Diese Forderung erheben Maja Smoltczyk, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, und Prof. Dr. Dieter Kugelmann, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz, in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung. Nachstehend Auszüge aus dieser Stellungnahme, die auch als Veröffentlichung des rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten vorliegt.
„Es ist ein alt bekanntes Lied. In schwierigen Zeiten, etwa nach einem Terroranschlag, wenn pädophile Straftaten aufgedeckt werden oder jetzt inmitten der Corona-Pandemie, die unsere ganze Welt auf den Kopf stellt, klingen immer wieder dieselben Töne: Der Datenschutz muss gelockert werden! Datenschutz ist Täterschutz! Datenschutz gefährdet Menschenleben! Und beständig stimmen Teile der Wirtschaft mit ein: Der Datenschutz macht das Internet kaputt! Datenschutz bremst die Digitalisierung! Datenschutz verhindert Innovation! Nichts davon ist richtig…
Der Datenschutz… versucht, die im Laufe der Geschichte mühsam erkämpften Grundrechte der Menschen auch in einer Zeit allumfassender Digitalisierung in die Zukunft zu retten. Das uferlose Sammeln persönlicher Daten, Tracking und Data Mining sind an der Tagesordnung. Wo eigentlich technische Innovationen dem Menschen dienen sollen, macht es eher den Eindruck, als dienten die Menschen – ihre Daten und Profile – den Investoren und Unternehmen. Hier müssen Dinge zusammengebracht werden, die auseinanderzufallen drohen, damit beides gerettet werden kann –die Errungenschaften der Digitalisierung und die bürgerlichen Grundrechte, die die Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft sind…
Grundrechte stehen nicht für sich, sondern in einem Wechselverhältnis zu anderen Grundrechten. Bei jeder Einschränkung von Grundrechten muss darauf geachtet werden, dass dies nur im unbedingt notwendigen Umfang geschieht und nur soweit, wie der Schutz anderer Grundrechte es erfordert. Also müssen die, die in einer bestimmten Situation das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränken wollen, überzeugende Argumente dafür liefern, damit eine solche Abwägung stattfinden kann… Die Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie der Datenschutz als Sündenbock herhalten muss, wenn Dinge außer Kontrolle geraten sind. Es vergeht kein Tag, an dem nicht behauptet wird, dass die Pandemie leicht in den Griff zu bekommen sei, wenn wir nur den Datenschutz zurechtstutzen würden.
- Problematisiert wird nicht, dass die Gesundheitsämter noch immer nicht alle an die digitale Infrastruktur angeschlossen sind, die jedoch Voraussetzung dafür ist, dass die Corona-App einen wirklichen Mehrwert für die Ämter hat.
- Problematisiert wird auch nicht, dass die Ämter mit den Daten von Corona-Kontaktlisten bereits überfordert sind, wenn eifrig gefordert wird, die App müsste noch viel mehr Daten sammeln.
- Problematisiert wird nicht, dass kaum ein kommerzieller Anbieter datenschutzgerechte Lösungen anbietet und Behörden nicht in der Lage sind, solche Lösungen selbst zu schaffen oder es nicht zuwege bringen, entsprechende Lösungen in Ausschreibungen einzufordern.
- Problematisiert wird auch nicht, dass US-amerikanische Dienste es sich vorbehalten wollen, die Daten von Kindern für eigene, meist kommerzielle, Zwecke zu verarbeiten…
Ein angemessener Datenschutz darf dem Virus nicht zum Opfer fallen…
Datenschutz ist Teil der europäischen Werte. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) wurde ein Maßstäbe setzendes Gesetz verabschiedet… Darauf sollten wir stolz sein!“