Schluss mit dem unethischen Umgang mit Forschungsdaten von Minderheiten!

Das fordert das Gen-ethische Netzwerk e.V. gemeinsam mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt und weiteren Organisationen.

In einem Offenen Brief an die Charité Berlin und an das Land Berlin wird eingangs festgestellt: „… kürzlich haben das renommierte Wissenschaftsjournal Nature sowie weitere Fachpublikationen über einen ethisch höchst fragwürdigen Umgang mit Daten von Angehörigen diskriminierter Minderheiten wie den Uigur*innen und Rom*nja durch die Gendatenbank YHRD (Chromosom-Haplotyp-Referenzdatenbank) berichtet. Die Vorwürfe betreffen die Nutzung und die Veröffentlichung der Daten ohne eine informierte Einwilligung der Betroffenen – entgegen allen etablierten ethischen Standards in Medizin und Wissenschaft.“

Dem folgt die Forderung an die Verantwortlichen in der Charité Berlin, in der die YHRD angesiedelt ist… für diesen Missstand die Verantwortung zu übernehmen und die YHRD einer gründlichen unabhängigen Untersuchung und Neustrukturierung zu unterziehen.“

Auf folgende Sachverhalte wird hingewiesen: Die YHRD wurde im rechtsmedizinischen DNA-Labor der Charité entwickelt und wird seitdem dort gepflegt. Sie enthält inzwischen Daten von rund 337.450 Personen, die fast 1.400 „Populationen“ zugeordnet sind. Die Datenbank ist frei zugänglich und wird international von Strafverfolgungsbehörden genutzt. Sie dient dazu, die Verbreitung von genetischen Markern auf dem Y-Chromosom in bestimmten Bevölkerungsgruppen abzuschätzen. So können Aussagen über die Verlässlichkeit von Übereinstimmungen zwischen einem DNA-Profil und einer Tatortspur gemacht werden. Mit ihr kann aber auch eine ‚bio-geografische Abstammung‘, also die mögliche geografische Herkunft der Vorfahren einer Person bestimmt werden. Dieses Verfahren ist in Deutschland in Strafermittlungen zwar verboten, wie die Befragung von Forensiker*innen gezeigt hat, wird es z.T. jedoch dennoch angewandt.“

Im Offenen Brief wird festgestellt: Die YHRD existiert bereits seit zwanzig Jahren und wird international genutzt. Allein mit einer Schließung der Abteilung für Forensischen Genetik an der Charité Berlin auf die Vorwürfe zu reagieren, wie es angekündigt wurde (offiziell aus Gründen der Wirtschaftlichkeit), ist keine Lösung. Schließlich war zuletzt zu lesen, dass den Datenbank-Betreibenden Arbeitsplätze beim Landeskriminalamt Berlin angeboten wurden und sie die YHRD dorthin mitnehmen wollen. Dies mag die Problematik für die Charité Berlin lösen, jedoch nicht für die Betroffenen, deren Daten weiterhin ohne ihr Einverständnis öffentlich im Internet abrufbar sind und weltweit von Strafverfolgungsbehörden verwendet werden. Im Gegenteil würde ein Herauslösen der Datenbank aus dem wissenschaftlichen Kontext es weiter erschweren, geltende wissenschaftliche Standards in Bezug auf den Umgang mit Proband*innen und ihren Daten durchzusetzen. Die Charité hat jahrelang von der international angesehen Arbeit der Abteilung profitiert. Sich auf diese Weise dem Problem zu entledigen, statt Verantwortung zu übernehmen, ist einer renommierten Forschungsinstitution mit Exzellenzanspruch unwürdig. Wir fordern die Charité daher auf, Verantwortung für die YHRD zu übernehmen!“ Dem schließen sich konkrete Forderungen, die Unterstützung auch von anderen Bürgerrechtsorganisationen verdienen:

  • Es muss eine unabhängige Untersuchung geben, in der in Zusammenarbeit mit Betroffenenorganisationen, die Vorwürfe des unethischen Umgangs mit Proben von Minderheiten aufgearbeitet werden.
  • Auf Grundlage dieser Untersuchung müssen alle Daten, bei denen eine informierte Einwilligung zweifelhaft ist – entweder weil sie nie bestand oder weil sie durch Sicherheitsbehörden eingeholt wurde – gelöscht werden.
  • Die Datenbank muss ab sofort bis zum Abschluss ihrer Überprüfung und Bereinigung offline gehen, um ein weiteres Nutzen der unethisch gesammelten Daten zu unterbinden…“

 

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