Demonstrieren ist erlaubt – trotz Corona

In den letzten Wochen wurde vielfach über geplante Demonstrationen berichtet, die verboten und teilweise durch die Polizei aufgelöst wurden. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: wenn die Demo-Veranstalter ausreichende Maßnahmen zum Infektionsschutz einplanen, darf die Demonstration nicht verboten werden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher alle Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Kontaktsperre auf den Weg durch die Instanzen der Verwaltungsgerichte verwiesen. Diese Entscheidung ist die erste so genannte „Anti Corona Zwangsmaßnahme“, bei der das Gericht die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung der Betroffenen als gegeben ansah, und ein Verbot aufhob.

Das Vorgehen gegen Demonstrationen war das bisher deutlichste Beispiel für Maßnahmen angeblich zum Infektionsschutz, die über das Ziel hinaus geschossen sind. Nun müssen nur noch die zuständigen (Landes-)Behörden diese Entscheidung des BVerfG zur Kenntnis nehmen, so dass Demonstrationen ab sofort ungehindert stattfinden können, wenn die notwendigen Abstandsregeln eingehalten werden.

Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) für Corona-Apps veröffentlicht

Zunehmend stärker kreist die Diskussion um die Eindämmung der Corona-Pandemie zunehmend um den Einsatz technischer Hilfsmittel. Insbesondere von Politiker*innen und Mediziner*innen gefordert, wird von diversen Software-Unternehmen der Versuch unternommen, die Pandemie mit Hilfe von sogenannten Tracing-Apps für Smartphones einzudämmen. Diese Systeme sollen automatisiert die zwischenmenschlichen Kontakte aller Nutzerïnnen aufzeichnen und es so erlauben, die Infektionsketten des Virus schnell und effizient nachzuvollziehen, um möglicherweise exponierte Personen frühzeitig warnen bzw. isolieren zu können.  

Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V. hat auf der Basis der öffentlich verfügbaren Daten und Informationen eine umfangreiche Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) für die in Entwicklung befindlichen Corona-Apps vorgelegt, In einer Pressemitteilung vom 14.04.2020 stellt FifF fest: Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) für Corona-Apps veröffentlicht weiterlesen

Grundrechtseinschränkungen in Zeiten von Corona – über Verhältnismäßigkeit, Technikeinsatz und überzogene Erwartungen

Sogenannte Corona-Apps – inzwischen werden dazu eine Vielzahl von Varianten entwickelt – sind nach Ansicht vieler Politiker*innen, aber auch verängstigter „Normalbürger*innen“, ein geeignetes Hilfsmittel gegen die Corona-Pandemie. In einer Stellungnahme des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V. vom 12.04.2020 werden Maßstäbe benannt, die bei der Einschränkung von Grundrechten (im Falle der Corona-Apps: des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung) zu beachten sind.Nachstehend ein Auszug aus der Stellungnahme:

Aktuell wird viel über die Einschränkung von Grundrechten zum Schutze der Bevölkerung diskutiert, dabei geht es um Themen wie etwa Ausgangsbeschränkungen oder aber das Auswerten von Bewegungs- oder Kontaktdaten, beides zum scheinbar übergeordneten Zweck der Pandemieeindämmung. Gerade bei zweiterem fallen dann Sätze wie „Datenschutz kostet Leben“, was beängstigend an das ebenso falsche „Datenschutz ist Täterschutz“ erinnert. Dabei müsste in diesen Diskursen eigentlich klar sein, dass es hier keine eindeutig gebotenen Handlungen gibt. Es stehen sich unvereinbare Grundrechte gegenüber, sodass die Stärkung einer Seite immer zulasten der anderen geht. So mag eine Ausgangsbeschränkung das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit schützen, sie schränkt jedoch im gleichen Atemzug die Bewegungsfreiheit, Freizügigkeit und sogar Demonstrationsfreiheit ein. Gleiches gilt für die Nutzung von Bewegungsdaten aus dem Mobilfunknetz oder anderer Ortsdaten zur Verfolgung von Infektionsketten. Diese greift ganz wesentlich in das Grundrecht auf Datenschutz und sogar die Menschenwürde ein. Grundrechtseinschränkungen in Zeiten von Corona – über Verhältnismäßigkeit, Technikeinsatz und überzogene Erwartungen weiterlesen

Corona-Datenspende-App des RKI: Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten

Am 07.04.2020 hat das Robert Koch-Institut (RKI) eine Corona-Datenspende-App vorgestellt. Ulrich Kelber, Bundesdatenschutzbeauftragter, hat dazu festgestellt:

  • Meiner Behörde liegt bis jetzt noch keine fertige Version der ‚Corona Datenspende‘-App vor. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Robert Koch-Institut im Vorfeld beraten. Grundsätzlich halte ich eine datenschutzkonforme Umsetzung für möglich und begrüße entsprechende Entscheidungen des RKI bei der Konzeption der App. Wir werden die Beratung fortsetzen und anschließend die Datenverarbeitung der App auch im Rahmen unserer Datenschutzaufsicht begleiten.
  • Die Bürgerinnen und Bürger müssen eindeutig und widerspruchsfrei informiert sein, welche Daten die App zu welchem Zweck sammelt. Außerdem muss das RKI noch konkretisieren, wie lange die Daten gespeichert werden. Ich erwarte zusätzlich, dass regelmäßig evaluiert wird, ob die App ihren Zweck erfüllt. Tut sie das nicht, muss die Verarbeitung beendet werden. Ganz allgemein weise ich darauf hin, dass das Datenschutzniveau bei Fitness-Trackern und SmartWatches je nach Hersteller sehr unterschiedlich ist. Diese Schnittstelle ist wahrscheinlich das größte Problem aus Sicht des Datenschutzes.
  • Noch ein Hinweis: Aus meiner Sicht ist der Name ‚Datenspende-App‘ unglücklich gewählt. Auch wenn Betroffene dem RKI ihre Daten freiwillig übermitteln, geben sie das Recht an ihren Daten nicht ab und können ihre Einwillung jederzeit widerrufen. Das RKI hat zugesagt, dass in diesem Fall alle gesammelten Daten gelöscht werden.“

Quelle: Pressemitteilung des BfDI vom 07.04.2020

Die Bertelsmann-Stiftung und „Faster than Corona“ – oder: Werbung für die „Datenspende“

„Der digitale Patient“, ein vom Bertelsmann-Konzern geschaffenes Internet-Magazin, das Werbung für die Digitalisierung des Gesundheitswesens macht und dabei auch Produkte der Bertelsmann-Tochter Arvato-Systems bewirbt, hat sich jetzt auch zum Thema Corona einschlägig positioniert. In einem Interview unter dem Titel „Wie Bürger durch Datenspenden zur Coronavirus-Forschung beitragen können wird eine Bertelsmann-Protagonistin (Mitglied des Bertelsmann-Expertennetzwerks „30 unter 40“) und das von ihr mitbetriebene Datensammelprojekt „Faster than Corona“ vorgestellt.

Quelle: Homepage „Faster than Corona“ 

Wir wollen schneller sein als das Coronavirus. Wie? Mit Daten. Vielen Daten. Nur so können wir mehr über das Virus lernen. Gibt es Medikamente, die schützen? Wer hat wirklich ein hohes Risiko? Helfen Sie mit und retten Sie Leben – mit Ihrer 1. Datenspende.

Die Bertelsmann-Stiftung und „Faster than Corona“ – oder: Werbung für die „Datenspende“ weiterlesen

Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten zum Patientendaten-Schutzgesetz veröffentlicht

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat am 03.04.2020 seine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutzgesetz – PDSG) veröffentlicht. Darin erklärt er eingangs: „Ich unterstütze die Digitalisierung des Gesundheitswesens, insbesondere soweit sie Verbesserungen für die Versicherten bringt. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Gesundheitsdaten ist die Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit dabei von herausragender Bedeutung… im Hinblick auf die Umsetzung dieser Prämissen weist der Gesetzentwurf noch wesentliche datenschutzrechtliche Defizite auf, z.B. in Bezug auf das Zugriffsmanagement der ePA und die Freigabe von Daten für die Forschung…“ Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten zum Patientendaten-Schutzgesetz veröffentlicht weiterlesen

Corona-App „CEPP-PT“ – ist das Datenschutz?

Wenn Menschen sich wieder begegnen können, zum Beispiel in Bus und U-Bahn, am Arbeitsplatz oder in Veranstaltungen, sollen mögliche Ansteckungen erkannt werden mit einer neuen App für Smartphones. Sie wird von einem länderübergreifenden Entwicklerteam entwickelt und heißt PEPP-PT.

Nach dem derzeitigen Stand soll die Benutzung der App freiwillig sein. Durch Nutzung der Bluetooth Schnittstelle des Smartphones wertet die App Annäherungen an andere Menschen aus, die auch ein Smartphone bei sich haben, auf dem diese App in Betrieb ist. Bei Begegnungen tauschen die Apps Pseudonyme aus, die die Benutzer bzw. ihre Smartphones eindeutig kennzeichnen. Über sie könnte zwar nicht der empfangende Benutzer, aber eine Zentralstelle die betroffenen Benutzer identifizieren. Diese Pseudonyme werden aber zunächst nur lokal auf dem Smartphone gespeichert.

Wenn eine Person mit dieser App als COVID-19 Infizierte erkannt wird, kann sie ihre Begegnungen der letzten zwei Wochen zu der Zentralstelle hochladen. Diese kann alle anderen Benutzer warnen, denen die COVID-19 infizierte Person zuvor begegnet ist. Diese können sich testen lassen oder in Quarantäne gehen.

Nach den vorliegenden Informationen ist diese App datenschutzrechtlich rechtmäßig. Denn ihr Betrieb und die Identifizierungsmöglichkeit des Benutzers durch die Zentralstelle sind durch eine Einwilligung des Benutzers gedeckt.

Gleichwohl erinnert sie an Maßnahmen zur flächendeckenden Bevölkerungskontrolle und zur Belohnung von richtigem Verhalten in China. Der Chaos Computer Club hat Kriterien für die Beurteilung von Contact Tracing Apps veröffentlicht, die nach jetzigem Stand von PEPP-PT nicht erfüllt werden. Besonders wichtig ist,

  • dass es keine zentrale Entität geben darf, der vertraut werden muss,
  • dass der Source Code öffentlich zugänglich sein muss, und
  • das verifizierbar sein muss, dass die Anwendung,  die man einsetzt, auf dem veröffentlichten Code beruht.

 

Großbritannien: Amazon, Microsoft und Palantir sollen den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) bei der Bewältigung der Corona-Pandemie unterstützen

Das meldet BBC news am 26.03.2020. Damit werden zwei große Datenkraken (Amazon und Microsoft) und ein Unternehmen, das Polizei und Geheimdiensten Schnüffelsoftware verkauft (Palantir), in die Lage versetzt, Zugriff auf Gesundheitsdaten in Großbritannien zu erlangen. Hier ein Auszug aus diesem Bericht:

Die über den Telefondienst 111 des NHS gesammelten Daten sollen mit anderen Quellen gemischt werden, um vorauszusagen, wo Beatmungsgeräte, Krankenhausbetten und medizinisches Personal am meisten benötigt werden… Drei US-Technologieunternehmen unterstützen diese Bemühungen – Amazon, Microsoft und Palantir – sowie die in London ansässige KI der Fakultät. Es wird erwartet, dass der Plan von Gesundheitsminister Matt Hancock unterzeichnet wird… Das Projekt wird wahrscheinlich zu Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre führen. Der NHS will jedoch sicherstellen, dass alle betroffenen Daten anonymisiert wurden, damit persönliche Daten nicht auf eine Person zurückgeführt werden können. Und wenn die Krise vorbei ist, wird er sich verpflichten, alle Aufzeichnungen zu vernichten… Großbritannien: Amazon, Microsoft und Palantir sollen den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) bei der Bewältigung der Corona-Pandemie unterstützen weiterlesen

Corona-Pandemie bekämpfen, Bürgerrechte und Datenschutz wahren! – Appell der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz

Acht Persönlichkeiten, die sich seit vielen Jahren beruflich mit Fragen des Datenschutzrecht beschäftigen, darunter Peter Schaar, ehemaliger Bundesdatenschutzbeauftragter, haben sich in einer gemeinsamen Stellungnahme zu Wort gemeldet. In ihrem Appell erklären sie u. a.:

„Wir stellen fest: Auch in der Coronakrise bleiben Persönlichkeitsrechte – mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts – ‚elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlich demokratischen Gemeinwesens‘. Sie dürfen nicht vorschnell und ohne die gebotene sorgsam abwägende Prüfung über die bereits bestehenden gesetzlichen Eingriffsmöglichkeiten hinaus dauerhaft eingeschränkt und so der Ausnahmezustand zur Norm erhoben werden. Alle neu erwogenen Maßnahmen müssen sich daran messen lassen, ob sie für eine wirkungsvolle Pandemiebekämpfung wirklich zielführend und erforderlich sind und ob sie den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit einhalten… Corona-Pandemie bekämpfen, Bürgerrechte und Datenschutz wahren! – Appell der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz weiterlesen

Baden-Württemberg: Gesundheitsämter übermitteln Daten von Corona-Infizierten an Polizei

Das baden-württembergische Innenministerium und die Polizei nutzen nach eigenen Angaben Listen mit persönlichen Daten von Corona-Patienten, die ihnen von Gesundheitsämtern übermittelt werden. In einem Bericht des SWR wird ein Vertreter des Innenministeriums zitiert mit der Aussage, dass die Informationsweitergabe der Gesundheitsämter erfolge „indem das einzelne Gesundheitsamt dem Polizeipräsidium, das für den Stadt- oder Landkreis zuständig ist, Daten über die Infizierten regelmäßig übermittelt.“ Und weiter: „Wenn die Polizei beispielsweise zu einem Verkehrsunfall gerufen wird, kann sie so überprüfen, ob der Betroffene infiziert ist.“ So könne sie vorab konkrete Schutzmaßnahmen ergreifen. Rechtsgrundlage für diese pauschale Datenübermittlung von den Gesundheitsämtern zur Polizei sei das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG). Im Bericht des SWR wird auch ein Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zitiert mit der Aussage: „Uns fehlen Informationen von Infizierten, wenn wir bei Einsätzen ausrücken“, das sei aber nötig, da es der Polizei an Schutzkleidung fehle.

Stefan Brink, Landesdatenschutzbeauftragter in Baden Württemberg wurde von der Badischen Zeitung um eine Stellungnahme gebeten. Er stellte zu diesem Datentransfer fest, die Namen dürften nicht pauschal in Listen, sondern nur einzeln und bei einer konkreten Gefahr für die Beamten herausgegeben werden. Die Information über eine Corona-Infektion sei hochsensibel und könne zu Stigmatisierung führen. Er widerspricht zudem, dass es eine rechtliche Grundlage dafür gebe.“ Baden-Württemberg: Gesundheitsämter übermitteln Daten von Corona-Infizierten an Polizei weiterlesen

Patientenrechte und Datenschutz e.V.