Dies war der letzte Teil unserer Umfrage zu Erfahrungen von Versicherten ohne elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit Krankenkassen und Ärzten. Die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Teile der Umfrage finden Sie hier (Umfrage Februar) und hier (Umfrage März/April).
Ergebnisse der Umfrage von Mai/Juni
Vorbemerkung
Diese Umfrage ist nicht repräsentativ, weil keine zufällig ausgewählte Stichprobe von gesetzlich Krankenversicherten ohne eGK befragt wurde. „Patient“, „Versicherter“, „Arzt“ usw. meint hier immer alle Geschlechter. Da wir ohnehin nicht wissen, wer den Fragebogen ausgefüllt hat, verwenden wir der besseren Lesbarkeit halber durchgehend die kürzere männliche Form.
Teilnehmerzahl
Die Umfrage in den Monaten Mai und Juni ergab 37 auswertbare Fragebögen. Weitere 21 Datensätze wurden nicht in die Auswertung einbezogen, da die Bearbeitung abgebrochen worden war, ohne inhaltliche Angaben zu machen. Weil die Auswertung auf einer relativ geringen Anazhl von Aussagen basiert, sind die Ergebnisse nur als grobe Werte zu betrachten – schon wenige zusätzliche Angaben weiterer Teilnehmer hätten das Ergebnis stark verändern können.
Von den 37 Teilnehmern gaben 9 an, bereits an mindestens einer der vorigen Umfragen teilgenommen zu haben.
(Über die Gründe für die gringe Teilnahme kann man spekulieren: Vielleicht hatten wir die Umfrage zu wenig bekannt gemacht – oder die dritte Auflage einer Umfrage ist einfach nicht mehr so interessant. Eventuell betrachten einige Versicherte das Thema als erledigt, weil sie gezwungen waren, die eGK zu akzeptieren. Möglicherweise liegt es auch daran, dass es im Sommer viel attraktivere Freizeitbeschäftigungen gibt, als online-Fragebögen auszufüllen.)
Verhalten der Krankenkassen insgesamt
Drei Teilnehmer kreuzten keine der vorgegebenen Optionen an. Von den 34 Teilnehmern, die die Frage beantworteten, berichtete knapp die Hälfte von Tagesnachweisen. Zwei Drittel dieser Tagesnachweise wurden an die Versicherten gesendet, ein Drittel in die Arztpraxis gefaxt. Bei beiden Übermittlungswegen war in einem Drittel der Fälle Nachdruck erforderlich. Zehn Teilnehmer gaben an, Quartalsnachweise erhalten zu haben, und zwar überwiegend ohne Probleme. 6 Teilnehmern wurde jeglicher Anspruchsnachweis verweigert.
Einige Teilnehmer erwähnten jedoch im Textfeld, dass sie Bescheinigungen mit einer Gültigkeitsdauer von 2 Wochen oder einem Monat erhalten hätten – und zwar entweder zusätzlich oder statt der angekreuzten Nachweise. Korrigiert man Auswertung um diejenigen Fälle, in denen die Teilnehmer im Textfeld klarstellten, dass sie eigentlich Nachweise für 2 Wochen oder 1 Monat gemeint hatten, diese Option aber nicht vorfanden und aus diesem Grund etwas anderes oder gar nichts ankreuzten, dann ergibt sich folgendes Bild:
Ein Teilnehmer machte keine Angaben. Von den übrigen 36 erhielten 7 Quartalsnachweise, fast immer problemlos. 5 Umfrageteilnehmer berichteten von Nachweisen mit einer Gültigkeitsdauer von 2 Wochen. In 3 Fällen gab es monatsweise gültige Bescheinigungen. 15 Versicherte bekamen Tagesnachweise, von denen zwei Drittel an die Versicherten gesendet und ein Drittel an die Arztpraxen gefaxt wurde. Nachdruck war bei beiden Übermittlungswegen in etwas weniger als der Hälfte der Fälle erforderlich. 6 Umfrageteilnehmern verweigerte die Krankekasse jeglichen Anspruchsnachweis.
Verhalten einzelner Krankenkassen
AOK
Bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen waren 5 Umfrageteilnehmer versichert.
Einer davon machte keine Angaben zum Verhalten seiner Krankenkasse. Von den übrigen 4 wurde dreien der Nachweis verweigert, einer erhielt einen Quartalsnachweis. Aufgrund der dünnen Datenbasis lässt sich daraus keine Aussage über das „durchschnittliche Verhalten“ der AOK ableiten. Für eine Auswertung nach regionalen AOK liegen ebenfalls zu wenig Datensätze vor.
Barmer GEK
8 Teilnehmer waren Versicherte der Barmer GEK. Einer von ihnen kreuzte keine der vorgegebenen Optionen an, zwei gaben an, sie bekämen problemlos Quartalsnachweise, zweien wurde jeglicher Nachweis verweigert und die übrigen teilten mit, sie erhielten Tagesnachweise. Soweit die Auswertung der angekreuzten Antworten.
Bei Durchsicht der Aussagen in den Textfeldern wird jedoch deutlich, dass bei der Barmer GEK offenbar überwiegend Nachweise mit einer Gültigkeit von 14 Tagen ausgestellt werden. (Dies ist möglicherweise ein Relikt davon, dass Anfang des Jahres 2015 im Bundesmantelvertrag Ärzte (also den Vereinbarugen über kassenärztliche Leistungen zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen) eine maximale Ausstellungsdauer für Papiernachweise von 14 Tagen genannt wurde. Diese Angabe wurde zwar nach gut einer Woche wieder aus dem Dokument entfernt, wird aber von der Barmer GEK möglicherweise immer noch als Maßstab angesehen.)
Da 14-tägige Nachweise im Fragebogen nicht als Antwortmöglichkeit vorgegeben waren, wählten die Barmer-GEK-Mitglieder wohl jweils die Option, die ihnen am wenigsten unpassend erschien. Korrigiert um die Aussagen aus den Textfeldern ergibt sich folgendes Bild:
5 Barmer-GEK-Versicherte erhielten Nachweise mit einer Gültigkeitsdauer von 14 Tagen, zweien wurde der Nachweis verweigert und einer bekam einen Tagesnachweis zugesendet.
BKK, DAK, IKK
Die Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen und die Deutsche Angestelltenkrankenkasse mussten diesmal unter „Sonstige Krankenkassen“ zusammengefasst werden, da nur zwei Umfrageteilnehmer bei (unterschiedlichen) BKK, zwei bei (unterschiedlichen) IKK und drei bei der DAK versichert waren (wobei Letztere alle unterschiedliche Angaben über das Verhalten der Kasse machten).
TK
Für die Techniker Krankenkasse nahmen 13 Versicherte teil. In diesem Teil der Umfrage blieb kein TK-Mitglied ohne Versicherungsnachweis. Gut die Hälfte bekam Tagesnachweise zugesendet, fast immer problemlos, für knapp ein Viertel wurden Tagesnachweise in die Arztpraxis gefaxt, ebenfalls überwiegend ohne Probleme. Das übrige Viertel bekam ohne Schwierigkeiten Quartalsnachweise. (Zwei Teilnehmer, die angekreuzt hatten, dass sie problemlos einen Quartalsnachweis bzw. einen Tagesnachweis zugesendet bekommen hätten, merkten jedoch im Textfeld an, dass sie die Nachweise über ein online-Formular auf der TK-Website angefordert bzw. heruntergeladen hätten und auf diesen Bescheinigungen Angaben zur Gültigkeitsdauer fehle.)
Sonstige Krankenkassen
Bei verschiedenen anderen Krankenkassen waren 11 Umfrageteilnehmer versichert. Sie erhielten überwiegend Tagesnachweise, in zwei Fällen Bescheinigungen mit vierwöchiger bzw. einmonatiger Gültigkeitsdauer und in einem Fall überhaupt keinen Nachweis. Die Datengrundlage reicht hier allerdings nicht aus, um Aussagen über einzelne Krankenkassen treffen zu können.
Erfahrungsberichte zu den Krankenkassen
Die Umfrage enthielt ein Freitextfeld, in dem die Teilnehmer ihre Erfahrungen mit eigenen Worten schildern konnten. Diese geben wir hier zusammenfassend wieder. Zur Veranschaulichung zitieren wir (anonymisiert) aus einzelnen Berichten, für deren Wiedergabe wir die Genehmigung der Autoren erhalten haben.
Am häufigsten nutzten die Teilnehmer das Textfeld, um auf abweichende Gültigkeitsdauern ihrer Versicherungsnachweise hinzuweisen. In sechs Fällen erwähnten sie Nachweise mit einer Gültigkeitsdauer von 2 Wochen (davon fünf bei der Barmer GEK), in drei Fällen Nachweise für 4 Wochen bzw. einen Monat.
Häufig berichteten die Umfrageteilnehmer, dass die Reaktion der Krankenkasse oft davon abhängt, mit welchem Mitarbeiter man gerade zu tun hat. Die Auskünfte bzw. die Bereitschaft zur Ausstellung eines papiergebundenen Nachweises scheinen sich teilweise auch innerhalb ein und derselben Krankenkasse stark zu unterscheiden.
Viele Umfrageteilnehmer gaben an, sie wären von Krankenkassenmitarbeitern aufgefordert worden, zwecks Erstellung einer eGK ihr Foto einzusenden. Ein Versuch eines Versicherten, eine eGK ohne Bild zu erhalten, wurde abgewiesen.
Häufig berichtet wurde auch über die Ankündigung der Krankenkasse, keine weiteren Papierbescheinigungen mehr auszustellen. Manche Kassen vertraten die Meinung, die Gesetzeslage sei eindeutig und die eGK nunmehr Pflicht. Ein Umfrageteilnehmer verlangte nähere Auskünfte zu den gesetzlichen Grundlagen, darauf antwortete die Krankankasse (bis zum Zeitpunkt der Umfrageteilnahme) jedoch nicht. Auch wurden Versicherte darauf hingewiesen, dass Ärzte bald nur noch die eGK akzeptieren würden bzw. dass Ihnen eine Privatrechnung drohe. In einem Fall hörte die Krankenkasse nicht nur auf, Nachweise auszustellen, sondern behauptete überdies gegenüber Mitarbeitern der Arztpraxis, der Patient habe ohne eGK keinen Versicherungsschutz mehr.
Mehrere Versicherte berichteten, sie hätten Diskussionen mit Krankenkassenmitarbeitern dabüber geführt, ob sie verpflichtet seien, die Namen der Ärzte anzugeben, an die der Nachweis gefaxt werden soll. Als die Betroffenen nach der gesetzlichen Grundlagen fragten und/oder auf Datenschutzbedenken verwiesen, gaben die Krankenkassenmitarbeiter nach und faxten die Bescheinigung entweder ohne weitere Fragen an die Arztpraxis oder an den Versicherten selbst.
Manche Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie Nachweise grundsätzlich nur für den Behandlungstag oder erst nachträglich ausgestellt bekämen. Einer schilderte gar als übliches Prozedere bei seiner Krankenkasse: „Man muss nach einem Arztbesuch mit der Privatrechnung in die Krankankassen-Filiale. Dort gibt es einen Versicherungsnachweis, mit diesem geht man dann wieder zum Arzt, der dann die Rechnung storniert.“
Ein Umfrageteilnehmer mit einer seltenen chronischen Erkrankung hatte mehrfach weite Wege zu spezialisierten Fachärzten auf sich genommen, um dann festzustellen, dass die versprochene Versicherungsbestätigung nicht rechtzeitig zugefaxt wurde, und er deswegen kein Rezept ausgestellt bekam. Trotz ihres zögerlichen Umgangs mit dem Fax-Gerät bereitete es der Krankenkasse jedoch keine Schwierigkeiten, denselben Versicherten wiederholt zu ungünstigen Zeiten anzurufen.
Eine Spezialität der Techniker Krankenkasse ist offenbar das Herunterladen bzw. Anfordern von Versicherungsnachweisen per Web-Formular. Wie ein Umfrageteilnehmer berichtete, scheinen dabei die Ergebnisse für ein Web-Formular erstaunlich flexibel auszufallen:
„Ich muss dazu sagen, dass auf dem Nachweis, den ich über das Web-Formular automatisch bekomme, keine Angaben zur Gültigkeit sind. Erwähnenswert finde ich auch, daß die TK anscheinend unterschiedlichen Nachweise ausgibt bei Benutzung des Web-Formulars. Während das Schreiben, was ich erhielt, eher für den Arbeitgeber zu bestimmt sein schien, erhielt mein Bekannter eine Mitgliedschaftsbescheinigung – auch ohne Angaben über Gültigkeitsdauer, aber ab wann die Mitgliedschaft besteht und dass er „momentan“ pflichtversichert in Kranken- und Pflegeversicherung sei.“
Vereinzelt gaben Umfrageteilnehmer an, dass sie Konsequenzen aus dem Verhalten ihrer Krankenkassen gezogen und Widerspruch eingelegt bzw. Klage erhoben hätten.
Verhalten der Ärzte/Leistungserbringer im Durchschnitt
Die Umfrageteilnehmer trafen insgesamt 73 Aussagen zum Verhalten der verschiedenen Leistungserbringer (Hausärzte, Zahnärzte, Fachärzte, Krankenhäuser und Psychotherapeuten.) Im Durchschnitt wurde in knapp 62 % der Fälle problemlos behandelt, in gut 23 % auf Nachdruck und in 15 % wurde die Behandlung verweigert.
Verhalten der Ärzte/Leistungserbringer nach Sparten
Hausärzte
Zu den Hausärzten liegen 29 Angaben vor. 62% behandelten eGK-Verweigerer ohne Probleme, knapp 28% auf Nachdruck. 10% wiesen Patienten ohne eGK ab.
Zahnärzte
15 Umfrageteilnehmer gaben Bewertungen ihres Besuch in der Zahnarztpraxis ab. Zwei Drittel hatten keine Schwierigkeiten. Einzelnen Versicherten gelang es mit etwas Nachdruck, den Zahnarzt zur Behandlung zu überreden. Ein Fünftel wurde jedoch nicht behandelt.
Fachärzte
Von 19 mitgeteilten Begegnungen mit Fachärzten verliefen 58% ohne Probleme, 26% erforderten Nachdruck und in 16% der Fälle wurden die Patienten abgewiesen.
Krankenhäuser
Ihre Erfahrungen mit Krankenhäusern gaben 6 Umfrageteilnehmer wieder. Die Hälfte wurde auch ohne eGK problemlos aufgenommen, ein weiteres Drittel auf Nachdruck. Einem Patienten wurde die stationäre Aufnahme verweigert.
Psychotherapeuten
Von den 4 Versicherten, die sich über das Verhalten von Psychotherapeuten äußerten, hatten drei keine Schwierigkeiten, dem Vierten wurde die Behandlung ohne eGK verweigert.
Führung von Patientenakten auf Papier
Von den 30 Umfrageteilnehmern, die diese Frage beantworteten, hatten 5 ihren Arzt gebeten, ihre Patientenakte auf Papier zu führen. Die Frage, ob ihr Arzt ihre Akte tatsächlich auf Papier führe, bejahten 4 Teilnehmer, 15 kreuzten „nein“ an und die übrigen enthielten sich der Antwort. Vergleicht man die Antworten auf beide Fragen innerhalb der einzelnen Fragebögen, so muss man feststellen, dass der Wunsch und Realität nur in einem einzigen Fall übereinstimmten.
Die Frage, ob sie ihren Arzt eine sonstige Datenschutzanweisung gegeben hätten, beantworteten 4 mit „ja“, 28 mit „nein“ und 5 überhaupt nicht.
Erfahrungsberichte zu den Ärzten
Häufig berichteten Umfrageteilnehmer, dass auch ordnungsgemäß ausgestellte Nachweise von den Arztpraxen nicht akzeptiert wurden. In vielen Fällen wurden die Patienten dann zwar behandelt, aber aufgefordert, die eGK bis zum Quartalsende nachzureichen. Einige Praxen vertraten die Meinung, ohne eGK könne man nicht mit der Krankenkasse abrechnen. Mehreren Versicherten wurden mit privater Abrechnung gedroht, einzelne erhielten auch tatsächlich Privatrechnungen. In einem Fall Verlangte der Arzt zunächst Barzahlung und zahlte den Betrag nach Vorlage des Nachweises zurück.
Einige Praxen verwiesen auf die zusätzliche Arbeit durch die manuelle Übertragung der Daten von der Papierbescheinigung in die Praxissoftware. Gelegentlich bestanden Arztmitarbeiter darauf, der Versicherungsnachweis müsse im Original zu den Akten genommen werden, ein Fax wäre nicht ausreichend bzw. das Anfertigen einer Kopie zu aufwändig.
Das Praxispersonal scheint in einigen Fällen verunsichert oder falsch informiert zu sein und reagiert manchmal auch unfreundlich. Datenschutzbedenken von Patienten treffen dabei häufig auf Unverständnis. Ärzte zeigten sich in mehreren Fällen verständnisvoller als ihre Mitarbeiter. Außerdem scheinen einzelne Praxisinformationssysteme Probleme zu machen, wenn Patienten ohne Einlesen der eGK aufgenommen werden sollen. In einem mitgeteilten Fall war das Ausstellen einer Überweisung über das Praxisinformationssystem ohne eGK nicht möglich.
In einem anderen Fall stellte das Praxisteam Rezepte nur aus, wenn die Bescheinigung für den entsprechenden Tag vorlag. In seltenen Fällen wurden Patienten ohne eGK trotz gebrochener Knochen oder akuter Schmerzen abgewiesen.
(Anmerkung: In einem Notfall darf ein Arzt die Hilfe grundsätzlich nicht verweigern. Allerdings konnten wir keine ausreichend konkrete Definition des Begriffs „Notfall“ finden. Konkreter äußert sich hierzu §13(7) des Bundesmantelvertrags Ärzte, dem zufolge ein Arzt die Behandlung eines Patienten bei akuter Behandlungsbedürftigkeit nicht ablehnen darf – auch dann nicht, wenn dieser keine eGK vorlegt.)