Niedersachsen: Landesdatenschutzbeauftragte fordert erneut sofortigen Übermittlungsstopp von Corona-Gesundheitsdaten an die Polizei

Trotz wiederholter deutlicher Kritik der Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen, Barbara Thiel, hält das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung weiterhin an einem Erlass fest, mit dem die Gesundheitsämter angewiesen werden, Daten von Corona-Patienten und von deren Kontaktpersonen, die sich in Quarantäne befinden, an die Polizei zu übermitteln. Mit Erlass vom 31.03.2020 wurden die Gesundheitsämter durch das Gesundheitsministerium angewiesen, die Anschriften der unter häuslicher Quarantäne stehenden Personen nach einem positiven Test auf Corona an die Polizei zu übermitteln.

Die LfD Niedersachsen hatte das Gesundheitsministerium nach Bekanntwerden am 03.04.2020 aufgefordert, den Erlass zurückzunehmen, da es insbesondere keine Rechtsgrundlage für die pauschale Übermittlung dieser sensitiven Gesundheitsdaten gibt. Statt dieser Aufforderung zu folgen, gab das Ministerium kurz darauf einen weiteren bestätigenden Erlass an die Gesundheitsämter heraus. Dabei beruft es sich auf das Infektionsschutzgesetz und das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz, da keine Befunde, sondern nur die Anschriften der unter Quarantäne stehenden Personen übermittelt würden. Zudem hält es den Tatbestand des rechtfertigenden Notstands für erfüllt.

Diese Rechtsauffassung teile ich ausdrücklich nicht. Selbstverständlich handelt es sich bei den übermittelten Daten um sensitive Gesundheitsdaten. Zwar werden die Daten auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ziel verarbeitet, die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern. Eine fachspezifische Übermittlungsbefugnis an die Polizeileitstellen umfasst das Infektionsschutzgesetz jedoch nicht“, stellt Thiel klar. Auch die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands seien darüber hinaus nicht für sämtliche Personen gegeben, deren Daten pauschal an die Polizei übermittelt werden.

Thiel kritisiert das Vorgehen des Niedersächsischen Gesundheitsministeriums auch mit Blick auf geplante Apps zur Ermittlung von Kontaktpersonen von Corona-Patienten: „Mit diesem Erlass erschwert das Gesundheitsministerium die aktuellen Bemühungen auf Bundesebene. Es ist zweifelhaft, ob Bürgerinnen und Bürger freiwillig bereit sind, ihre Standortdaten zu teilen, wenn in Niedersachsen sensible Gesundheitsdaten ohne Rechtsgrundlage an die Polizei übermittelt werden.“ Genau diese Freiwilligkeit sei aber eine Voraussetzung dafür, dass derartige Apps funktionieren und einen Beitrag zur Lockerung der derzeitigen Kontaktverbote leisten können, so Thiel weiter.

Ich wiederhole meine Anordnung an das Gesundheitsministerium daher nochmals mit aller Vehemenz. Die derzeitige, rechtswidrige und bevorratende Datenübermittlung muss umgehend eingestellt werden, so Thiel. Abschließend stellt die LfD Niedersachsen klar, dass ihr Anordnungen gegenüber Behörden oder Ministerien zwar möglich sind, diese allerdings nicht vollstreckt werden können, weil der Landesgesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, ihr weiterreichende und damit zugleich auch wirksame Befugnisse gegenüber öffentlichen Stellen zuzugestehen.

Quelle: Pressemitteilung der Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen vom 07.04.2020

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