Die stetige Absenkung der Schutzmaßnahmen für das medizinische Personal in der aktuellen Situation ist ein Riesenskandal

Unter diesem Titel veröffentlicht LabourNet Germany, lt. Selbstdarstellung ein Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch“ eine Stellungnahme von Angela Münch, Notfallmedizinerin und Ärztin auf einer Intensivstation in Stuttgart. Nachfolgend einige Auszüge:

  • Nach Recherchen der tagesschau vom 16.4. sind bereits ca. 6400 Ärzte und Pflegekräfte in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert, acht sind bereits gestorben. Von diesen Infizierten sind drei von vier weiblich, das Durchschnittsalter betrage 42 Jahre nach Angaben des RKI. Damit hat sich die Zahl der gemeldeten Infektionen in dieser Berufsgruppe innerhalb der letzten zwei Wochen beinahe verdreifacht, so der tagesschau-Bericht. Das statistische Bundesamt zählt 5,7 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen davon sind 41 % mindestens 51 Jahre alt, mehr als ein Viertel (31 %) der niedergelassenen Ärzte sind sogar 60 Jahre und älter und gehören dementsprechend zur Hochrisikogruppe. Auch Pflegekräfte und Mediziner haben chronische Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus, sind dick oder haben einen Bluthochdruck. Außerdem schwächen Schicht- und Nachtarbeit, Überstunden und Personalmangel das Immunsystem massiv…

  • Spahn und Co erwähnen immer wieder wie wichtig ihnen der Schutz für das Personal ist – doch Worte und Ergebnisse liegen hier unfassbar weit auseinander. Die Schutzmaßnahmen wurden in den letzten vier Wochen sukzessive abgesenkt. In der Medizin ist es üblich nach Leitlinien zu therapieren, wenn nicht, drohen evtl. sogar strafrechtliche Konsequenzen. Vor der Corona-Krise galten Hygieneleitlinien zum Schutz des Personals… die gesetzlich vom Arbeitgeber gewährleistet werden mussten. Hierin heißt es klipp und klar, dass Personal wie auch Besucher schon beim Betreten des Zimmers eines Patienten mit einer SARS-Infektion eine FFP3-Maske oder einen Respirator zu tragen haben. Außerdem sind ein flüssigkeitsdichter Schutzkittel, eine Schutzhaube, eine Schutzbrille und Handschuhe zu benutzen. Die Masken sollen aus hygienischen Gründen nach einmaligem Tragen entsorgt werden. Sie sind auch vom Hersteller als Einmalartikel ausgewiesen. Das RKI empfiehlt aktuell unter ́Hygienemaßnahmen bei der Behandlung und Pflege von Covid19-Patienten/B persönliche Schutzausrüstung ́ bevorzugt eine FFP2-Maske zu tragen. Wenn diese nicht vorhanden ist, heißt es lapidar, soll ein MundNasenSchutz verwendet werden. – Ein MundNasenSchutz ist bei SARS-Infektion in einer pflegerischen Situation genau 0 % Schutz für den Beschäftigten…
  • Vom ersten Krisentag an, ab dem 13.3., als die Krankenhäuser Platz schaffen sollten für Corona-Patienten, wurden „Maßnahmen zum ressourcenschonenden Einsatz von MNS- und FFP-Masken in Einrichtungen des Gesundheitswesen bei Lieferengpässen“ vom RKI abgestimmt mit dem Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht. Seither werden Trainingsvideos für das Personal für das korrekte an- und ablegen der Schutzkleidung erstellt und die Devise lautet: Einmal-Masken nicht wegschmeißen, sondern über eine Schicht von 8 Stunden wiederverwenden…
  • Anstatt, dass das RKI eine Erklärung versucht, ab wann eine Maske durchfeuchtet ist und damit verworfen werden sollte, wurde in der Aktualisierung der Stellungnahme zum ressourcenschonenden Einsatz der Masken vom 14.4. einfach der Punkt der Durchfeuchtung ersatzlos gestrichen…
  • Rechnen wir den Bedarf selbst aus: ein Corona-Patient in einem Isolierzimmer wird mindestens drei Mal pro Schicht (in 8 Stunden) von der Pflege und mindestens einmal Mal vom Arzt besucht, dazu kommen Lagerungstherapien bei denen mindestens drei Mitarbeiter beteiligt sind. Also wenn nichts Außergewöhnliches passiert, sind in 8 h sieben Masken notwendig und in 24 h 21 Masken – das ist die Kleinste anzunehmende Menge. In Stuttgart gibt es z.B. derzeit relativ stabil ca. 25 beatmete Patienten, das wären 525 Masken am Tag…
  • Nach der vierten Woche der Krise sollte man auch annehmen, dass eine Produktion im eigenen Land endlich funktioniert. Denn wo auf dieser Welt, wenn nicht hier in Deutschland, kann eine eigene Produktion für Masken besser funktionieren?! So wie es aussieht bringt die Masken-Produktion einfach nicht genügend Gewinne ein. Einmal mehr stehen sich Wirtschaft und Gesundheit in dieser Krise diametral gegenüber und man muss sich für eine Seite entscheiden. Nein, aufgepasst: Herr Spahn lässt verlauten, dass ab M i t t e AUGUST (!) die Lieferung der Masken aus inländischer Produktion gesichert sein wird – ganze 6 Monate nach Krisenbeginn…
  • Wieviele Mitarbeiter werden sich bis dahin infiziert und wieviele gestorben sein?

LabourNet Germany hat hier eine Vielzahl von Berichten und Stellungnahmen zu den Arbeitsbedingungen in der stationären und ambulanten Behandlung und Pflege von Corona-Patient*innen veröffentlicht.

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