Die aktuelle Ausgabe der Vierteljahreszeitschrift des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V. (FIfF) hat als Schwerpunktthema die Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen.
Im Editorial wird festgestellt, dass „die Bundesregierung – völlig unbeeinflusst von der unterschiedlich geprägten parteipolitischen Zusammensetzung der jeweiligen Regierungskoalition“ seit mehr als 20 Jahren „einen Kurs der Digitalisierung und Technisierung des öffentlichen Gesundheitswesens“ verfolgt. Begleitet von interessengeleiteten Initiativen, Unternehmen und Verbänden aus dem Bereich der IT- und der Pharma-Industrie, der gesetzlichen Krankenkassen sowie der universitären und der privatwirtschaftlichen Forschung werde damit vorgeblich der Versuch unternommen, die Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren. Tatsächlich würden aber neoliberale und privatwirtschaftlich nutzbare Tendenzen im Gesundheitswesen verstärkt und zugleich die in Krankenhäusern und Arztpraxen anfallenden individuellen Gesundheits- und Behandlungsdaten einer Zweit- und Dritt-Nutzung zugeführt. Insbesondere seit dem Amtsantritt des derzeitigen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) habe der Digitalisierungszug im Gesundheitswesen deutlich Fahrt aufgenommen.
Der Widerstand gegen diese Politik wird im Editorial gewürdigt: „Von Beginn an waren die Digitalisierung und Technisierung des öffentlichen Gesundheitswesens auch Gegenstand der Kritik, sowohl von gesetzlich versicherten Menschen, von ÄrztInnen und ihren Verbänden sowie von DatenschützerInnen, IT-Fachleuten und NetzpolitikerInnen. Dieser Widerstand ist nie verstummt. Er war nie so stark, dass er die Entwicklungsrichtung im Gesundheitswesen grundsätzlich verändern konnte. Aber er war stark genug, um Auswüchse zu verhindern und übergriffiges Verhalten zu begrenzen. Dies ist auch heute noch der Fall.“
In fünf Aufsätzen beschäftigen sich eine Autorin und vier Autoren mit unterschiedlichen Aspekten der derzeitigen Auseinandersetzung um die Digitalisierung des Gesundheitswesens:
- Sylvia Johnigk geht der Frage nach, ob In Deutschland eine radikale Transformation des Gesundheitswesens stattfindet, die grundsätzlich das Ziel verfolgt, Gesundheitsdaten einer besseren Verwertbarkeit durch Forschung und Wirtschaft zuzuführen.
- Prof. Dr. Gerd Antes übt Kritik daran, dass „die Medizin im Datenrausch“ sei, bei Big Data im Gesundheitswesen aber eine Bewertung von Nutzen-Risiko-Kosten der Digitalisierung fehle.
- Prof. Dr. Wulf Dietrich erörtert, wie mit dem am 01.01.2020 in Kraft getretenen Implantate-Register-Gesetz der Datenschutz ausgehebelt wird.
- Dr. Thilo Weichert setzt sich mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz auseinander, das Ende 2019 beschlossen wurde und mit dem unter dem Stichwort Datentransparenz auf pseudonymer Basis eine bevölkerungsweite Datenbank mit Gesundheitsdaten u. a. für Forschungszwecke geschaffen wird.
- Jan Kuhlmann informiert über die Protestbewegung gegen die Telematikinfrastruktur.
In der aktuellen Ausgabe der FIfF-Zeitschrift finden sich darüber hinaus mehrere lesenswerte Beiträge, die sich mit unterschiedlichen (datenschutz-)rechtlichen, edv-technischen und politischen Aspekten der Corona-Pandemie auseinandersetzen.