Corona – auch ein Türöffner für den Überwachungsstaat?

Diese Frage bewegt – neben der Sorge um die eigene Gesundheit und die der Familienangehören, Freund*innen, Kolleg*innen, Nachbar*innen – viele Menschen die wissen, wie lange es dauerte bis grundlegende Freiheitsrechte wie das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Grundgesetz), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Grundgesetz), das das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Grundgesetz), die Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet (Art. 11 Grundgesetz), das Asylrecht (Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz) und weitere Freiheitsrechte zur Grundlage unserer Rechtsordnung wurden.

Ja, in § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gibt es Regelungen, dass „die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) und des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) … eingeschränkt werden“ können. Und Ja, wir erleben, wie dies derzeit live und täglich neu mit einer Vielzahl rechtlicher Regelungen umgesetzt wird, die vom Bund, den 16 Bundesländern, aber auch von Landkreisen, Städten und Gemeinden erlassen werden. Ein Ende dieser Fahnenstange ist noch nicht absehbar.

Vieles, was jetzt angeordnet oder einfach auch nur „gemacht“ wird, erscheint medizinischen Laien, auch dem Verfasser dieses Beitrags,  vernünftig und angemessen. Aber spätestens bei der Massenüberwachung von Kommunikationsmitteln (Beispiel: Telekom liefert Bewegungsdaten von Handy-Nutzer*innen an das Robert-Koch Institut) drängen sich Fragen auf, z. B.:

  • Gibt es für eine bestimmte Maßnahme eine Rechtsgrundlage?
  • Ist die Maßnahme der Situation angemessen?
  • Ist sie zeitlich befristet? Wenn Ja, wie lange?
  • Wie wird sichergestellt, dass Daten, die im Zusammenhang mit Corona erhoben werden, nicht zweckfremd genutzt werden (können)?
  • Wie wird sichergestellt, dass Daten, die im Zusammenhang mit Corona erhoben werden, wieder gelöscht werden, wenn der Erhebungszweck weggefallen ist?

In Österreich haben Parlament und Bundesregierung vor wenigen Tagen eine Vielzahl von Gesetzesänderungen beschlossen und Rechtsverordnungen erlassen, die tw. noch tiefgreifender in Grundrechte eingreifen, als dies bislang in Deutschland der Fall ist. Die österreichische Bürgerrechtsorganisation epicenter.works, hervorgegangen aus dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Österreich, hat dazu am 18.03.2020 „Netzpolitische Empfehlungen in der Covid-19-Krise veröffentlicht, die auch als Grundlage für eine entsprechende Debatte in Deutschland hilfreich sein können. Zusammengefasst stellt epicenter.works fest:

  1. Staatliches Handeln muss transparent und verantwortungsvoll sein: kein Aushebeln der Grundrechte durch nicht notwendige, überschießende oder sogar schädliche Symbolgesetzgebung
  2. Beschränkungen des Datenvolumens im Mobilfunk aufheben, Kosten bei Pre-Paid-Tarifen pauschalieren
  3. Open-Data-Veröffentlichung der Covid-19-Statistiken bis auf Bezirksebene, Artikel zur Covid-19-Krise von Paywalls befreien, Inhalte des ORF nicht nach sieben Tagen automatisch löschen, Stärkung der Medienkompetenz
  4. Wahlen werden zur Herausforderung: eVoting ist aber nicht die Antwort
  5. Wegfallen von Demonstrationen mit Online-Beteiligung ausgleichen
  6. Wenn alles online stattfindet, darf nicht alles überwacht werden
  7. Keine urheberrechtlichen Hürden für Socializing: erleichterte Lizenzierungslösung für nicht-gewinnorientierte Organisationen“

Die Diskussion um den – auch in der jetzigen Situation notwendigen – Schutz von Grund- und Freiheitsrechten hat auch in Deutschland begonnen. Und um die Diskussion auf einer faktenbasierten Grundlage zu führen gibt es mittlerweile einige gut nutzbare Grundlagen:

Quelle: @freiheitsrechte

Weitere Hinweise auf entsprechende Informationen und Diskussionen gerne per Kommentar zu diesem Beitrag.

 

 

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