EU-Parlamentsausschüsse stimmen für Zwang zur vernetzten elektronischen Patientenakte für alle

Die federführenden Ausschüsse des Europäischen Parlaments haben am 28.11.2023 für die Schaffung eines „Europäischen Raums für Gesundheitsdaten“ (European Health Data Space – EHDS) gestimmt, mit dem Informationen über sämtliche ärztliche Behandlungen von EU-Bürger*innen zusammengeführt werden sollen. Der beschlossene Gesetzentwurf im Wortlaut (in Englisch) ist hier
nachlesbar.

Im Vergleich zu den bisherigen Digitalisierungsplänen der Bundesregierung (Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz, Digitalisierungs-Gesetz)

soll das Widerspruchsrecht der Patienten gegen die elektronische Patientenakte (ePA) komplett entfallen.

  • Konkret soll das EU-Gesetz Ärzte verpflichten, eine Zusammenfassung jeder Behandlung eines Patienten in den neuen Gesundheitsdatenraum einzustellen (Artikel 7).
  • Ausnahmen oder ein Widerspruchsrecht sind auch für besonders sensible Krankheiten und Therapien wie psychische Störungen, sexuelle Krankheiten und Störungen wie Potenzschwäche oder Unfruchtbarkeit, HIV oder Suchttherapien nicht vorgesehen.
  • Patient*innen sollen nur Zugriffen auf ihre elektronische Patientenakte durch andere Gesundheitsdienstleister widersprechen können, solange kein Notfall vorliegt (Artikel 3 (9)).

Dr. Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei und Mitverhandlungsführer der Fraktion Grüne/Europäische Freie Allianz im Innenausschuss des EU-Parlaments erklärte dazu:

  • Die von der EU geplante Zwangs-elektronische Patientenakte mit europaweiter Zugriffsmöglichkeit zieht unverantwortliche Risiken des Diebstahls, Hacks oder Verlustes persönlichster Behandlungsdaten nach sich und droht Patienten jeder Kontrolle über die Sammlung ihrer Krankheiten und Störungen zu berauben… Das ist nichts anderes als das Ende des Arztgeheimnisses.
  • Haben wir nichts aus den internationalen Hackerangriffen auf Krankenhäuser und andere Gesundheitsdaten gelernt?
    Wenn jede psychische Krankheit, Suchttherapie, jede Potenzschwäche und alle Schwangerschaftsabbrüche zwangsvernetzt werden, drohen besorgte Patienten von dringender medizinischer Behandlung abgeschreckt zu werden – das kann Menschen krank machen und ihre Familien belasten!
  • Deutschland muss endlich auf die Barrikaden gehen gegen diese drohende Entmündigung der Bürger und Aushebelung des geplanten Widerspruchsrechts!“

Im EU-Parlament gibt es lt. Breyer bisher keine Mehrheit dafür, Patienten ein Widerspruchsrecht zu geben. Im Dezember soll das Plenum des EU-Parlaments abstimmen und kann letzte Änderungen vornehmen.

Auch die EU-Regierungen wollen ausweislich des letzten Verhandlungsstandes eine Zwangs-ePA für alle ohne jedes Widerspruchsrecht einführen. Beschlossen werden könnte dies bereits am 06.12.2023 im sog. COREPER-Ausschuss.

Sollte die Zwangs-ePA im weiteren Verlauf EU-Gesetz werden, müsste auch Deutschland das geplante Widerspruchsrecht gegen die opt-out-ePA streichen.


Quelle: Pressemitteilung von Dr. Patrick Breyer vom 28.11.2023

Ein Gedanke zu „EU-Parlamentsausschüsse stimmen für Zwang zur vernetzten elektronischen Patientenakte für alle“

  1. Ich finde es faszinierend, wie die EU einerseits die GDPR einführt mit dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und der Verpflichtung, vor einer Datenverarbeitung eine Einwilligung einzuholen, und dann bei der ePA diesen Grundsatz umstürzen will. Warum wird gerade bei Gesundheitsdaten dieser Grundsatz gelöchert? Bei Finanzdaten, bei Mobilitätsdaten, Ausbildungsdaten, da gilt er, bei Krankheiten nicht? Unverständlich für mich.

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