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Die Telematikinfrastruktur ist gestört – Protokoll einer Krisenintervention

Ein Gastbeitrag vom 14.06.2020 von Dr. med. Stefan Streit, Facharzt für Allgemeinmedizin in Köln. Hier im Wortlaut veröffentlicht mit freundlicher Gestattung durch den Verfasser.


*Bad governance *

Durch einen Konfigurationsfehler bei der Telematikinfrastruktur wurden 80.000 Trust Service Status Lists auf den Arztpraxisservern ungültig. Seit dem 27.5.2020 ist die digitale Kommunikation in der Medizin gestört. Behoben werden kann das Problem nur in jeder Praxis einzeln, vor Ort. Am Anfang heiß es: „Dies sei simpel und in wenigen Minuten umgesetzt.“ Neben der Frage, ob IT-Laien an einer sicherheitsrelevanten Struktur freihändig tätig sein sollten, stellt sich die Frage wer die 80.000 IT-Dienstleistungen bezahlt. Die gematik lehnte die Kostenübernahme jedenfalls von Anfang an ab. Aktuell arbeiten deshalb viele Ärzte erst mal ohne Telematikinfrastruktur weiter. Die gesetzlich mit dem Betrieb der Telematikinfrastruktur beauftragte Gesellschaft veröffentlichte am 12.6.2020 auf der Homepage ihren Lösungsentwurf. Darin verweist sie auf den Vertrag zwischen Ärzten und IT-Dienstleistern und erklärt, die Kosten für diese Reparatur sei über die regelmäßige Betriebskostenpauschale bereits beglichen. Die gematik stellt sich offensichtlich vor, die Ärzte bestellen bei einem IT-Dienstleister eine Reparatur und setzen dann selbst durch, dass für diese Dienstleistung keine Rechnung geschrieben wird.
https://www.gematik.de/news/news/kostenregelung-fuer-stoerungsbehebung-sichergestellt/
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Ein Armutszeugnis: Mitteilung der gematik am Tag 14 der Störung des Versichertenstammdatendienstes

Quelle: gematik Fachportal

Die Misere (oder ist es nicht eher eine Blamage) – in zwei Sätzen zusammengefasst:

„Seit dem 27. Mai 2020 ist der Versichertenstammdatendienst in Teilen gestört… Aktueller Status: Die Lösung zur Behebung der Störung wird umgesetzt.“

Berechtigt erscheint vor diesem Hintergrund die massive Kritik aus ärztlicher Sicht, die von Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft und Sprecherin der Aktion: Stoppt die e-Card! in einer Stellungnahme vom 09.06.2020 vorgetragen wird: „Seit 27. Mai 2020 ist die ‚Datenautobahn‘ im Gesundheitswesen massiv gestört. Laut gematik liegt ein ‚Konfigurationsfehler in der zentralen Telematikinfrastruktur‘ vor, den die gematik offenbar nicht beheben kann. Stattdessen werden die Praxen aufgefordert, das selbst zu machen, gegebenenfalls mit Unterstützung von Dienstleistern vor Ort… Das Sicherheitsproblem kann auch das Einlesen der Versichertenkarten behindern und damit die Behandlung der Patienten sowie die Abrechnung. Lüder betont: ‚Außerdem sind die Ärzte nicht dafür verantwortlich oder zuständig, Störungen in der zentralen Telematikinfrastruktur (TI) zu beheben. Es ist gesetzlich fixiert (§ 291 SGBV), dass die inzwischen verstaatlichte gematik für die Schaffung einer interoperablen, kompatiblen und sicheren Telematikinfrastruktur verantwortlich ist’… Man müsse fragen: Was passiert mit der Medizin, wenn alle Krankheitsdaten in Zukunft über diese löchrige Autobahn laufen sollen, etwa per elektronischer Patientenakte, e-Rezept, e-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, e-Medikationsplan und e-Notfalldatensatz? Die FÄ-Vizevorsitzende macht klar: ‚Hier geht es um Versorgungssicherheit. Ein sofortiges Moratorium für dieses nationale Großprojekt wäre die einzige vorstellbare und sinnvolle Lösung für ein System, das schon in der ersten Ausbaustufe zusammenbricht.’“

Versichertenstammdatenmanagenement (VSDM) – eine Baustelle der gematik mit nach wie vor großen strukturellen und technischen Mängeln

Das Versichertenstammdatenmanagenement (VSDM) soll die erste Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) werden, die nicht nur Geld kostet, sondern den Krankenkassen auch Kosten ersparen soll.

IKK-Kostenuhr, Stand 13.03.2018, 18:20:15 Uhr

Quelle: Homepage des IKK e. V. 

Lt. Mitteilungen der gematik sind inzwischen ca. 4.000 (Zahn-)ÄrztInnen und PhysiotherapeutInnen per Konnektor an die telematische Infrastruktur angeschlossen worden. Sie können dadurch per VSDM online die Gültigkeit der eGk von vorsprechenden Versicherten prüfen.

Die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Nürnberg war 2015/2016 von der gematik mit der Evaluation eines Tests des VSDM in 500 Praxen von (Zahn-)ÄrztInnen und PhysiotherapeutInnen beauftragt worden. Seit wenigen Tagen liegt der Evaluationsbericht der FAU vor. Mit wenig beeindruckenden Ergebnissen: Versichertenstammdatenmanagenement (VSDM) – eine Baustelle der gematik mit nach wie vor großen strukturellen und technischen Mängeln weiterlesen

Der #BER des Gesundheitswesens: Die elektronische Gesundheitskarte

#BER, der Berliner „Hauptstadtflughafenist das Synonym für Chaos und Ineffizienz bei Großprojekten.

Die elektronische Gesundheitskarte (eGk) steht dem in keiner Weise nach. Der neueste Beleg dafür: „Telematik-Infrastruktur: Gesundheitsministerium verschiebt Starttermin auf Ende 2018“. Der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Stichtag für die Anbindung von Ärzten und Psychotherapeuten an die Telematik-Infrastruktur wird danach um ein halbes Jahr auf 31.12.2018 verschoben. Das bestätigt das Bundesgesundheitsministerium. Eine entsprechende Verordnung werde derzeit erarbeitet. Damit verschiebt sich entsprechend auch der Rollout für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und der Start des Versichertenstammdatenmanagements. Grund für die Terminverschiebung sind Verzögerungen bei der Bereitstellung der für die Anbindung nötigen Konnektoren durch die Hersteller.

Damit sind die Pläne von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die er 2015 vollmundig vor Verabschiedung des E-Health-Gesetzes verkündete, erneut als unrealistisch und lebensfremd gekennzeichnet worden.

Grund zur Freude besteht dennoch nicht. Denn was leider zu Lasten der Versicherten festgestellt werden muss:

  1. Mit dem E-Health-Gesetz wurden in § 15 Abs. 6 SGB V die Zugangsvoraussetzungen für notwendige ärztliche Behandlungen für aktive eGk-Gegnerinnen maßlos verschärft, sie erhalten von vielen Krankenkassen nicht mehr wie früher Ersatzbescheinigungen, über die ÄrztInnen die Versicherungsleistungen abrechnen können.
  2. Jede Panne bei der Einführung der eGk und des telematischen Systems im Gesundheitswesen verteuert die Kosten für die Versichertengekeinschaft. Nach feststellung der Innungskrankenhasse (IKK) belaufen sich die bisherigen Kosten auf knapp 1,7 Mrd. €. Und schneller als im Sekundentakt kommt jeweils ein Euro dazu.

IKK-Kostenuhr, Stand 03.08.2017, 12:32:24 Uhr

Quelle: Homepage des IKK e. V.