Aber wie steht es derzeit um die Einführung der telematischen Infrastruktur in den Arztpraxen?
Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich Detlef Borchers in einem Beitrag auf heise.de unter dem Titel „Missing Link: Herr Spahn, bitte in Zimmer 1“. Im Beitrag ist u. a. zu lesen: „Die ersten circa viertausend Praxen von Ärzten und Zahnärzten und Physiotherapeuten sind per Konnektor an die telematische Infrastruktur angeschlossen worden und können nun im Zuge des ‚Versichertenstammdatenmanagenements‘ (VSDM) online die Gültigkeit der Gesundheitskarten eines Versicherten prüfen. Zudem ist in dieser Woche der Evaluationsbericht der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg veröffentlicht worden, in dem die Erfahrungen von 500 Praxen ausgewertet wurden, die sich am VSDM-Pilotest beteiligten… Im Pilottest, über den auch die Medizinpresse berichtet, zeigte sich, dass Einlesen der Gesundheitskarte im Schnitt 6,5 Sekunden braucht, wenn Stammdaten aktualisiert werden müssen. Normalerweise reichen 2 bis 3 Sekunden. Insgesamt aber stieg der Zeitaufwand beim Einlesen der eGK vor allem deshalb, weil viele Patienten Karten vorzeigten, die nicht online-fähig waren, weil sie zur 1. Kartengeneration gehörten…“Neue GroKo, neuer Bundesgesundheitsminister – Business as usual? weiterlesen →
Die Redaktion dieser Homepage erhielt vor wenigen Tagen eine umfangreiche Ausarbeitung, in der ein Praxis-ITler (irgendwo in Deutschland) seine Erfahrungen mit dem Anschluss einer Zahnarztpraxis an das telematische System im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung schildert. Der Beitrag ist hier in vollem Umfang nachlesbar.
Aus Sicht des Zahnarztes und des die Arztpraxis betreuenden ITlers werden eine Vielzahl von Kritikpunkten deutlich
an der technischen Infrastruktur der Gematik;
an den rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Einführung der neuen Technik in einer (Zahn-)Arztpraxis und
am Umgang (mindestens einer) regionalen Kassenzahnärztlichen Vereinigung mit den entstehenden Problemen bei der Einführung der neuen Technik.
Dem schließen sich auf S. 13 – 15 des Beitrags eine Vielzahl von technischen und anderen Fragen an.
Das Fazit des Verfassers (S. 15):
„Lasst das Ding sterben, wir können keine IT.
Muss hier wirklich nach den Prinzip ‚Lernen durch Schmerz‘ verfahren werden, bis die Telematik wieder abgeschafft wird?
Lieber kleine, zielorientierte Lösungen, die wirklich einen Mehrwert bringen“.
Am 16.11.2017 berichtete die Ärzte Zeitung online mit begeistertem Unterton: „Telematikinfrastruktur – Hausarzt in Neuss wird zum IT-Pionier – Premiere: Am 27.November (Montag) wird die erste Arztpraxis an die Telematikinfrastruktur angeschlossen“. Seitdem sind die BefürworterInnen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematik-Infrastruktur zu diesem Thema merkwürdig still geworden. Woran es liegen mag?
Aufklärung versprechen zwei Beiträge eines ITlers, die unter den Titeln „Telematik Infrastruktur – das große unbekannte„ und „TI-Installation – erster Versuch„ im November 2017 bzw. Januar 2018 auf der Homepage ENBYN – Aus dem Leben eines ITlers veröffentlicht wurden. Der Verfasser schildert im ersten Beitrag anschaulich, was Ärztinnen und Ärzte beim Anschluss an die Telematik-Infrastruktur beachten sollten. Und im zweiten Beitrag schlägt der Sarkasmus voll durch, wenn der Verfasser über eine praktische Erfahrung bei der Installation der notwendigen Technik in einer Arztpraxis berichtet:
Hochkarätige Besetzung:
Der Pionier: Dr. v. Schreitter
Der Chor: das überlastete Praxisteam
Der Politiker: wechselnde Besetzung (Rolle wird öfters nach Parteiproporz umbesetzt)
Handlung:
Ein Neusser Hausarzt kämpft sich tapfer durch die unwirtliche Ödnis der Telematikinfrastruktur. Seine Unerschrockenheit ist umso größer (und unverständlicher) als er aus der Erprobungsphase schon weiß, dass das System nicht wirklich funktioniert. Das regelmäßige Abstürzen des Kartenlesegeräts wird von Klagegesängen der Chors untermalt. Der Politiker versucht, salbungsvolle Worte ans Publikum zu richten, die in dramatischem Gegensatz zur medizinischen Nutzlosigkeit der Telematikinfrastruktur stehen. Seine Äußerungen gehen jedoch im Chaos des Praxis-Geschehens unter. Der Arzt hält dennoch fest an der Hoffnung „dass bald auch Anwendungen mit einem Nutzen für die Versorgung ans Laufen kommen.“ Im Epilog sehen wir den Helden in den Sonnenuntergang – Symbol einer ungewissen Zukunft – davonreiten. Das Publikum bleibt ratlos zurück und hofft auf die baldige Absetzung der digitalen Posse.