Schlagwort-Archive: Patientenrechte

Nein! – der GKV-Spitzenverband hat kein Mandat der Versicherten, die opt-out-Patientenakte zu fordern

Weniger als 1 % aller gesetzlich krankenversicherten Menschen in Deutschland hat innerhalb der beiden letzten Jahre für sich die Einrichtung einer elektronischen Patientenakte (ePA) beantragt, obwohl diese Möglichkeit seit 01.01.2021 besteht. Mit Stand 28.12.2022 meldet die gematik, dass lediglich 578.804 der mehr als 70 Mio. gesetzlich versicherter Menschen über eine ePA verfügen.

Quelle: gematik / TI-Dashboard Verlauf ePA 

Trotz aller anderslautenden Bekundungen, auch der gematik selbst: Die (sinnbildlich) „Abstimmung mit den Füßen“ zeigt, dass nur ein Bruchteil der Versicherten die ePA will und nutzt. Nein! – der GKV-Spitzenverband hat kein Mandat der Versicherten, die opt-out-Patientenakte zu fordern weiterlesen

Bundesrat fordert opt-out-Regelung für die elektronische Patientenakte, aber auch für alle anderen Gesundheits- und Behandlungsdaten

In der Sitzung des Bundesrats am 16.12.2022 wurde ein entsprechender Antrag der Landesregierung Baden-Württemberg (Grüne/CDU), der von den Landesregierungen in Berlin und Bremen (jeweils SPD/Grüne/Linke) unterstützt wurde, beschlossen. In der Entschließung wird gefordert, dass die „Digitalisierung im Gesundheitswesen… zügig und umfassend voranzutreiben“ ist, „um durch die sektorenübergreifende Nutzung von Gesundheitsdaten die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern und das Innovationspotential Deutschlands im Gesundheitswesen auszuschöpfen.“ Bundesrat fordert opt-out-Regelung für die elektronische Patientenakte, aber auch für alle anderen Gesundheits- und Behandlungsdaten weiterlesen

Psychotherapeutenkammer NRW: Patientenrechte bei elektronischer Patientenakte und im geplanten Europäischen Raum für Gesundheitsdaten wahren und schützen

Die Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen fordert die Bundesregierung in einer Stellungnahme vom 03.12.2022 auf, bei der Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA) elementare Grundsätze der Rechte von Patient*innen sowie den Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Psychotherapeut*innen und Patient*innen zu beachten. Psychotherapeutenkammer NRW: Patientenrechte bei elektronischer Patientenakte und im geplanten Europäischen Raum für Gesundheitsdaten wahren und schützen weiterlesen

“Halb zog sie ihn, halb sank er hin“ – oder: Die Datenschutzkonferenz und der Schutz der Gesundheits- und Behandlungsdaten

Goethes Ballade Der Fischer endet mit den Zeilen: „Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm; Da wars um ihn geschehn: Halb zog sie ihn, halb sank er hin, Und ward nicht mehr gesehn.“

Diese Verszeilen kamen aus dem Gedächtnis des Verfassers dieses Beitrags hoch, als er beim Lesen der Petersberger Erklärungder Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom 24.11.2022 zur datenschutzkonformen Verarbeitung von Gesundheitsdaten in der wissenschaftlichen Forschung“ im Punkt 1. (von ingesamt sieben Punkten) auf die se Aussage stieß: Auch wenn eine Verarbeitung ihrer Daten im öffentlichen Interesse gesetzlich erlaubt und nicht auf ihre Einwilligung gestützt wird, sind die betroffenen Personen in geeigneter Form einzubinden.“ “Halb zog sie ihn, halb sank er hin“ – oder: Die Datenschutzkonferenz und der Schutz der Gesundheits- und Behandlungsdaten weiterlesen

41. Deutscher Psychotherapeutentag: Kritik an den Plänen der Bundesregierung für die opt-out-Patientenakte

In einer Resolution hat der 41. Deutsche Psychotherapeutentag am 18./19.11.2022 Kritik an den Plänen der Ampel-Koalition geäußert, die bei der elektronischen Patientenakte (ePA) – abweichend vom bisherigen Prinzip (informierte und freiwillige Einwilligung) – Rechtsgrundlagen für einer Zwangs-ePA (opt-out-ePA) schaffen will. Dies ist im Koalitionsvertrag der Ampel festgelegt worden. Mit ersten Vorbereitungsarbeiten dafür wurde die gematik Anfang November 2022 betraut.

Die Resolution verweist auf die „besondere Schutzbedürftigkeit von psychisch kranken Menschen“ bei der Verarbeitung und Speicherung von Gesundheits- und Behandlungsdaten und stellt fest: Dieser Paradigmenwechsel hin zu Opt-out ist eine erhebliche Einschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts jeder Einzelnen*. Eine Speicherung von Gesundheitsdaten ohne ausdrückliche Zustimmung der Patient*innen beschneidet das vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Grundrecht auf Datenschutz…“ 41. Deutscher Psychotherapeutentag: Kritik an den Plänen der Bundesregierung für die opt-out-Patientenakte weiterlesen

Opt-out statt – wie bisher – opt in? Bertelsmann-Stiftung legt Rechtsgutachten zur elektronischen Patientenakte vor und fordert opt-out

Seit 01.01.2021 gibt es sie: Die elektronische Patientenakte (ePA). Ihre zentrale Rechtsgrundlage ist § 341 SGB V. in Absatz 1 wird als Maxime festgestellt: Die elektronische Patientenakte ist eine versichertengeführte elektronische Akte, die den Versicherten von den Krankenkassen auf Antrag zur Verfügung gestellt wird. Die Nutzung ist für die Versicherten freiwillig. Mit ihr sollen den Versicherten auf Verlangen Informationen, insbesondere zu Befunden, Diagnosen, durchgeführten und geplanten Therapiemaßnahmen sowie zu Behandlungsberichten, für eine einrichtungs-, fach- und sektorenübergreifende Nutzung für Zwecke der Gesundheitsversorgung, insbesondere zur gezielten Unterstützung von Anamnese und Befunderhebung, barrierefrei elektronisch bereitgestellt werden.“

Nach eineinhalb Jahren ist festzustellen: Gerade einmal rund 517.476 Menschen in Deutschland (= 0,7 % aller gesetzlich Krankenversicherten) am 27.07.2022 eine ePA beantragt, wie die gematik in einer Veröffentlichung auf ihrer Homepage mitteilt:

Unzufriedenheit mit diesem Zustand prägt seit längerem die Riege derjenigen, die gerne Zugriff auf Gesundheits- und Behandlungsdaten erlangen möchten. Ein Beispiel: Opt-out statt – wie bisher – opt in? Bertelsmann-Stiftung legt Rechtsgutachten zur elektronischen Patientenakte vor und fordert opt-out weiterlesen

AOK Nordost fordert schnelle Verabschiedung eines Gesundheitsdatennutzungsgesetzes und eine umfassende Nutzung von Gesundheitsdaten – auch gegen den Widerstand der betroffenen Patient*innen

In Ihrem Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 haben SPD, Grüne und FDP im Abschnitt „Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Koalitionsvertrag S. 65) u. a. folgendes als Ziele formuliert:

  • Wir beschleunigen die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes sowie deren nutzenbringende Anwendung und binden beschleunigt sämtliche Akteure an die Telematikinfrastruktur an.
  • Alle Versicherten bekommen DSGVO-konform eine ePA zur Verfügung gestellt; ihre Nutzung ist freiwillig (opt-out).
  • Die gematik bauen wir zu einer digitalen Gesundheitsagentur aus.
  • Zudem bringen wir ein Registergesetz und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz zur besseren wissenschaftlichen Nutzung in Einklang mit der DSGVO auf den Weg und bauen eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur auf.“

Alleine die Begrifflichkeit Gesundheitsdatennutzungsgesetz hat bei Unternehmen, Interessenverbänden und Forschungseinrichtungen die Begehrlichkeiten, auf Gesundheits- und Behandlungsdaten aller Menschen in Deutschland zugreifen zu können, ins Unermessliche gesteigert. Da wollte auch die AOK Nordost nicht hinan stehen. AOK Nordost fordert schnelle Verabschiedung eines Gesundheitsdatennutzungsgesetzes und eine umfassende Nutzung von Gesundheitsdaten – auch gegen den Widerstand der betroffenen Patient*innen weiterlesen

Datenschutz in der Arztpraxis – oder: Welche Rechte haben Patient*innen?

Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich der Landesdatenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg in einem Beitrag auf seiner Homepage. der sich zwar in erster Linie an Ärzt*innen richtet, aber auch für Patient*innen von Interesse ist. Informationen gibt es u. a. zu folgenden Fragestellungen:

  • Müssen zum Zwecke der ärztlichen Behandlung von Patienten Einwilligungserklärungen eingeholt werden?
  • Darf die ärztliche Behandlung verweigert werden, wenn der Patient nicht in die Verarbeitung personenbezogener Daten einwilligt?
  • Wie wirkt sich der Grundsatz der Datenminimierung im Verhältnis von Arzt zu Patient bei der Erstellung einer Anamnese aus? Dürfen hierbei nur noch wenige Daten erhoben werden?
  • Dürfen Ärzte sich unter Wahrung des Berufsgeheimnisses über medizinisch problematische Fälle austauschen und im Rahmen der Behandlung die Fachexpertise von anderen Kollegen einholen?
  • Dürfen Gesundheitsdaten von Patienten per Fax oder per E-Mail verschickt werden?

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Betroffen von Datenschutzverstößen – Was kann ich tun?

Identitätsklau, Werbe-Cookies ohne Einwilligung, Abgreifen von Fotos im Internet, Diffamierung in sog. sozialen Netzwerken, Gesundheitsdaten in der Personalverwaltung, fremde Videoüberwachung im eigenen Garten … Werden derartige, oft im Verborgenen praktizierte Verstöße gegen den Datenschutz den Betroffenen bekannt, stellt sich für diese die Frage: ‚Was kann ich dagegen tun?‘ Diese einfache Frage stößt auf eine komplexe Realität: Unklar ist oft, welche Technik genutzt wird, wer den Angriff veranlasst hat und wer dafür verantwortlich ist, wer hiergegen wirksam vorgehen könnte und tatsächlich kann, welche Möglichkeiten rechtlich und welche realistischerweise bestehen.“

Diese Beschreibung steht am Beginn einer 12-seitigen Broschüre, die das Netzwerk Datenschutzexpertise im Juni 2022 veröffentlicht hat. Lesenswert für Betroffene von Datenschutzverstößen!

Die EU-Kommission möchte ab 2025 den Handel mit Gesundheitsdaten für mehr Wirtschaftswachstum nutzen

Das stellt der Kölner Arzt Dr. Stefan Streit in einer Stellungnahme zu der Mitteilung der EU-Kommission an das Europaparlament und den Rat der EU fest, die unter dem Titel Ein europäischer Raum für Gesundheitsdaten: Das Potenzial von Gesundheitsdaten für die Allgemeinheit, für Patientinnen und Patienten und für Innovation erschließen am 03.05.2022 veröffentlicht wurde (Langfassung = 141 Seiten / Kurzfassung = 24 Seiten).

Dr. Streit macht in seiner Stellungnahme auf zwei wesentliche Ziele dieser Initiative der EU-Kommission aufmerksam:

„Der Gesundheitsdatenraum soll aus zwei getrennten Infrastruktruren bestehen.

  • Primardatennutzung = Krankenbehandlung Die derzeitige Telematikinfrastruktur entspricht in etwa dem, was sich die EU-Kommission, unter MyHealth@eu, für die Primärdatennutzung von Gesundheitsdaten ausgedacht hat. Das betrifft die Datennutzung von Gesundheitsdaten zur Krankenbehandlung in Krankenhaus und Arztpraxis, die natürlich nicht anonym vorliegen. Personenbezogene Daten in der primären Arztakte sind von der DSGVO geschützt. Es wird davon ausgegangen, dass eine Vielzahl von (kommerziellen und institutionellen) Anbietern von Elektronic Health Records (EHR), also elektronische Patientenakten, die der Patient selbst verwaltet, entstehen werden. Bemerkenswerterweise reicht für kommerziellen EHR-Betreiber eine Selbstzertifizierung und das aus dem Konsumerbereich bekannte CE-Zeichen als Qualitätsmerkmal. Wollte man EHR-Daten für die Patientenversorgung nutzbar machen, dann bedarf es Instrumente zum Umgang mit der Unvollständigkeit der EHR einerseits und Strategien um die gesuchten Daten in den vielen verschiedenen EHR zu finden und nutzbar zu machen.
  • Sekundardatennutzung = Datenhandel Die Pläne für die zweite Infrastrukur HealthData@eu betreffen die Sekundärdatennutzung im Gesundheitsdatenraum zum Handel mit Gesundheitsdaten.

Die Datenökonomie im Gesundheitsdatenraum beruht auf folgenden Annahmen:

Nach der Entfernung des Namens unterliegt die – nun als anonymisiert geltende Patientenakte – nicht mehr dem Schutz der DSGVO. Den politischen Akteuren dürfte seit der Plagiatsaffären bekannt geworden sein, mit wie wenig Textmaterial man nicht gekennzeichnete Textstellen automatisiert reidentifizieren kann. Krankenakten enthalten viele hundert bis tausend Datenpunkte, die mit der aktuellen Rechnerkraft problemlos einer Person zugeordnet werden können.

Obwohl der Kryptograph Prof. Dominique Schröder das Problem der Anonymisierung laienverständlich und fundiert dargestellt hat, basiert die Legitimation von HealthData@eu allein auf der Anonymisierung…“

Dr. Streit macht auf den vier Seiten seiner Stellungname auf die großen Probleme aufmerksam, die für die sensiblen Gesundheits- und Behandlungsdaten aller Menschen in den 27 EU-Staaten drohen, wenn die Pläne der EU-Kommission wie von ihr geplant nahtlos und ohne Widerstand umgesetzt würden. Lesenswert!

Am Ende seiner Stellungnahme schließt Dr. Streit mit: „Ich lade Sie ein darüber nachzudenken, wie wir als Deutsche und als Europäer die anstehenden sozialen Entwicklungsaufgaben bewältigen können und freue mich über jede Rückmeldung.“