Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Auch ein Versuch, den Einfluss von Unternehmensberatungen auf die Krankenkassen zu erweitern

Jens Spahn und die Fraktionen von CDU/CSU und SPD scheinen angetreten zu sein, um mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) das Gesundheitswesen in Deutschland an mehreren Punkten massiv zu verändern.

Ein bislang in der Öffentlichkeit wenig beachteter Punkt ist der Versuch, den Einfluss von Unternehmensberatungen auf die Krankenkassen zu erweitern. Mit dem „Änderungsantrag 15“ (in der Datei auf S. 39) der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des TSVG beantragen die Fraktionen, dass § 274 Absatz 1 SGB V wie folgt neu gefasst wird. Der Absatz soll um einen Satz 7 ergänzt werden: „Die mit der Prüfung nach diesem Absatz befassten Stellen können in besonderen Fällen Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien oder IT-Berater mit einzelnen Bereichen der Prüfung beauftragen.“

Eine solche Möglichkeit ist derzeit im SGB V nicht enthalten.

Als Begründung für ihre Forderungen schreiben die Fraktionen: „Der Gesetzentwurf sieht bislang die Möglichkeit der Beauftragung externer Expertinnen und Experten im Rahmen der Prüfungen nach § 274 lediglich für das Bundesministerium für Gesundheit vor. Die Prüfdienste des Bundesversicherungsamtes und der Länder können jedoch gleichermaßen auf besondere Problemstellungen stoßen, die Spezialwissen erfordern und bei denen durch eine externe Bewertung des Prüfthemas die Verbesserung der Ergebnisqualität und Prüfdauer zu erwarten ist. Daher soll die entsprechende Befugnis auf sämtliche mit der Prüfung nach § 274 Absatz 1 befassten Stellen ausgedehnt werden. Zudem erfordert das Prüfthema Informationstechnologie (insbesondere Datenschutz/Datensicherheit und Digitalisierung) aufgrund seiner Komplexität eine umfassende Qualifikation und Spezialwissen. Insofern ist es für die Prüfdienste sinnvoll, auch zu diesem Thema die Unterstützung von externen Spezialisten in Anspruch nehmen zu können. Der Begriff IT-Berater ist nach deutschem Recht keine geschützte Berufsbezeichnung, so dass grundsätzlich Berater mit unterschiedlichen Studiengängen oder beruflichen Hintergründen in Betracht kommen. Bei der Auswahl der IT-Berater ist darauf zu achten, dass die betreffende Person eine anerkannte und geprüfte Qualifikation im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik vorweisen kann.“

Hilde Mattheis, Bundestagsabgeordnete der SPD und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags, hat in einem Beitrag in der Frankfurter Rundschau vom 05.02.2017 zum Vorschlag auch ihrer Fraktion kritisch angemerkt: „Durch die Möglichkeit, externe Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwaltspraxen zur Überprüfung der Institutionen der Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenversicherung beauftragen zu können, wird den großen Vier die Tür aufgemacht, ihren Einfluss auf die gesetzliche Krankenversicherung auszubauen… Schon heute vergibt die öffentliche Verwaltung Aufträge in Höhe von 2,7 Milliarden Euro an private Beratungs- und Prüfungsgesellschaften… So greifen privaten Unternehmen immer stärker und mit voller Billigung der öffentlichen Verwaltung in hoheitliche Aufgaben ein, die sie ja angeblich so viel besser erledigen können. Eine der letzten Bastionen ist die Sozialversicherung… Allein in der gesetzlichen Krankenversicherung geht es um Ausgaben von jährlich rund 230 Milliarden Euro (Stand 2017). Bislang haben sich der Bundesrechnungshof und auch der Bundesrat ausdrücklich gegen eine Erweiterung der Zuständigkeit der Wirtschaftsprüfer im Bereich der Krankenversicherung ausgesprochen. Und 2017 hat der Gesundheitsausschuss des Bundestages die Übertragung des Prüfdienstes auf Wirtschaftsprüfer auf Grund der starken Intervention der SPD noch abgelehnt… Diese Dienstleister haben kein Interesse daran, im Sinne der Versicherten zu agieren… Das wichtigste Argument gegen die Öffnung des öffentlichen Sektors für Wirtschaftsprüferunternehmen aber hat der Bundesrechnungshof (BRH) 2017 geliefert. Neben dem Argument, dass die Bewertung der Wirtschaftsprüfer zumeist zu pauschal und wenig aussagekräftig seien und sie ihre Prüfungen ohne Beanstandungen oder kritische Hinweise abschlossen, vermerkt der BRH, dass die betriebswirtschaftlich orientierte Beratung der Krankenkassen sich dabei sicher nicht am Gedanken der Solidarität, sondern an dem Gedanken eines unternehmerischen Mehrwerts orientiere. Außerdem erodiert demnach staatliche Handlungsfähigkeit, wenn Firmen einbezogen sind, die sich darüber neue Märkte und Umsätze schaffen könnten…“

Abschließend stellt Frau Mattheis fest: „Dies muss allen klar sein, die diesen Antrag zum TSVG einfach so mitlaufen lassen und verabschieden. Daher muss jetzt im Zuge der Beratungen im Deutschen Bundestag mindestens eine umfassende parlamentarische Debatte erfolgen und es darf nicht im Windschatten eines Gesetzes eine für die Daseinsvorsorge so bedeutende Regelung vorgenommen werden, die bislang eine ausschließliche Aufgabe der Exekutive, d.h. des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden war. Diese Auslagerung staatlicher Aufgaben an Private darf nicht einfach geräuschlos vollzogen werden, sie muss abgelehnt werden.“

Recht hat sie, die Frau Mattheis von der SPD. Nur bedauerlich, dass ihre „Vorarbeiter*innen“ in Partei und Fraktion, Andrea Nahles, Karl Lauterbach, Olaf Scholz u.a. auch bei diesem Thema dem neoliberalen Mainstream hinterherlaufen. Sonst wäre der „Änderungsantrag 15“ in der SPD-Bundestagsfraktion gescheitert.

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