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Bund der Steuerzahler empfiehlt: Estland als digitales Vorbild – Auslieferung aller personenbezogen Daten an den Staat

Das neue Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler e. V. (BdSt) mit seiner Kritik an der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) war auch in den Massenmedien der letzten Tage ein Thema.
Der BdSt beschäftigt sich auf den ersten 30 Seiten des neuen Schwarzbuchs kritisch mit diversen Fehlentwicklungen und Geldverschwendung bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Stutzig machen müssen aber seine Empfehlungen, wie alles besser und kostengünstiger zu machen sei.
So wird auf Seite 19 in den „ABSCHLIESSENDE(N) HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ZUM E-GOVERNMENT“ u. a. gefordert: Einführung des ‚Once-Only‘-Prinzips, das besagt, dass gültige Dokumente (etwa Geburtsurkunden, Meldebescheinigungen, Einkommensnachweise) nur ein einziges Mal an den Staat übermittelt werden müssen. Anschließend haben alle Behörden, die eine entsprechende Berechtigung und Signatur besitzen, Zugriff auf die Unterlagen…“

Kritik des Bundes der Steuerzahler an der elektronischen Gesundheitskarte greift zu kurz

Der Bund der Steuerzahler hat am 05.10.2017 sein Schwarzbuch 2017/18 vorgestellt.

Quelle: Homepage des Bundes der Steuerzahler e. V. (BdSt)

Als teuerste Fehlinvestition wird darin die elektronische Gesundheitskarte (eGk) und die damit verbundene technische Infrastruktur beschrieben. In einer Pressekonferenz erklärte Reiner Holznagel, Präsident des BdSt, u. a.: “Wahrscheinlich ist der teuerste Flop die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Seit 2006 gibt es sie – und die Versicherten sowie die Heilberufe sollten eigentlich davon profitieren. Doch von den anfänglichen Visionen sind lediglich Stammdaten auf der Karte übrig geblieben… Bis zum Jahresende sind dann 1,7 Milliarden Euro investiert worden – und wir erhalten eine veraltete Technik. Bitter dabei ist, dass in den kommenden fünf Jahren weitere 1,5 Milliarden Euro investiert werden müssen. Dabei gibt es kostengünstige Alternativen. Die elektronische Gesundheitskarte ist aus unserer Sicht gescheitert…”. Kritik des Bundes der Steuerzahler an der elektronischen Gesundheitskarte greift zu kurz weiterlesen

Bertelsmann mit Arvato Systems im Sprechzimmer und am Krankenbett

Ärger um ungültige Gesundheitskarten: Und plötzlich soll das Ersatzverfahren angewendet werden…

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein informierte am 26.09.2017 die ihr angeschlossenen ÄrztInnen wie folgt: “Leider haben wir erst kurzfristig erfahren, dass es Schwierigkeiten mit den elektronischen Gesundheitskarten (eGK) der ersten Generation zu geben scheint, die Sie in den Praxen ab 1. Oktober 2017 betreffen könnten… Ab dem 1. Oktober können eGK der Generation 1 (G1) nicht mehr ins Praxisverwaltungssystem eingelesen werden. Die Betreibergesellschaft gematik hatte die eGK G1 für ungültig erklärt. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbands sind kaum noch eGK G1 im Umlauf. Doch auch, wenn ein Versicherter von seiner Kasse eine G2-Karte erhalten hat, heißt das nicht, dass er sie auch nutzt. Denn etliche G1-Karten sind nach ihrem sichtbaren Gültigkeitsdatum auf der Rückseite noch nicht abgelaufen, aber trotzdem ungültig. Sie könnten deswegen von den Versicherten noch in der Praxis vorgelegt werden…” Ärger um ungültige Gesundheitskarten: Und plötzlich soll das Ersatzverfahren angewendet werden… weiterlesen

Ein Jahr nach Einführung des Medikationsplans in das SGB V: Eine ernüchternde Bilanz

Die hkk Krankenkasse (Handelskrankenkasse) hat ein Jahr nach Einführung des Medikationsplans (§ 31a SGB V) durch das E-Health-Gesetz das Ergebnis einer repräsentativen Studie zur Wirksamkeit dieses Instruments veröffentlicht. Mit miserablen Ergebnissen, wenn man sie mit den vollmundigen Erklärungen von Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) vergleicht. Dieser erklärte vor einem Jahr:Medikationsplan ist ein großer Schritt nach vorn“.

Die hkk Krankenkasse hat festgestellt:

  • “Nur 37,7 Prozent der Versicherten mit Anspruch auf und Bedarf an einem Medikationsplan haben ihn auch erhalten.
  • Ein Viertel der Befragten mit Medikationsplan wurden gar nicht oder nur unzureichend über den Sinn des Plans aufgeklärt.
  • Knapp 21 Prozent der Befragten gaben an, dass sie vom für den Medikationsplan verantwortlichen Arzt weder über den Nutzen noch über die Einnahmemodalitäten der verordneten Medikamente informiert wurden.
  • 51,6 Prozent aller Befragten mit Medikationsplan wurden nicht gefragt, ob sie sich zusätzlich rezeptfreie Arzneimittel in der Apotheke gekauft hätten.
  • 43 Prozent aller Befragten mit Medikationsplan wurden nicht darauf hingewiesen, den Plan auch zum Besuch anderer Ärzte mitzunehmen und gegebenenfalls ergänzen zu lassen.
  • 32,5 Prozent der Befragten, die auch von anderen Ärzten als dem Ersteller des Medikationsplans Medikamente verordnet bekamen, wurden nicht nach dem Medikationsplan gefragt. Sofern der Medikationsplan bei diesen Arztkontakten überhaupt eine Rolle spielte, wurde dieser bei 14,3 Prozent der befragten Patienten nicht ergänzt.”

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Kann Estland Vorbild sein bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens? Fragen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung

In der neuesten Ausgabe ihres Magazins Klartext stellt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) unter dem Titel Gesundheit anderswo: Der Tigersprung der Esten“ Seiten 28 – 30) mit begeisterten Worten das Gesundheitswesen im EU-Staat Estland vor. Ein Grund, um diese Veröffentlichung gründlich und mit kritischem Blick zu lesen.

Der Beitrag beginnt mit der Feststellung: „In Sachen Digitalisierung ist Estland eines der fortschrittlichsten Länder – in fast allen Bereichen des Gesundheitlichen Lebens.“ Zur Digitalisierung des Gesundheitswesens wird dann wie folgt informiert: „ 2008 trat das Staatliche Regulierungsgesetz für den Austausch von Gesundheitsinformationen in Kraft, demgemäß die einzelnen Leistungserbringer dazu verpflichtet sind, medizinische Daten an die Datenbank des Gesundheitsinformationssystems ENHIS weiterzuleiten. Rund 95 Prozent der estnischen Gesundheitsdienstleister nutzen das E-Health-System. Sie müssen nicht nur alle relevanten Behandlungsdaten erheben und in das System einpflegen, sondern diese im Behandlungskontext auch verwenden…“

Was hier verschwiegen wird: In Estland werden – ebenso wie in Dänemark und Österreich – alle Menschen ohne ihre vorherige Einwilligung mit ihren Gesundheits- und Behandlungsdaten in einem zentralisierten System erfasst. Individuell können sich Menschen, die dies wollen in einem komplizierten Verfahren dann aus diesem System wieder ausklinken. Neudeutsch wird dies Opt-out genannt.

Bei aller Kritik an der e-Health-Politik in Deutschland: Dass hier am Beginn der Datenerfassung immer noch die aktive und Informierte Einwilligung des Patienten in eine zentralisierte Datenerfassung erforderlich ist, bevor diese erfolgen darf (§ 291a Abs. 5 SGB V) – das sogenannte Opt-inVerfahren – ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass informationelle Selbstbestimmung über die eigenen Gesundheits- und Behandlungsdaten möglich bleibt. Stellt sich die Frage:

Will sich die KBV hier neu positionieren? Kann Estland Vorbild sein bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens? Fragen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung weiterlesen

Sozialgericht Berlin entscheidet über Umgang mit Fotos, die eine Krankenkasse für Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte anfordert

Mit Urteil vom 27.06.2017 (Aktenzeichen: S 208 KR 2111/16) hat das Sozialgericht Berlin festgestellt:

  1. „Sobald eine Krankenkasse die elektronische Gesundheitskarte mit einem Lichtbild des Versicherten ausgestellt hat, hat die Krankenkasse das Lichtbild zu löschen.
  2. Die Speicherung des Lichtbildes bzw. die Kenntnis des äußeren Erscheinungsbildes eines Versicherten ist für die Krankenkasse nur bis zur Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte notwendig.
  3. Die fortwährende Speicherung kann nicht damit begründet werden, dass auf diese Weise im Bedarfsfall die Ausstellung einer Ersatzkarte erfolgen kann.“

Das Gericht entsprach damit der Forderung des Klägers, der von seiner Krankenkasse vergeblich eine Zusage einforderte, dass diese die bereitgestellten Fotos

Dr. Hontschiks Diagnose: „Warum die elektronische Gesundheitskarte mehr schadet als nutzt“

Dr. med. Bernd Hontschik, Chirurg aus Frankfurt, schreibt für die Frankfurter Rundschau die Kolumne „Dr. Hontschiks Diagnose“ In seinem Beitrag vom 09.09.2017 beschäftigt er sich zum wiederholten Mal mit der elektronischen Gesundheitskarte. Seine Diagnose:

„Die eGK stellt alle Pannen des Berliner Flughafens bei weitem in den Schatten. Die eGK übertrifft die LKW-Maut an Chaos und technischen Fehlplanungen um Längen. Und auch die Verzehnfachung der Kosten, wie es die Elbphilharmonie in Hamburg vorgemacht hat, wird die eGK locker toppen, wenn es so weitergeht. Aber geht es so weiter? … nun hat eine der größten Krankenkassen im Land die Nase voll und geht ihren eigenen Weg: Der Chef der Technikerkasse, Jens Baas, erklärte die eGK… schon vor einem knappen Jahr für ‚tot‘. In Kooperation mit IBM entwickelt die Technikerkasse jetzt eine eigene digitale Patientenakte für ihre zehn Millionen Versicherten. Es steht uns also ein Flickenteppich von elektronischen Karten, zentralen oder dezentralen Speicherungen mit PINs und TANs und einer Unzahl von Passwörtern ins Haus. Widerstand ist jetzt erst recht wichtig. Dabei wäre es doch so einfach, wenn statt irgendwelcher zentralen Server, die bislang noch überall und alle gehackt werden konnten, eine dezentrale Netzwerklösung installiert würde. Niemand müsste die Verfügungsgewalt über die Gesundheitsdaten abgeben, niemand müsste sich vor Datendiebstahl fürchten, und alle Kommunikationsprobleme im Gesundheitswesen wären gelöst. An diesen umfassenden Gesundheitsdaten, die auf zentralen Servern gesammelt werden sollen, besteht aber allergrößtes Interesse. Hard- und Softwarekonzerne, Regierungen, Strafverfolgungsbehörden, Versicherungen, Arbeitgeber, sie alle stehen in Warteposition. Das würde zwar nie jemand zugeben, aber nur deswegen hält man hartnäckig an den zentralen Servern fest. Es gibt keinen anderen nachvollziehbaren Grund.“

Fundsache: “Die E-Card… ist gescheitert… Ich habe immer das Gefühl, als versuche die gematik, auf einem Videorekorder eine Blu-Ray ans Laufen zu kriegen

“Erstens: Die E-Card, so wie sie ist, ist in meinen Augen gescheitert. Das Modell ist zu groß, zu statisch und zu zentralistisch, es hält den rasanten technischen Entwick­lungen nicht stand. Ich habe immer das Gefühl, als versuche die gematik, auf einem Videorekorder eine Blu-Ray ans Laufen zu kriegen, während überall sonst schon die Musik aus dem Netz gestreamt wird. Wir sollten daher den Mut haben, das gesamte Konzept kritisch zu hinterfragen und eventuell zu stoppen.

Zweitens: Digitalisierung um ihrer selbst willen halte ich nicht für zielführend. Alle Maßnahmen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens müssen sich am Nutzen für die Patientinnen und Patienten messen lassen. Für Gesundheits-Apps und andere digitale Anwendungen brauchen wir ein Verfahren zur Qualitätssicherung und dann, wenn sie sinnvoll sind, auch die Erstattungsfähigkeit in der GKV.

Drittens: Der Datenschutz und die informationelle Selbstbestimmung müssen gegen die Interessen und Begehrlichkeiten großer transnationaler Internetkonzerne und Datenhändler verteidigt werden. Gesundheitsdaten sind besonders sensibel und schützenswert. Dieser Schutz wird nicht leichter, je mehr große Datenmengen aggre­giert werden.”

Kathrin Vogler, gesundheits­poli­tische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, am 12.09.2017 in einem Interview mit Ärzteblatt.de.

Schutz von Patientendaten: Im Praxisalltag oft gravierende Fehler

Medscape, ein Online-Medium für Nachrichten aus dem und über das Gesundheitswesen, veröffentlichte kürzlich unter diesem Titel eine umfangreiche Information, die sich an Ärztinnen und Ärzte sowie an deren MitarbeiterInnen richtet.Unter Zwischenüberschriften wie

  • Verstöße gegen das Verbot der Preisgabe von Patientendaten;
  • Datenschutz bei Patientendaten;
  • Auch MTAs unterliegen der Schweigepflicht;
  • Auch anonymisierte Patientendaten dürfen nicht weitergegeben werden;

werden gut verständliche Hinweise gegeben, die auch für PatientInnen nützlich sind.

Zum Thema Datenschutz in Krankenhaus finden sich hier weitere allgemeinverständliche Hinweise.