Die Bertelsmann-Stiftung und „Faster than Corona“ – oder: Werbung für die „Datenspende“

„Der digitale Patient“, ein vom Bertelsmann-Konzern geschaffenes Internet-Magazin, das Werbung für die Digitalisierung des Gesundheitswesens macht und dabei auch Produkte der Bertelsmann-Tochter Arvato-Systems bewirbt, hat sich jetzt auch zum Thema Corona einschlägig positioniert. In einem Interview unter dem Titel „Wie Bürger durch Datenspenden zur Coronavirus-Forschung beitragen können wird eine Bertelsmann-Protagonistin (Mitglied des Bertelsmann-Expertennetzwerks „30 unter 40“) und das von ihr mitbetriebene Datensammelprojekt „Faster than Corona“ vorgestellt.

Quelle: Homepage „Faster than Corona“ 

Wir wollen schneller sein als das Coronavirus. Wie? Mit Daten. Vielen Daten. Nur so können wir mehr über das Virus lernen. Gibt es Medikamente, die schützen? Wer hat wirklich ein hohes Risiko? Helfen Sie mit und retten Sie Leben – mit Ihrer 1. Datenspende.

Nach dieser suggestiven Aufforderung werden drei Schritte benannt, mit denen jeder Mensch einen Beitrag zur Lebensrettung leisten könne:

  • 01 Füllen Sie unseren Corona-Fragebogen aus Egal, ob Sie krank oder gesund sind: Füllen Sie einen kurzen Fragebogen aus: Wurden Sie schon auf Corona getestet? Haben Sie Symptome? Nehmen Sie Medikamente ein? Nach Beantwortung der Fragen sowie Angabe Ihrer Basisdaten wie Geschlecht, Alter oder Vorerkrankungen erhalten Sie eine E-Mail mit der Bestätigung und einem Link zu Ihrem Spenderprofil…
  • 02 Spenden Sie regelmäßig Daten Nach Ihrer Spendenregistrierung erhalten Sie in regelmäßigen Abständen eine E-Mail mit der Erinnerung, erneut Ihre Daten zu spenden. Haben Sie in der Zwischenzeit Symptome bekommen? Wurden Sie möglicherweise inzwischen positiv getestet? Nur mithilfe dieser Daten können wir Trends in der Bevölkerung über den zeitlichen Verlauf erkennen. Bleiben Sie uns treu: Je öfter Sie uns sagen, wie es Ihnen in der Corona-Situation geht, desto besser können wir Verlaufsmuster aus den Daten herauslesen.
  • 03 Das passiert mit Ihren Daten Wir bündeln die Daten von Tausenden Bürger*innen, um darin mithilfe automatisierter Algorithmen nach Mustern zu suchen. So wollen wir auf medizinische Zusammenhänge stoßen, die bisher verborgen blieben: Verschlimmert Ibuprofen den Krankheitsverlauf wirklich? Gibt es Wirkstoffe, die möglicherweise vor COVID-19 schützen? Ergeben sich solche Muster, geben wir sie anonymisiert zur Prüfung an wissenschaftliche Einrichtungen weiter…“

Wer sind die Köpfe hinter Faster Than Corona“? „Wir sind Vordenker und Macher in der digitalen Transformation des Gesundheitswesens aus Deutschland, Schweiz und Spanien…“. Dass der Bertelsmann-Konzern hier im Hintergrund mitwirkt ist weder aus dem Impressum noch aus der Datenschutzerklärung noch aus anderen Informationen auf der Homepage von „Faster Than Corona“erkennbar.

Zur Qualität der beabsichtigten Datensammlung wird in der Datenschutzerklärung festgestellt: Die Datensammlung umfasst sogenannte ‚dirty data‘… Aus diesem Grund müssen wir eine mangelnde Datenqualität durch eine große Datenquantität ersetzen… Hier betritt das Projekt fasterthancorona.org wissenschaftliches Neuland. Wir denken, dass die Krise dies jedoch rechtfertigt. Die Datenspende dient damit der Bekämpfung der aktuellen Covid-19 Pandemie.“

Die Datenschutzerklärung enthält darüber hinaus einige Regelungen, die ein Gruseln hervorrufen:

  • Server und Datenbanken sind Teil der Microsoft Azure Cloud…“
  • Die von Ihnen zur Verfügung gestellte Datenspende wird ausschließlich für die medizinische Forschung und Lehre bereitgestellt. Sie sollen im Sinne eines breiten Nutzens für die Allgemeinheit für viele verschiedene medizinische Forschungszwecke verwendet werden. Zum derzeitigen Zeitpunkt können noch nicht alle zukünftigen medizinischen Forschungsziele beschrieben werden. Diese können sich sowohl auf bestimmte Krankheitsgebiete als auch auf heute zum Teil noch unbekannte Krankheiten und genetische Defekte beziehen oder auf epidemiologische Forschung und Forschung zur Gesundheitsprävention. Es kann also sein, dass Ihre Daten auch für medizinische Forschungsfragen verwendet werden, die wir heute noch nicht absehen können…“
  • Die Datenspende soll für unbestimmte Zeit aufbewahrt und für die medizinische Forschung und Lehre bereitgestellt werden. Alle fünf Jahre, wird überprüft, ob die Daten noch zur wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung dienlich sind oder werden andernfalls gelöscht. Weiterhin können Sie auch die Nutzungserlaubnis zu jedem Zeitpunkt einfach über unsere Webseite entziehen… Daten aus bereits durchgeführten Analysen können nicht mehr entfernt werden.“
  • Bei jeder Erhebung, Speicherung und Übermittlung von Daten im Rahmen von Forschungsprojekten bestehen Vertraulichkeitsrisiken (z.B. die Möglichkeit, Sie zu identifizieren), insbesondere im Hinblick auf die Information zu Ihrer Erkrankung. Diese Risiken lassen sich nicht völlig ausschließen und steigen, wenn Sie selbst (z.B. auf Facebook) Daten im Internet veröffentlichen, die einen Bezug erkennen lassen.Wir können nicht ausschließen, dass wir im Rahmen allgemeiner gesetzlicher Regelungen im Zusammenhang mit dem Infektionsschutz oder der Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung von staatlicher Seite verpflichtet werden können, den Behörden Datenspenden individualisiert offenzulegen.“
  • Es kann vorkommen, dass bei der Forschung an Daten einzelner Personen Veränderungen entdeckt werden, die für die Gesundheit dieser Person oder ihrer Nachkommen von Bedeutung sein könnten. Allerdings sind einzelne Forschungsergebnisse in der Regel nicht hinreichend sicher und aussagekräftig genug, um sie klinisch weiterverwenden zu können. Daher werden zunächst keine individuellen Forschungsergebnisse an Spender zurückgemeldet. Es ist jedoch unser Ziel mit zunehmender Datenmenge, den Spendern auch Auskunft über Risikoprofile zu geben. Diese Möglichkeit steht aber derzeit noch nicht fest. Wir beabsichtigen im Übrigen dazu mit einer autorisierten Institution (z. B. behandelnder Arzt, Robert-Koch-Institut etc.) zusammenarbeiten.“

Eine „Datenschutz“-Erklärung, die es notwendig erscheinen lässt, dass die zuständige Datenschutz-Aufsichtsbehörde (Landesdatenschutzbeauftragte NRW) mal genauer hinsieht. Diese wiederum ist entgegen der Bestimmungen in Art. 13 Abs 2 d) DSGVO in der „Datenschutz“-Erklärung nicht benannt.

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