Das deutsche TI-Projekt aus ärztlicher Sicht

Unter diesem Titel hat Dr. med. Klaus Günterberg, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in Berlin in der Fachzeitschrift „Frauenarzt“ (Heft 2/2018) einen Beitrag veröffentlicht, der auch auf seiner Homepage nachlesbar ist. Er stellt in seinem Beitrag eingangs fest: „Ziel des TI-Projekts ist vor allem die Schaffung einer sektoren- und einrichtungsübergreifenden zentralen deutschen Datei über die Krankheiten eines jeden Bürgers (ePatientenakte, ePA), zugänglich über eine gesicherte vernetzte Verbindung. Ärzte und andere Kritiker dieses Projekts sehen dabei Gefahren für den Datenschutz. Ärzte wollen und müssen die Geheimnisse der sich ihnen anvertrauenden Patienten wahren, sie sprechen von ihrer ärztlichen Schweigepflicht. Datenschützer und Informatiker sprechen vom Datenschutz, Juristen vom Schutz fremder Geheimnisse. Dabei ist die Wortwahl unwichtig, immer ist der Schutz des Bürgers, die Wahrung seiner Intim- und Privatsphäre gemeint, immer geht es gegen die unbefugte Weitergabe seiner gesundheitlichen Verfassung, um die Auswirkungen, die eine solche unbefugte Weitergabe auf sein Leben hätte…“

In seiner Bewertung stützt sich Dr. Günterberg auf ein Urteil des Bundesverfassungsgesichts vom 06.06.2006 (Aktenzeichen: 2 BvR 1349/05), aus dem er zitiert: „…Vielmehr verdient ganz allgemein der Wille des Einzelnen Achtung, so höchstpersönliche Dinge wie die Beurteilung seines Gesundheitszustandes durch einen Arzt vor fremden Einblick zu bewahren. Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, muss und darf erwarten, dass alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt. Nur so kann zwischen Arzt und Patient jenes Vertrauen entstehen, das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt daher grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter …“

Aus seiner Erfahrung als Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe erklärt er: „Alle Lebensumstände, die der behandelnde Arzt erfährt, müssen ertraulich bleiben. Darüber hinaus gibt es aber auch Umstände mit Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, für die es ein historisch begründetes und unverändertes Geheimhaltungsinteresse gibt, bei denen die unbefugte Offenbarung zu besonders schweren, oft lebenslangen Nachteilen für den Betroffenen führen könnte…  Diese Lebensumstände sind nicht selten; sie begegnen Frauenärzten aber wohl sehr viel häufiger als anderen Ärzten.“

Im weiteren Verlauf geht Dr. Günterberg auf Gefahren und Gefährder ein, die in und außerhalb des telematischen Systems lauern und die einerseits die ärztliche Schweigepflicht, andererseits die informationelle Selbstbestimmung der einzelnen PatientInnen unterminieren können. Auch die Themen Kosten und Einsatz von ärztlicher Arbeitszeit für Aufbau und Pflege der telematischen Infrastruktur werden aus ärztlicher Sicht betrachtet.

Der Beitrag unterscheidet sich in seiner Nüchternheit  und seinen unbedingten Fokus auf ärztliche Schweigepflicht und informationelle Selbstbestimmung von vielen aktuellen Veröffentlichungen, die den vorgeblichen Nutzen möglichst großer Datenbanken mit möglichst vielen Daten von möglichst vielen Menschen als rosa Wolke am Horizont erscheinen lassen wollen. Unbedingt im Original lesen!


Die Redaktion von patientenrechte-datenschutz.de bedankt sich bei Herrn Dr. med. Klaus Günterberg für die freundliche Genehmigung, aus seinem Beitrag zu zitieren und ihn in Gänze für interessierte LeserInnen zu verlinken.

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