Die Freie Ärzteschaft e. V. fordert die neue Bundesregierung auf, das Pleitenprojekt „Elektronische Gesundheitskarte“ (eGK) sofort einzustellen und dezentrale, freiwillige IT-Lösungen zu ermöglichen, die Ärzte und Patienten für medizinisch sinnvoll halten. „15 Jahre Planung, Kosten von mehreren Milliarden Euro und keine Verbesserungen für Patienten und Ärzte in Sicht“, so beschrieb FÄ-Vize Dr. Silke Lüder die Bilanz des Projekts. „Die Bürger zahlen ihre Beiträge zur Krankenversicherung für gute Medizin und nicht für die Rendite von IT-Firmen und den Überwachungsdrang von Politik und Krankenkassen.“ Freie Ärzteschaft fordert von der neuen Bundesregierung: Elektronische Gesundheitskarte einstellen, dezentrale freiwillige IT-Lösungen ermöglichen weiterlesen
Oberlandesgericht (OLG) Koblenz: Knicken, lochen, abheften – bei Laborbefunden verletzt dies die Sorgfaltspflicht eines Arztes
Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat mit Beschluss vom 25.09.2017 (Aktenzeichen: 5 U 427/17) einem Hausarzt zur Zahlung von Schmerzensgeld i. H. V. 30.000 Euro verurteilt, weil er den Bericht über die Laborwerte einer Patientin nicht gelesen hatte. Die Labordaten wiesen aber auf eine lebensbedrohliche Erkrankung hin, an der die Patientin wenige Monate später starb.
Wegen seines Versäumnisses verklagten die Eltern der Verstorbenen den Hausarzt auf Schmerzensgeld. Erfolgreich! – so die Entscheidung des OLG Koblenz.
Der Hausarzt argumentierte im Verfahren vor dem OLG, , dass die Laborbefunde für eine anstehende Kieferoperation benötigt wurden und deshalb der Kieferchirurg sowie der dortige Anästhesist die Laborwerte hätten auswerten müssen, was diese nach Feststellung des OLG ebenfalls nicht gemacht hatten.
Das OLG Koblenz erklärte dem Beklagten: Ärzte müssten in ihrer Praxis sicherstellen, dass Laborbefunde zur Kenntnis genommen und ausgewertet werden. Dies gelte selbst dann, wenn PatientInnen zwischenzeitlich nicht in der Praxis erscheinen würden.
Versichertenstammdatenmanagenement (VSDM) – eine Baustelle der gematik mit nach wie vor großen strukturellen und technischen Mängeln
Das Versichertenstammdatenmanagenement (VSDM) soll die erste Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) werden, die nicht nur Geld kostet, sondern den Krankenkassen auch Kosten ersparen soll.
IKK-Kostenuhr, Stand 13.03.2018, 18:20:15 Uhr
Quelle: Homepage des IKK e. V.
Lt. Mitteilungen der gematik sind inzwischen ca. 4.000 (Zahn-)ÄrztInnen und PhysiotherapeutInnen per Konnektor an die telematische Infrastruktur angeschlossen worden. Sie können dadurch per VSDM online die Gültigkeit der eGk von vorsprechenden Versicherten prüfen.
Die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Nürnberg war 2015/2016 von der gematik mit der Evaluation eines Tests des VSDM in 500 Praxen von (Zahn-)ÄrztInnen und PhysiotherapeutInnen beauftragt worden. Seit wenigen Tagen liegt der Evaluationsbericht der FAU vor. Mit wenig beeindruckenden Ergebnissen: Versichertenstammdatenmanagenement (VSDM) – eine Baustelle der gematik mit nach wie vor großen strukturellen und technischen Mängeln weiterlesen
Dorothee Bär (CSU): Abgesang auf den Schutz von Patienten- und Gesundheitsdaten?
„…auch im Gesundheitsbereich liegen so viele Chancen! Könnten Daten deutscher Patienten mit weltweiten Datenbanken abgeglichen werden, wäre eine Diagnose oft schneller da, als sie zehn Ärzte stellen können,“ erklärte Dorothee Bär, designierte Staatsministerin für Digitales im 4. Kabinett Merkel, am 05.03.2018 in einem Interview mit BILD. Und weiter: „Wir brauchen … endlich eine smarte Datenkultur vor allem für Unternehmen. Tatsächlich existiert in Deutschland aber ein Datenschutz wie im 18. Jahrhundert.“
Was Frau Bär hier – unisono mit Jens Spahn “Datenschutz ist was für Gesunde” (CDU), designierter Nachfolger des amtierenden Gesundheitsministers Hermann Gröhe fordert – ist ein Angriff auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Die richtige Antwort darauf gab Marit Hansen, Datenschutzbeauftragte in Schleswig-Holstein: „Zum Glück ist es eben nicht so wie im 18. Jahrhundert, als Datenschutz ein Fremdwort war und sich die Idee der Grundrechte noch nicht weithin durchgesetzt hatte. Auch die Unterstellung, Datenschutz sei ein Verhinderer der Digitalisierung, ist falsch. Wichtig ist aber, dass die Grundrechte von Anfang an mitbedacht und in die entwickelten Lösungen eingebaut werden. Datensparsamkeit und Zweckbindung sind keineswegs überholt, sondern gehören weiterhin zum Fundament für eine demokratische Informationsgesellschaft. Dorothee Bär (CSU): Abgesang auf den Schutz von Patienten- und Gesundheitsdaten? weiterlesen
Österreich: Sensible personenbezogene Gesundheitsdaten sollen an die Forschung verscherbelt werden
Die neue österreichische Bundesregierung bringt mit hoher Schlagzahl Gesetze auf den Weg, die massive Verletzungen der Grundrechte darstellen. Der neueste Vorstoß geht sogar so weit, dass Gesundheitsdaten aus Datenbanken öffentlicher Stellen ohne ausreichenden Schutz an Forschungsinstitutionen weitergegeben werden können. Dies sieht der Entwurf des österreichischen Datenschutz-Anpassungsgesetz – Wissenschaft und Forschung vor.
Die österreichische Grundrechts-NGO epicenter.works kritisiert in ihrer Stellungnahme, dass mit dem Gesetz Datenschutzstandards unterschritten werden, um forschungstreibenden Unternehmen den Zugriff auf persönliche Daten zu erleichtern. Österreich: Sensible personenbezogene Gesundheitsdaten sollen an die Forschung verscherbelt werden weiterlesen
Neue GroKo, neuer Bundesgesundheitsminister – Business as usual?
Aber wie steht es derzeit um die Einführung der telematischen Infrastruktur in den Arztpraxen?
Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich Detlef Borchers in einem Beitrag auf heise.de unter dem Titel „Missing Link: Herr Spahn, bitte in Zimmer 1“. Im Beitrag ist u. a. zu lesen: „Die ersten circa viertausend Praxen von Ärzten und Zahnärzten und Physiotherapeuten sind per Konnektor an die telematische Infrastruktur angeschlossen worden und können nun im Zuge des ‚Versichertenstammdatenmanagenements‘ (VSDM) online die Gültigkeit der Gesundheitskarten eines Versicherten prüfen. Zudem ist in dieser Woche der Evaluationsbericht der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg veröffentlicht worden, in dem die Erfahrungen von 500 Praxen ausgewertet wurden, die sich am VSDM-Pilotest beteiligten… Im Pilottest, über den auch die Medizinpresse berichtet, zeigte sich, dass Einlesen der Gesundheitskarte im Schnitt 6,5 Sekunden braucht, wenn Stammdaten aktualisiert werden müssen. Normalerweise reichen 2 bis 3 Sekunden. Insgesamt aber stieg der Zeitaufwand beim Einlesen der eGK vor allem deshalb, weil viele Patienten Karten vorzeigten, die nicht online-fähig waren, weil sie zur 1. Kartengeneration gehörten…“ Neue GroKo, neuer Bundesgesundheitsminister – Business as usual? weiterlesen
Einsicht in die Patientenakte – beim Therapeuten oder bei dessen Anwalt?
Aus dem Tätigkeitsbericht zum Datenschutz im nichtöffentlicher Bereich für die Jahre 2016/17 des Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: „Ein Patient wollte bei seinem dem Berufsgeheimnis unterliegenden Therapeuten Einsicht in seine Patientenakte nehmen. Der Therapeut verwies ihn an seinen Anwalt, bei dem sich die Akte befinde. Damit war klar, dass der Therapeut die Gesundheitsdaten an seinen Anwalt weitergegeben hatte. Um diese Übergabe seiner sensiblen Gesundheitsdaten vom Therapeuten an dessen Anwalt datenschutzrechtlich prüfen zu lassen, wandte sich der betroffene Patient an den Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz… Selbstverständlich steht jedem Patienten das Einsichtsrecht in die Patientenakte gemäß § 630g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB – sog. Patientenrechtegesetz) zu. Die gesetzlichen Vorschriften gehen grundsätzlich von einer Einsichtnahme beim jeweiligen Berufsgeheimnisträger aus. Dies vor dem Hintergrund, dass nur der die Akte führende Berufsgeheimnisträger auch beurteilen kann, ob einer Einsichtnahme erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Daher stellte sich die Frage, weshalb der Beschwerdeführer zwecks Akteneinsicht an den Rechtsanwalt verwiesen wurde… Ob und in welchem Umfang einem Patienten Auskunft aus oder Einsicht in seine Patientenakte nach § 630b BGB gewährt werden muss und kann, bedarf allerdings als abstrakte Rechtsfrage grundsätzlich keiner Einsicht in die Patientenakte durch den beratenden Rechtsanwalt… Einsicht in die Patientenakte – beim Therapeuten oder bei dessen Anwalt? weiterlesen
Ausländische Hacker haben offenbar das bislang als sicher geltende Datennetzwerk des Bundes und der Sicherheitsbehörden infiltriert – aber die eGk und die Patientendaten sind sicher, Herr Gröhe und Herr Spahn?
Spiegel online berichtet am 28.02.2018: “Ausländische Hacker sind nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in das als sicher geltende Datennetzwerk des Bundes und der Sicherheitsbehörden eingedrungen. Cyberspione der russischen Gruppe ‘APT28’ hätten erfolgreich das Außen- und das Verteidigungsministerium angegriffen, hieß es in Sicherheitskreisen. Nach Informationen der ‘Süddeutschen Zeitung’ habe es im Auswärtigen Amt einen entsprechenden Vorfall gegeben. Laut Nachrichtenagentur dpa sei Schadsoftware eingeschleust worden, die Angreifer hätten auch Daten erbeutet. Die Attacke sei von deutschen Sicherheitsbehörden im Dezember erkannt worden. Der Angriff sei da schon über eine längere Zeit gelaufen, womöglich ein ganzes Jahr…”
Quelle: Spiegel online 28.02.2018
Wenn diese Nachricht die Tatsachen richtig darstellt – wir zweifeln nicht daran – dann ist ein erfolgreicher Angriff auf einen Hochsicherheitsbereich der staatlichen Infrastruktur gelungen.
Wir fragen daher den amtierenden Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und den designierten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU):
Was gibt Ihnen die Gewissheit, dass ein erfolgreicher Angriff auf die Gesundheits- und Behandlungsdaten im telematischen System der Gematik auszuschließen bzw. erfolgreich und ohne Schaden für die 70 Mio. gesetzlich versicherten Menschen in Deutschland abzuwehren ist?
„Des Kaisers neue Kleider“ – oder: Über die Erfahrungen beim Anschluss einer Zahnarztpraxis an die telematische Infrastruktur der Gematik
Die Redaktion dieser Homepage erhielt vor wenigen Tagen eine umfangreiche Ausarbeitung, in der ein Praxis-ITler (irgendwo in Deutschland) seine Erfahrungen mit dem Anschluss einer Zahnarztpraxis an das telematische System im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung schildert. Der Beitrag ist hier in vollem Umfang nachlesbar.
Aus Sicht des Zahnarztes und des die Arztpraxis betreuenden ITlers werden eine Vielzahl von Kritikpunkten deutlich
- an der technischen Infrastruktur der Gematik;
- an den rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Einführung der neuen Technik in einer (Zahn-)Arztpraxis und
- am Umgang (mindestens einer) regionalen Kassenzahnärztlichen Vereinigung mit den entstehenden Problemen bei der Einführung der neuen Technik.
Dem schließen sich auf S. 13 – 15 des Beitrags eine Vielzahl von technischen und anderen Fragen an.
Das Fazit des Verfassers (S. 15):
- „Lasst das Ding sterben, wir können keine IT.
- Muss hier wirklich nach den Prinzip ‚Lernen durch Schmerz‘ verfahren werden, bis die Telematik wieder abgeschafft wird?
- Lieber kleine, zielorientierte Lösungen, die wirklich einen Mehrwert bringen“.
Norwegen: Schwerer Angriff auf Gesundheitsdaten
Die IT-Infrastruktur des Gesundheitssystems im Südosten von Norwegen wurden ab Anfang Januar 2018 attackiert und offenbar zum Teil erfolgreich gehackt. Das Ausmaß des Schadens wurde von den norwegischen Behörden bislang nicht bekannt gegeben; Angaben dazu, welche und wie viele Informationen die digitalen „Einbrecher“ entwendn konnten, wurde nicht gemacht. Bekannt wurde aber, dass alle Krankenhäuser eines Verbunds, der rund 2,9 Millionen Menschen betreut und über ähnlich viele Elektronische Patientendossiers verfügt, vom Angriff betroffen waren.
Der Bayrische Rundfunk informierte am 19.02.2017 über den Angriff und stellte fest:
„Angriff wäre auch in Deutschland möglich Norwegen: Schwerer Angriff auf Gesundheitsdaten weiterlesen