Vor wenigen Tagen hat das Bundeskabinett einen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Gesetzentwurf beschlossen und an den Bundestag weitergeleitet. „Verkauft“ wurde er von Spahn mit dem Hinweis, er enthalte lediglich technisch-organisatorische und finanzielle Regelungen zur Verbesserung der Arbeitsabläufe bei Organspenden, aber keinerlei Regelungen zu dem von ihm gewünschten Paradigmenwechsel zur sogenannten „Widerspruchslösung„.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) trommelt seit mehreren Wochen für eine sogenannte Widerspruchslösung bei der Organspende. Assistiert wird ihm dabei vom SPD-Gesundheitspolitiker und Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach.
Nach Informationen unterschiedlicher Medien haben Abgeordnete aller Bundestagsfraktionen (außer AfD) begonnen, an einem interfraktionellen Antrag zu arbeiten, mit dem die Pläne von Spahn und Lauterbach abgewehrt werden sollen. Die Oberhessische Presse meldet am 25.10.2018: “‘Uns eint das Ziel, die Einführung einer Widerspruchslösung unbedingt zu verhindern‘, sagte einer der Initiatoren, der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger… ‚Die Widerspruchslösung ist ein unzulässiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht‘, betonte Pilsinger… bei der Widerspruchslösung könne nicht mehr von einer Organspende gesprochen werden. ‚Vielmehr müsste man von einer Organabgabepflicht sprechen. Einen solchen fundamentalen Paradigmenwechsel dürfen wir nicht zulassen‘, mahnte Pilsinger, der Mediziner ist. Er fügte hinzu, es könne nicht sein, dass ein ‚Nichts-Sagen‘ als Zustimmung gewertet wird.“Widerspruchslösung bei Organspende: Widerstand bei Abgeordneten mehrerer Fraktionen im Bundestag weiterlesen →
Was Jens Spahn (CDU) angestoßen hat – mit einem Antrag im Bundestag die geltenden Regelungen zur Organspende von der Zustimmungslösung (Organspendeausweis) zur Widerspruchslösung zu verändern – wird auch von Karl Lauterbach (SPD) unterstützt. aerzteblatt.de meldet am 12.09.2018: „Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach werden gemeinsam einen Gruppenantrag der Bundestagsabgeordneten zur Widerspruchslösung bei der Organspende koordinieren. Das kündigte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion heute vor Journalisten in Berlin an.“
Wie vertragen sich Forderungen nach einer Widerspruchslösung bei der Organspende mit den Maßstäben des Grundgesetzes?
Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kommt ein Vorstoß für eine grundlegende Veränderung der Rechtsgrundlagen für Organspenden. Die Hannoversche Allgemeine informiert am 24.08.2018 über ein Positionspapier des Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU), stv. Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und stv. Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestags. Die Zeitung berichtet: „Abweichend von der bisherigen Praxis, wonach Organentnahmen nur bei ausdrücklicher Zustimmung möglich sind, soll demnach grundsätzlich jeder ein potenzieller Spender sein – außer bei Widerspruch… Konkret fordert Nüßlein ‚eine doppelte Widerspruchslösung, wonach sowohl der Verstorbene zu Lebzeiten wie auch dessen Angehörige einer Organentnahme widersprechen können‘…“ Sollte sich der CSU-Bundestagsabgeordneten Nüßlein durchsetzen würden künftig alle Menschen – sofern sie diesem nicht ausdrücklich widersprochen haben – zu potentiellen Organspender*innen werden. CDU/CSU fordert Neuregelung bei Organspenden: Organentnahme per Gesetz statt selbstbestimmter aktiver Zustimmung weiterlesen →
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldet am 31.03.2018: „Die Zahl der Organspender geht seit Jahren immer mehr zurück. Um den Trend zu stoppen und umzukehren, sind im Koalitionsvertrag organisatorische Verbesserungen in den Kliniken verabredet worden. Vielen geht das nicht weit genug, sie fordern eine Änderung der Rechtslage. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, plädierte gegenüber der F.A.Z. für einen Systemwechsel, weg vom Spenderausweis, hin zur Widerspruchslösung. Die besagt im Kern, dass die Zustimmung zur Organspende gegeben ist, solange ihr nicht ausdrücklich widersprochen wird. Führende Gesundheitspolitiker der Koalition unterstützen solch einen, im Koalitionsvertrag nicht verabredeten Systemwechsel…“
Am 01.12.1997 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Transplantationsgesetz (TPG), um Rechtssicherheit für SpenderInnen, EmpfängerInnen und allen an einer Organspende Beteiligten zu schaffen. § 3 Abs 1 TPG bestimmt: “Die Entnahme von Organen oder Geweben ist… nur zulässig, wenn 1. der Organ- oder Gewebespender in die Entnahme eingewilligt hatte, 2. …” Damit soll (bei Beachtung der Ausnahmeregelung in § 4 TPG) sicher gestellt werden, dass jeder Mensch auch für den Zeitpunkt nach seinem Tod selbst bestimmen kann, ob seine Organe entnommen und für die Behandlung anderer Menschen genutzt werden dürfen. Eine Organentnahme ohne Zustimmung ist damit – rechtsstaatliches Handeln vorausgesetzt – ausgeschlossen.
Diese Regelung scheint interessierten VertreterInnen der Ärzteschaft ein Dorn im Auge zu sein. Anders lässt es sich nicht erklären, dass sich in kurzem zeitlichen Abstand sowohl die Ärztekammer Westfalen-Lippe als auch die Landesärztekammer Bayern für eine Änderung der einschlägigen Bestimmungen einsetzen.
Am 01.12.1997 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Transplantationsgesetz (TPG), um Rechtssicherheit für SpenderInnen, EmpfängerInnen und allen an einer Organspende Beteiligten zu schaffen. § 3 Abs 1 TPG bestimmt: „Die Entnahme von Organen oder Geweben ist… nur zulässig, wenn 1. der Organ- oder Gewebespender in die Entnahme eingewilligt hatte, 2. …“ Damit soll (bei Beachtung der Ausnahmeregelung in § 4 TPG) sicher gestellt werden, dass jeder Mensch auch für den Zeitpunkt nach seinem Tod selbst bestimmen kann, ob seine Organe entnommen und für die Behandlung anderer Menschen genutzt werden dürfen. Eine Organentnahme ohne Zustimmung ist damit – rechtsstaatliches Handeln vorausgesetzt – ausgeschlossen.