-Infrastruktur: Die gematik im „Lockdown“ weiterlesen

Corona deckt die Schwachstellen und Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen auf

Diese These belegt Dr. Bernd Hontschik, Chirurg aus Frankfurt und langjähriger Kritiker von Fehlentwicklungen im deutschen Gesundheitswesen, in einem längeren Interview in der Frankfurter Rundschau vom 30.05.2020.

Zu Beginn des Gesprächs benennt Dr. Hontschik als größtes Problem: Ökonomen haben das Kommando übernommen und die Medizin immer mehr an den Rand gedrängt. Sie ist bald nur noch Mittel zum Zweck… Das Sozialsystem Gesundheitswesen verkommt zu einer Gesundheitswirtschaft. Dividenden werden aus den Krankenkassenbeiträgen der Solidargemeinschaft generiert. Das muss aufhören. Sozialsysteme kann man nicht optimieren. Man verkauft ja auch nicht die Feuerwehr an Investoren und schaut dann zu, wie Stellen gestrichen werden, weil es länger nicht gebrannt hat.“

Und gefragt, was er ändern würde, wenn er Bundesgesundheitsminister wäre, benennt er vier Problembereiche, bei denen grundlegende Veränderungen nötig seien: Corona deckt die Schwachstellen und Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen auf weiterlesen

Fresenius Medical Care bestätigt illegale Veröffentlichung von Patientendaten in Serbien in Folge von Hackerangriff

Fresenius Medical Care, ein weltweit führender Anbieter von Produkten und Dienstleistungen für Menschen mit Nierenerkrankungen, hat mitgeteilt, dass Patientendaten aus einigen seiner Dialysezentren in Serbien von unbefugten Dritten veröffentlicht worden sind. Das Unternehmen geht davon aus, dass ein Zusammenhang mit einem IT-Vorfall vor einigen Wochen besteht, der Teile der IT-Systeme von Fresenius betroffen hatte, und dass Hacker in der Lage waren, in diesem Zusammenhang Patienten- und Behandlungsdaten zu stehlen.

Quelle: Pressemitteilung von Fresenius Medical Care vom 21.05.2020.