Bei schnellen politischen Entscheidungen von weitreichender Bedeutung ist Transparenz gegenüber den davon betroffenen Menschen unverzichtbar – wenn Demokratie ernst genommen wird. Der vom Bundesgesundheitsministerium ausgearbeitete Referentenentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wurde der breiten Öffentlichkeit aber erst durch eine Veröffentlichung auf der Transparenz-Plattform FragDenStaat.de bekannt.
Dass in der Corona-Krise schnelle Entscheidungen notwendig sind, um das Ausmaß der pandemischen Entwicklung zu begrenzen und weitere Ressourcen zur Bekämpfung der Pandemie zu erschließen dürfte weitgehend akzeptiert sein. Aber auch in einer Krise muss gelten: Maßnahmen müssen dem Problem angemessen, Eingriffe in Grundrechte müssen verhältnismäßig und Sonderregelungen müssen zeitlich eng befristet sein. Welche Maßstäbe dabei angelegt werden müssen, hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in einem Beitrag zum Thema Corona und Grundrechte erläutert.
Im Gesetzentwurf aus dem Hause Spahn sind u. a. neue Regelungen enthalten zur Zwangsverpflichtung von Ärzt*innen, Angehörigen von Gesundheitsfachberufen und Medizinstudent*innen sowie zur flächendeckenden Handyortung. Letzteres liest sich wie folgt:
In einem Beitrag auf golem.de wird dazu festgestellt: „Wie das konkret hätte funktionieren sollen, war aber noch unklar. Der Telefon-Provider weiß zwar, in welche Funkzelle sich ein Mobilfunknutzer einloggte. Da sich in einer Funkzelle aber Tausende Personen befinden und solche Funkzellen oft quadratkilometergroß sind, lassen sich so keine konkreten ‚Kontaktpersonen‘ identifizieren. GPS-Daten sind zwar viel genauer, werden aber nicht an den Telekom-Provider geschickt, sondern an App-Anbieter wie Google (‚google.maps‘)…“ Da die beabsichtigte Maßnahme einen tiefen Eingriff in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Grundgesetz) darstellt, zugleich aber ein wichtiger Beitrag für die Pandemiebekämpfung nicht erkennbar war, stieß diese beabsichtigte Gesetzesänderung auf massiven Protest.Jens Spahn musste diese Passage aus dem Entwurf zur Neufassung des Infektionsschutzgesetzes nach Presseberichten wieder herausnehmen. Aber Wachsamkeit bleibt weiter geboten.
Das Motto der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) „Virusschutz schlägt Datenschutz“ ist falsch und gefährlich. Gerade in Krisenzeiten ist es unverzichtbar, Grund- und Freiheitsrechte vor staatlichen Zugriffen zu schützen und nur das an Eingriffen zuzulassen was notwendig ist, um eines der Grundrechte – hier „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz) – zu sichern. Mit diesem Maßstab und dieser Haltung ist es auch möglich, die Schockstarre zu überwinden, in die Corona einen Großteil der Menschen in diesem Land versetzt hat.
Update 29.03.2020