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Gematik-Newsletter zum Start der elektronischen Patientenakte(ePA): Satire wider Willen?

„Ab dem 15.01.2025 können zunächst nur Leistungserbringende, die in den Modellregionen an der Pilotphase teilnehmen, auf die ePA der Versicherten zugreifen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Praxen und andere medizinische Einrichtungen in den Modellregionen und auch bundesweit bis auf wenige Ausnahmen noch nicht darauf zugreifen können. Die elektronischen Patientenakten aller Versicherten bundesweit sind somit gut geschützt.“  Das stellt die gematik in ihrem Sondernewsletter ePA vom 18.01.2025 fest unter der Überschrift Die Pilotphase der ePA für alle beginnt ab 15. Januar: Was bedeutet das?“

  • Satire wider Willen?
  • Einsicht in die Realitäten?
  • Oder haben die verantwortlichen Redakteur*innen bei der Endredaktion des Newsletters nicht aufgepasst?

In der Frankfurter Rundschau vom gleichen Tag kamen prominente Kritiker der ePA zu Wort; mit präzisen Kritikpunkten:

  • Dr. Andreas Meißner, Psychiater und Psychotherapeut: „Was auch die Schweigepflicht bedroht: Ein Schutz vor Beschlagnahme der ePA-Daten durch Ermittlungsbehörden ist bisher nicht vorgesehen, anders als bei der Gesundheitskarte. Die Schweigepflicht aber, daran muss aktuell erinnert werden, ist von grundlegender Bedeutung für das Vertrauensverhältnis im Behandlungsraum.“
  • Dr. Bernd Hontschik, Chirurg: „Laut Gesundheitsministerium wird die ePA ‚den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten zwischen allen behandelnden leistungserbringern verbessern‘… Zu den Risiken sagt das Ministerium nichts.“ (Beitrag nur in der Printausgabe der FR)
  • Dr. Thilo Weichert, Jurist, Mitglied des Vorstands der Dt. Vereinigung für Datenschutz (DVD): Es gibt keine völlige Sicherheit vor internen und externen Angriffen bei einer digitalen Datenverarbeitung… Dies gilt erst recht für ein komplexes System wie das der ePA mit tausenden Gesundheitseinrichtungen, knapp hundert Krankenkassen und mehr als hundert Softwaresystemen… Vor Abschluss der zusätzlich zu installierenden Schutzmaßnahmen sollte selbst der Pilotbetrieb nicht starten.“ (Beitrag nur in der Printausgabe der FR)
  • Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ): Es ist frustrierend, wie die Verantwortlichen versuchen, eine für professionelle Angreifer leicht zu überwindende Datenlücke kleinzureden und den Eindruck zu erwecken, die ePA würde die Datensicherheit in Deutschland sicherstellen. Bis die Rechte von Kindern und Jugendlichen in akzeptabler Weise verwirklicht sind, können wir Patienten und deren Eltern nur empfehlen, sich aktiv gegen die ePA zu entscheiden.“

Netzwerk Datenschutzexpertise: IT-Dienstleistungsunternehmen BinDoc betreibt illegale Krankenhausfalldatenbank

In einem Gutachten kommt das Netzwerk Datenschutzexpertise zu dem Ergebnis, dass der IT-Dienstleister BinDoc aus Tübingen unter Verletzung des Datenschutzes und des Patientengeheimnisses von Krankenhäusern pseudonymisierte Falldaten einsammelt und diese kommerziell weitervermarktet.

BinDoc-Eigenwerbung 

Krankenhäuser sind nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz verpflichtet, diese Fall-Beschreibungen zu erstellen und für gesetzlich eng definierte Zwecke bereitzustellen. BinDoc bietet Krankenhäusern einerseits an, diese personenbeziehbaren hochsensitiven Gesundheitsdaten für eigene Wirtschaftlichkeits- und Marktanalysen auszuwerten und mit den Daten anderer Krankenhäuser zu vergleichen. Das Unternehmen speichert die Daten der Auftraggeber daher – in vorgeblich anonymisierter Form – um sie für eigene Analysen sowie für andere Auftraggeber zu nutzen.

Diese Dienstleistungen werden von einer Reihe prominenter Krankenhäuser in Anspruch genommen. Unter den Auftraggebern befinden sich sogar staatliche Stellen bis hin zum Bundesgesundheitsministerium. Es ist erstaunlich, wie sehr sich diese Auftraggeber offensichtlich auf die Behauptung des Unternehmens verlassen, es verarbeite nur anonymisierte Daten, obwohl diese Behauptung schon bei genauer Betrachtung der publizierten Dokumente offensichtlich falsch ist.

Tatsächlich verarbeitet BinDoc institutionsübergreifend bundesweit die Patientendaten in pseudonymisierter Form und speichert diese in einer Datenbank, in der nach eigenen Angaben ca. 17 Millionen Behandlungsfälle gespeichert sind. Wenig Zusatzwissen genügt, um die Falldaten zu reidentifizieren.

Karin Schuler vom Netzwerk Datenschutzexpertise: „Die Verantwortlichen der Krankenhäuser machen sich der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht strafbar. Die Speicherung in der zentralen Datenbank stellt eine massive Gefährdung der in den Krankenhäusern behandelten Patienten dar.“ Der Koautor des Netzwerks Thilo Weichert fordert: „Das illegale Vorgehen BinDocs muss grundlegend geändert werden. Krankenhäuser müssen ihre Praxis der Weitergabe der Patientendaten stoppen. Die eingeschaltete Datenschutzaufsicht – der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg – muss umgehend tätig werden.“

Quelle: Pressemitteilung des Netzwerk Datenschutzexpertise vom 26.06.2024

Das Gutachten des Netzwerks Datenschutzexpertise, auf das sich die Pressemitteilung stützt, finden Sie hier.


Eine Übersicht über illegale Zugriffe auf Gesundheits- und Behandlungsdaten und andere (kleinere und größere) Datenpannen im Umgang mit Gesundheits- und Behandlungsdaten finden Sie hier.

 

Vorsicht vor Online-Gentests!

Datenschutzverstöße sind die Regel bei Gentests, die Kund*innen ohne ärztliche Beratung erwerben können. Das erklären das Gen-ethische Netzwerk (GeN) und das Netzwerk Datenschutzexpertise in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 19.03.2024.

Mehrere deutsche und internationale Firmen bieten Online-Gentests unbehelligt auf dem deutschen Markt an, obwohl sie gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen. Zu diesem Schluss kommt ein aktuelles juristisches Gutachten von Dr. Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise. Der gemeinnützige Verein Gen-ethisches Netzwerk (GeN) nimmt das Gutachten zum Anlass, um potenzielle Kund*innen dringend vom Erwerb von sog. Direct-to-Consumer-Gentests abzuraten – egal ob diese Aussagen über Abstammung, Lifestyle oder Gesundheit versprechen. Vorsicht vor Online-Gentests! weiterlesen

Entwurf des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes: Netzwerk Datenschutzexpertise ist frustriert

Der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) muss massiv überarbeitet werden, fordert das Netzwerk Datenschutzexpertise in einer umfangreichen Stellungnahme. Entwurf des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes: Netzwerk Datenschutzexpertise ist frustriert weiterlesen

Vortrag von Dr. Andreas Meißner “Telematikinfrastruktur – vielfältige Interessen und Verflechtungen” ist online

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist hier: https://tube.tchncs.de/video-channels/egk/

Am 24.06.2021 sprach Dr. Andreas Meißner, in München niedergelassener Psychiater und Psychotherapeut sowie Sprecher des Bündnisses für Datenschutz und Schweigepflicht (BfDS) über die vielfältigen politischen und wirtschaftlichen, aber auch die persönlichen Verflechtungen, die die wesentlichen Akteure der Digitalisierung des Gesundheitswesens aus Politik, Konzernen und Medien verbinden.

Im Mittelpunkt seines Vortrags: Die vielfältigen Beziehungen des aktuellen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zu anderen Akteuren auf dem Feld von Politik und wirtschaftlichen Interessen im Gesundheitswesen. Über mehrere informative und mit Quellen belegte Schritte wurde ein Netz deutlich, in dessen Mitte sich Minister Spahn bewegt. Vortrag von Dr. Andreas Meißner “Telematikinfrastruktur – vielfältige Interessen und Verflechtungen” ist online weiterlesen