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Die EU-Kommission möchte ab 2025 den Handel mit Gesundheitsdaten für mehr Wirtschaftswachstum nutzen

Das stellt der Kölner Arzt Dr. Stefan Streit in einer Stellungnahme zu der Mitteilung der EU-Kommission an das Europaparlament und den Rat der EU fest, die unter dem Titel Ein europäischer Raum für Gesundheitsdaten: Das Potenzial von Gesundheitsdaten für die Allgemeinheit, für Patientinnen und Patienten und für Innovation erschließen am 03.05.2022 veröffentlicht wurde (Langfassung = 141 Seiten / Kurzfassung = 24 Seiten).

Dr. Streit macht in seiner Stellungnahme auf zwei wesentliche Ziele dieser Initiative der EU-Kommission aufmerksam:

„Der Gesundheitsdatenraum soll aus zwei getrennten Infrastruktruren bestehen.

  • Primardatennutzung = Krankenbehandlung Die derzeitige Telematikinfrastruktur entspricht in etwa dem, was sich die EU-Kommission, unter MyHealth@eu, für die Primärdatennutzung von Gesundheitsdaten ausgedacht hat. Das betrifft die Datennutzung von Gesundheitsdaten zur Krankenbehandlung in Krankenhaus und Arztpraxis, die natürlich nicht anonym vorliegen. Personenbezogene Daten in der primären Arztakte sind von der DSGVO geschützt. Es wird davon ausgegangen, dass eine Vielzahl von (kommerziellen und institutionellen) Anbietern von Elektronic Health Records (EHR), also elektronische Patientenakten, die der Patient selbst verwaltet, entstehen werden. Bemerkenswerterweise reicht für kommerziellen EHR-Betreiber eine Selbstzertifizierung und das aus dem Konsumerbereich bekannte CE-Zeichen als Qualitätsmerkmal. Wollte man EHR-Daten für die Patientenversorgung nutzbar machen, dann bedarf es Instrumente zum Umgang mit der Unvollständigkeit der EHR einerseits und Strategien um die gesuchten Daten in den vielen verschiedenen EHR zu finden und nutzbar zu machen.
  • Sekundardatennutzung = Datenhandel Die Pläne für die zweite Infrastrukur HealthData@eu betreffen die Sekundärdatennutzung im Gesundheitsdatenraum zum Handel mit Gesundheitsdaten.

Die Datenökonomie im Gesundheitsdatenraum beruht auf folgenden Annahmen:

Nach der Entfernung des Namens unterliegt die – nun als anonymisiert geltende Patientenakte – nicht mehr dem Schutz der DSGVO. Den politischen Akteuren dürfte seit der Plagiatsaffären bekannt geworden sein, mit wie wenig Textmaterial man nicht gekennzeichnete Textstellen automatisiert reidentifizieren kann. Krankenakten enthalten viele hundert bis tausend Datenpunkte, die mit der aktuellen Rechnerkraft problemlos einer Person zugeordnet werden können.

Obwohl der Kryptograph Prof. Dominique Schröder das Problem der Anonymisierung laienverständlich und fundiert dargestellt hat, basiert die Legitimation von HealthData@eu allein auf der Anonymisierung…“

Dr. Streit macht auf den vier Seiten seiner Stellungname auf die großen Probleme aufmerksam, die für die sensiblen Gesundheits- und Behandlungsdaten aller Menschen in den 27 EU-Staaten drohen, wenn die Pläne der EU-Kommission wie von ihr geplant nahtlos und ohne Widerstand umgesetzt würden. Lesenswert!

Am Ende seiner Stellungnahme schließt Dr. Streit mit: „Ich lade Sie ein darüber nachzudenken, wie wir als Deutsche und als Europäer die anstehenden sozialen Entwicklungsaufgaben bewältigen können und freue mich über jede Rückmeldung.“

Vortrag von Dr. Andreas Meißner “Telematikinfrastruktur – vielfältige Interessen und Verflechtungen” ist online

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist hier: https://tube.tchncs.de/video-channels/egk/

Am 24.06.2021 sprach Dr. Andreas Meißner, in München niedergelassener Psychiater und Psychotherapeut sowie Sprecher des Bündnisses für Datenschutz und Schweigepflicht (BfDS) über die vielfältigen politischen und wirtschaftlichen, aber auch die persönlichen Verflechtungen, die die wesentlichen Akteure der Digitalisierung des Gesundheitswesens aus Politik, Konzernen und Medien verbinden.

Im Mittelpunkt seines Vortrags: Die vielfältigen Beziehungen des aktuellen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zu anderen Akteuren auf dem Feld von Politik und wirtschaftlichen Interessen im Gesundheitswesen. Über mehrere informative und mit Quellen belegte Schritte wurde ein Netz deutlich, in dessen Mitte sich Minister Spahn bewegt. Vortrag von Dr. Andreas Meißner “Telematikinfrastruktur – vielfältige Interessen und Verflechtungen” ist online weiterlesen

„Telematikinfrastruktur (TI) 2.0, was muss sie können?“ – eine Stellungnahme des Kölner Hausarztes Dr. Stefan Streit

Im Januar 2021 stellte die gematik ihr Konzept „TI 2.0: Deutschlands moderne Plattform für Digitale Medizin der Öffentlichkeit vor. Zeitgemäß und nutzenorientiert“ soll es sein, so die gematik. Und dann wird es geradezu lyrisch: Die gematik als Nationale Agentur für Digitale Medizin schaffe nun eine gemeinsame Arena für alle Akteure, in der die Teilnehmer gewissermaßen einem olympischen Geist verpflichtet seien. Die gematik wolle Teamwork und Spitzenleistungen in der Gesundheitsversorgung und dem Gesundheitsmanagement durch benötigte Infrastruktur und Dienste unterstützen.“ Ob diese TI 2.0 aber mehr kann, als den Firmen der TI-Gesundheitsindustrie, darunter darunter Arvato Systems, Bitmarck, Compu Group, SAP, Siemens und Telekom neue Produkte abzukaufen, das wird unter Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Versicherten kritisch gesehen.

Dr. Stefan Streit, der auch beim CCC schon Vorträge gehalten hat, war am 15.04.2021 Teilnehmer einer Online-Diskussion der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) zur Telematikinfrastruktur 2.0, die sich vorwiegend an Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen richtete. „Telematikinfrastruktur (TI) 2.0, was muss sie können?“ – eine Stellungnahme des Kölner Hausarztes Dr. Stefan Streit weiterlesen