Haben (Strafverfolgungs-)Behörden Zugriffsmöglichkeiten auf die elektronische Patientenakte (ePA)? – Eine Anfrage an den Bundesdatenschutzbeauftragten

Zu diesem Thema hat ein Mitglied einer großen bundesweit vertretenen Krankenkasse eine Anfrage an den Bundesdatenschutzbeauftragten gerichtet. Der Versicherte hat dem Verein Patientenrechte und Datenschutz e.V. und der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main seine Anfrage zur Verfügung gestellt mit der Bitte, sie in anonymisierter Form auszugsweise anderen interessierten Versicherten zur Verfügung zu stellen.

Der Versicherte fragt: Besteht rechtlich die Möglichkeit, dass andere Behörden (z. B. Polizei und Justiz) Zugriff auf die in meiner ePA gespeicherten Unterlagen nehmen können?

Als Begründung für seine Fragestellung hat der Versicherte auf einschlägige Regelungen in der Strafprozessordnung (StPO) hingewiesen:

  • § 53 StPO  (Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger);
  • § 97 StPO (Beschlagnahmeverbot) und
  • § 163 StPO (Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren.

Daraus folgert er, dass zwar meine elektronische Gesundheitskarte (§ 291a SGB V) einem Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 2 StPO unterliegt, nicht aber meine elektronische Patientenakte (§ 341 SGB V), sollte ich sie mir zulegen.“ Der Versicherte erklärt gegenüber dem Bundesdatenschutzbeauftragten: Vollends unruhig gemacht hat mich dann eine Stellungnahme der Bundesärztekammer (BÄK) im Gesetzgebungsverfahren zum sogenannten Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG)”.

In dieser Stellungnahme vom 19.05.2020 wird auf S. 17/18 auf eine nach Ansicht der BÄK bestehende Gesetzeslücke hingewiesen. Unter der Überschrift Beschlagnahmeverbot für Inhalte der elektronischen Patientenaktewird festgestellt:

Der bislang bereits für die elektronische Gesundheitskarte geltende Beschlagnahmeschutz muss – wie im Referentenentwurf noch vorgesehen – auf die elektronische Patientenakte ausgedehnt werden. Anders als in der Gesetzesbegründung ausgeführt, ist es zweifelhaft, dass ein solches Beschlagnahmeverbot bereits nach derzeit geltendem Recht besteht. Dies soll sich laut Begründung aus § 11 Abs. 3 StGB ergeben. Diese Vorschrift regelt jedoch nur, dass Datenspeicher Schriftstücken gleichstehen. Es bleibt nach § 97 Abs. 1 StPO dabei, dass sich die Datenspeicher im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden müssen. § 97 Abs. 3 StPO erstreckt das Beschlagnahmeverbot nur auf solche Gegenstände, die sich im Gewahrsam einer mitwirkenden Person befinden… Bei der elektronischen Gesundheitsakte stellte sich ein vergleichbares Problem. Die Gesundheitskarte selbst und damit die auf ihr gespeichertes Daten befinden sich nicht im Gewahrsam des Arztes, sondern des Patienten. Der Patient ist jedoch nicht (ohne weiteres) als mitwirkende Person des Arztes anzusehen, so dass das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1, 3 nicht greifen dürfte. Daher hat der Gesetzgeber den Beschlagnahmeschutz auf die Gesundheitskarte erstreckt (§ 97 Abs. 2 S. 1 StPO). Diesen Schutz muss er jetzt konsequenterweise auf die elektronische Patientenakte erstrecken… Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass auch die Inhalte ihrer Patientenakte genauso vertraulich bleiben wie Gespräche mit Ärztinnen und Ärzten in Krankenhäusern und Arztpraxen. Andernfalls besteht die Gefahr eines massiven Vertrauensverlusts…“

In der Stellungnahme der BÄK wird auf S. 18 ein Vorschlag gemacht, wie diese Gesetzeslücke zu schließen sei: „Die Bundesärztekammer schlägt die Einfügung eines Artikels 3a mit dem Wortlaut des im Referentenentwurf vorgesehen Artikel 4 vor: Artikel 4 Änderung der Strafprozessordnung § 97 Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung… wird wie folgt gefasst: ‚Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind; hiervon ausgenommen sind die elektronische Gesundheitskarte nach § 291 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie die elektronische Patientenakte nach § 341 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch hinsichtlich der von einem zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten eingestellten Daten.‘“

Drei Fragen an den Bundesdatenschutzbeauftragten werden am Ende des Schreibens formuliert:

  1. Ist meine Bewertung zutreffend, dass eine ePA nicht dem Beschlagnahmeschutz des § 97 Abs. 2 StPO unterliegt?
  2. Teilen Sie die Bewertung der BÄK, dass ‘der bislang bereits für die elektronische Gesundheitskarte geltende Beschlagnahmeschutz…. – wie im Referentenentwurf noch vorgesehen – auf die elektronische Patientenakte ausgedehnt werden’ muss, um die ePA und die darin ggf. gespeicherten Gesundheits- und Behandlungsdaten wirksam vor einer Beschlagnahme zu schützen?
  3. Haben Sie im Gesetzgebungsverfahren zum sogenannten Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) zu dieser Problematik Stellung genommen? Wenn Ja, bitte ich um entsprechende Information.“

Auf die Antwort des Bundesdatenschutzbeauftragten dürfte nicht nur der anfragende Versicherte gespannt sein.

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