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AOK: Ein neuer Abgesang auf die Gematik und die elektronische Gesundheitskarte

Quelle:@AOK_Politik 12.09.2017

Ärzteblatt.de berichtet am 12.09.2017, dass der Vorstandsvorsitzende des AOK Bundesverbandes, Martin Litsch, beim Symposium Digitales Gesundheitswesen 2021erklärte: „Ich halte die Entscheidungsstrukturen in der gematik für gescheitert“.

Dies ist ein erneuter Abgesang auf die für den Aufbau der Tele­ma­tik­infra­struk­tur (TI) zuständigen Betreibergesellschaft gematik und auf das von Bundesgesundheitsminister H. Gröhe (CDU) hoch gelobte e-Health-Gesetz. Die Forderung von Litsch, dass die verschiedenen Akteure ­­­im Gesundheitswesen „nicht länger an die komplexen Entscheidungsstrukturen in der Telematik gebunden sein, sondern dezentrale Lösungen umsetzen“ sollen kann aus Sicht der Versicherten nicht die Lösung sein. Denn seine Positionierung „Der Koexistenz vieler kooperierender Netze, gleich wer sie betreibt, gehört die Zukunft“ öffnet der Deregulierung und dem Zugriff  privatwirtschaftlicher Interessen auf die Erfassung der Gesundheits- und Behandlungsdaten der 70 Mio. gesetzlich versicherter Mitglieder der Krankenkassen.

Unter Federführung der AOK Nordost und unter Beteiligung der AOK Bayern und Baden-Württemberg sowie des AOK-Bundesverbandes hat die AOK bereits 2016 begonnen, eine kassenspezifische digitale Patientenakte zu entwickeln. Sie soll auch geeignet sein, die Daten aus Wearables und Apps aufzunehmen und zu verarbeiten, damit noch mehr Gesundheitsdaten erfasst werden als dies mit der Infrastruktur der gematik beabsichtigt ist.

Aus Sicht kritischer Versicherter wäre das der Weg aus dem Regen in die Traufe…

E-Health

Vor 10 Jahren, am 25.08.2007, veröffentlichte der Frankfurter Arzt Dr. med. Bernd Hontschik in der Frankfurter Rundschau einen Beitrag zum Schlagwort E-Health der nichts von seiner Aktualität verloren hat. Ein Auszug:

„EDV in der Medizin ist ein Ärgernis, wenn sie die Kommunikation stört. Wer kennt nicht das dumme Gefühl, wenn der Arzt seinem Bildschirm mehr Zeit widmet als seinem Patienten. Volle Konzentration auf die Daten statt volle Konzentration auf den Patienten: Arzt-Daten-Beziehung statt Arzt-Patient-Beziehung… EDV in der Medizin ist ein Segen, wenn sie die fachliche Kommunikation erleichtert. Aber zum fatalen Irrweg wird die EDV, wo sie Kommunikation in der Medizin ersetzen will. E-Health heißt dieser böse Traum: Electronic Health… Nun wird die wahnsinnige Idee diskutiert, alle medizinischen Daten, alle Diagnosen, Arztbriefe, Rezepte und Behandlungen auf einer elektronischen ‚Gesundheitskarte‘ und zusätzlich noch in einem gigantischen Zentralrechner abzuspeichern… E-Health gibt es nicht. Kein Mensch wird elektronisch gesund. Es ist zwar eine faszinierende Idee, Patienten mit einer Maschine kommunizieren zu lassen. Aber daraus wird rasch eiskalte Science-Fiction. Im Grunde handelt es sich nur um einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Industrialisierung der Medizin. Und dieser Irrweg ignoriert, dass die Medizin nur mit Kommunikation zum Erfolg kommt. Medizin ist Beziehungsarbeit.“

Dr. Silke Lüder, Sprecherin der „Aktion: Stoppt die e-Card!“ zur elektronische Gesundheitskarte: „Das Großprojekt muss gestoppt werden“

In einem Gespräch mit der Internetplattform Medscape hat Dr. Silke Lüder, Fachärztin für Allgemeinmedizin in Hamburg, stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Ärzteschaft e.V. und Sprecherin der Aktion „Stoppt-die-e-Card“ Stellung genommen zu der aktuellen Diskussion um die Zukunft der elektronischen Gesundheitskarte (eGk).

Eingangs des Gesprächs stellt Frau Dr. Lüder fest: „Es wäre die vernünftigste Entwicklung, das Projekt zu stoppen. Aber es ist unrealistisch, daran zu glauben. Vor allem Praxen und Kliniken sollen über das Stammdaten-Management an die zentrale Infrastruktur angeschlossen werden. Die Kassen wollen das unbedingt und haben ihre Geschäftsstellen entsprechend schon deutlich reduziert. Und die Industrie, allen voran die CompuGroup Medical macht Druck. Man will jetzt endlich Gewinne machen.“ Sie verweist auf Erfahrungen aus ihrer Praxis als Allgemeinmedizinerin und antwortet auf die Frage „…warum argumentieren Sie als eGK-Gegnerin immer noch mit der Datensicherheit?“ mit der Feststellung: „Weil es den Patienten nicht egal ist, ob ihre Daten zentral gespeichert werden oder nicht. Sie wollen nicht von den Kassen überwacht werden. Die Mehrheit will nicht, dass ihre Arztbriefe bei den Kassen liegen. Heute kommen die Patienten mit den Entlassungsunterlagen des Krankenhauses in der Hand zu uns, wir scannen sie ein und geben ihnen die Unterlagen zurück. Sie liegen dann in der Hand des Patienten und in der des Arztes – nicht in der Hand der Kassen, nicht in der Hand des Staates.“

Das Gespräch mit der InternetplattformMedscape ist hier im Wortlaut nachlesbar.

Patientenrechte und Datenschutz e. V.: Stellungnahme zu den aktuellen Spekulationen um die Zukunft der elektronischen Gesundheitskarte

Bernhard Scheffold, stv. Vorsitzender des Vereins Patientenrechte und Datenschutz e. V. hat in der Zeitung Junge Welt vom 12.08.2017 Stellung genommen zu den aktuellen Spekulationen um die Zukunft der elektronischen Gesundheitskarte (eGk). Ein Auszug:
Ist das Scheitern der Karte für Sie kein Grund zur Freude, da Sie lange gegen deren Einführung gekämpft haben?
Vordergründig schon, aber Absichten der Gesundheitswirtschaft, die Daten zu monetarisieren, bestehen weiter. Die Lage könnte schlimmer werden. Vorstellbar ist, dass Gröhe längst ein Telematikstrukturverbesserungsgesetz in der Schublade hat.
Könnte es Apps geben, die erfordern, dass damit dann selbst ältere Patienten umgehen, die eventuell gar kein Handy besitzen?
Dass das Handy Zugangsvoraussetzung zur Daseinsvorsorge wird, darf nicht sein. Für die interessierten Kreise, die aus den Daten Kapital schlagen wollen, ist es aber hinderlich, dass die EGK mit hoher Absicherung verbunden sein soll: Bislang sollen die Karte des Patienten und die des Arztes notwendig sein, um auf die Daten zuzugreifen.
Garantiert die gesetzliche Regelung die Wahlfreiheit für Patienten, die EGK elektronisch zu nutzen oder auch nicht?
Würde sie aktuell technisch funktionieren, wären die meisten Leistungen freiwillig. Der Verfügbarkeit von Notfalldaten oder der Patientenakte hätte der Patient explizit zustimmen müssen. Doch politische Kräfte arbeiten daran, diesen starken Datenschutz aufzuweichen: Der Patient soll selber aktiv werden und widersprechen, falls er eine zentrale Nutzung seiner Gesundheitsdaten ablehnt. Gesichert wären sie aber lediglich nach Stand der Technik.“

Die gesetzlich Versicherten und der Zugang zu ihren Patientendaten

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), zuvor Staatssekretär in Bundesgesundheitsministerium und Patientenbeauftragter / Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, will gesetzlich Versicherten den Zugang zu ihren Patientendaten erleichtern. Das erklärte er in einem Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Die Zeitung zitiert ihn mit den Worten: Die Versicherten müssen Herr über ihre eigenen Daten sein… Es muss zum Beispiel möglich sein, dass sie jederzeit ihre eigenen Daten einsehen können, auch ohne dass ein Arzt oder ein anderer Behandler dabei ist…“ Die Telematik-Infrastruktur müsse „so weiterentwickelt werden, dass der Datenzugriff technisch von überall möglich ist – ob vom Heim-PC, vom Tablet oder vom Smartphone“, erklärte Laumann. Der Minister kündigte eine Bundesratsinitiative von NRW an, falls die künftige Bundesregierung keine entsprechende Regel einführt. „In NRW werden wir den Aufbau der Telematik-Infrastruktur fördern, um vor allem medizinische Anwendungen, die den Patienten nutzen, flächendeckend einzuführen“, kündigte der CDU-Politiker an.

Vordergründig einen patientenfreundliche Position. Oder doch nicht?

Was Herr Laumann vergessen hat zu erwähnen: All das, was er vordergründig für „die Versicherten“ fordert, muss zuvor in das zentralisierte telematische System der Gematik eingegeben und dort gespeichert und verarbeitet werden. Die gesetzlich Versicherten und der Zugang zu ihren Patientendaten weiterlesen

Fundsache (II): Elektronische Gesundheitskarte und der Aktienkurs

„In Medienberichten hieß es am Wochenende, die Regierung wolle womöglich die elektronische Gesundheitskarte nach der Wahl für gescheitert erklären. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) versucht jedoch, Bedenken zu zerstreuen – wie auch die IT-Firma Compugroup, deren Aktien um bis zu 8,8 Prozent fielen. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) fordert ein neues E-Health-Gesetz…“

Quelle: Deutsche Apotheken Zeitung vom 07.08.2017

Der #BER des Gesundheitswesens: Die elektronische Gesundheitskarte

#BER, der Berliner „Hauptstadtflughafenist das Synonym für Chaos und Ineffizienz bei Großprojekten.

Die elektronische Gesundheitskarte (eGk) steht dem in keiner Weise nach. Der neueste Beleg dafür: „Telematik-Infrastruktur: Gesundheitsministerium verschiebt Starttermin auf Ende 2018“. Der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Stichtag für die Anbindung von Ärzten und Psychotherapeuten an die Telematik-Infrastruktur wird danach um ein halbes Jahr auf 31.12.2018 verschoben. Das bestätigt das Bundesgesundheitsministerium. Eine entsprechende Verordnung werde derzeit erarbeitet. Damit verschiebt sich entsprechend auch der Rollout für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und der Start des Versichertenstammdatenmanagements. Grund für die Terminverschiebung sind Verzögerungen bei der Bereitstellung der für die Anbindung nötigen Konnektoren durch die Hersteller.

Damit sind die Pläne von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die er 2015 vollmundig vor Verabschiedung des E-Health-Gesetzes verkündete, erneut als unrealistisch und lebensfremd gekennzeichnet worden.

Grund zur Freude besteht dennoch nicht. Denn was leider zu Lasten der Versicherten festgestellt werden muss:

  1. Mit dem E-Health-Gesetz wurden in § 15 Abs. 6 SGB V die Zugangsvoraussetzungen für notwendige ärztliche Behandlungen für aktive eGk-Gegnerinnen maßlos verschärft, sie erhalten von vielen Krankenkassen nicht mehr wie früher Ersatzbescheinigungen, über die ÄrztInnen die Versicherungsleistungen abrechnen können.
  2. Jede Panne bei der Einführung der eGk und des telematischen Systems im Gesundheitswesen verteuert die Kosten für die Versichertengekeinschaft. Nach feststellung der Innungskrankenhasse (IKK) belaufen sich die bisherigen Kosten auf knapp 1,7 Mrd. €. Und schneller als im Sekundentakt kommt jeweils ein Euro dazu.

IKK-Kostenuhr, Stand 03.08.2017, 12:32:24 Uhr

Quelle: Homepage des IKK e. V. 

Grüne als Vorreiter von E-Health und elektronischen Patientenakten und als Lobbyisten der Apotheken in Deutschland?

Diese Frage stellt sich beim Lesen eines Beitrags von Kordula Schulz-Asche Bundestagsabgeordnete der Grünen aus dem Wahlkreis 181 (Maintaunus und Hochtaunus), Sprecherin ihrer Fraktion für die Themen Prävention und Gesundheitswirtschaft.

Unter der Überschrift E-Health und Große Koalition – aus Sicht von Patienten und Apotheken ein schlechter Witz“ macht sich Frau Schulz-Asche in einem Beitrag vom 02.08.2017 unverhohlen zur Lobbyistin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V., die schon seit Jahren für die Apotheken einen ungehinderten Zugriff auf die Patientendaten im System der Gematik fordern. Grüne als Vorreiter von E-Health und elektronischen Patientenakten und als Lobbyisten der Apotheken in Deutschland? weiterlesen

Dr. Hontschiks Diagnose: Die derzeitigen Planungen der elektronischen Gesundheitskarte müssen endlich zu Grabe getragen werden

Dr. med. Bernd Hontschik ist ein Chirurg aus Frankfurt, der in der Frankfurter Rundschau unter dem Titel „Dr. Hontschiks Diagnose“ Kolumnen zu Themen rund um das Gesundheitswesen veröffentlicht. In der neuesten Kolumne vom 22.07.2017 unter der Überschrift „Wunschdaten“ beschäftigt sich Dr. Hontschik zum wiederholten Male mit der elektronischen Gesundheitskarte. Ein lesenswerter Beitrag!

Einige Milliarden Euro sind schon versenkt worden, und immer noch klappt rein gar nichts. Sie sollte 2006 eingeführt werden, ein zweistelliger Millionenbetrag war dafür geplant. Elf Jahre später, drei bis vier Milliarden Euro sind inzwischen ausgegeben, verkündet das Bundesgesunheitsministerium schon wieder, dass der erste Schritt zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, das sogenannte ‚Versichertenstammdatenmanagment‘, erneut verschoben werden muss. Es stünden die technischen Geräte noch nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung…“

Wenn es nur das Geld wäre…

Dr. Hontschik beschäftigt sich auch mit dem nächsten geplanten Schritt, dem sogenannten Stammdatenmanagement. Er schreibt: „Wenn man etwas verschleiern will, muss man unverständliche Worte benutzen. Ein solches Wort ist ‚Versichertenstammdatenmanagement‘. Gemeint ist eine Online-Verbindung zwischen Arztpraxis und Krankenkasse. Bei jedem Arzttermin wird in Zukunft überprüft, ob mit der Krankenversicherung alles in Ordnung ist. Dem Missbrauch soll vorgebeugt werden, heißt es. Jede Arztpraxis wird dadurch sozusagen zu einer Außenstelle der Krankenkasse. Die Krankenkasse weiß auf die Minute und Sekunde genau, wann wer wo in welcher Arztpraxis war…“ Dr. Hontschiks Diagnose: Die derzeitigen Planungen der elektronischen Gesundheitskarte müssen endlich zu Grabe getragen werden weiterlesen

Kassenärzte in Niedersachsen fürchten Diebstahl von Patientendaten

Die Mitglieder der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) haben auf ihrer Klausurtagung am 17./18.06.2017 die strikte Einhaltung des Datenschutzes bei der Einführung der neuen Telematikinfrastruktur im Zusammenhang mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gefordert. Die Mitglieder des Niedersächsischen Ärzteparlaments sehen die Gefahr, dass der Datenschutz durch die aufgezwungene Nutzung der Telematikinfrastruktur verletzt werden könnte. Sie fordern daher, dass das juristische Risiko bei den Anbietern der neuen Telematikinfrastruktur und nicht beim Kassenarzt liegt.

 

Da Patientendaten künftig nicht mehr allein beim behandelnden Arzt zur Verfügung stehen, sondern auf der eGK und auch teilweise auf zentralen Servern gespeichert werden, haben die Delegierten der niedersächsischen Kassenärzte gefordert, dass der gegenwärtig vorhandene Standard bei Datenschutz und Patientenrechten auch unter den veränderten technischen Bedingungen gewährleistet werden muss. Ein Patient darf weder rechtlich noch faktisch gezwungen sein, überall im Gesundheitsbereich seine Krankheitsdaten pauschal zu offenbaren. Ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient muss weiterhin möglich sein.

Quelle: Pressemitteilung der KVN