Covid-19 oder Corona – zwei Begriffe für eine Sache, die Millionen Menschen in ihrem Alltagsleben trifft, einschränkt und verunsichert. Das Virus ist unsichtbar, aber allgegenwärtig. Die Maßnahmen, die von Bundes- und Landesregierungen, Landrät*innen und Oberbürgermeister*innen beschlossen und verfügt wurden, greifen tief in Grundrechte der Menschen in Deutschland ein. Unsicherheit und Angst führen bei den betroffenen Menschen tw. zu Panikreaktionen, zur Suche nach Sicherheit und Gewissheiten und damit auch dazu, dass auch abstruse Gedankengänge plötzlich in größerem Umfang hoffähig zu werden scheinen.
Gut, dass sich es in dieser Situation auch kritische – zugleich aber nachdenkliche – Stimmen zu Wort melden.
Digitalcourgage e. V. – seit viele Jahren eine von Bürgerrechtler*innen anerkannte Organisation – hat sich am 08.05.2020 mit einer nachdenkenswerten Stellungnahme zu Wort gemeldet. Sie ist nachstehend im Wortlaut wiedergegeben:
“Fakt ist: Über Sars-CoV-2 ist noch so wenig bekannt, dass aktuell niemand mit Sicherheit sagen kann, wie gefährlich das Virus ist. Die Wissenschaft forscht und publiziert tagesaktuell. Wöchentlich werden neue Studien (oft vor dem Peer-Review) veröffentlicht und umgehend mit ebenso guten Argumenten angezweifelt. Auf Basis dieser komplexen und sich rasant verändernden Faktenlage müssen Politiker.innen entscheiden: Welche Schutzmaßnahmen sind aktuell noch sinnvoll? Ist die Gesundheit der Menschen eher durch eine Covid-19-Infektion gefährdet, oder durch die Vereinzelung und die wirtschaftlichen und sozialen Schäden nach der Schließung von Firmen und Gaststätten, Läden, Schulen und Kitas? In den vergangenen Wochen wurden unsere Freiheiten, uns zu bewegen und uns zu treffen, stark eingeschränkt. Das beobachten wir aufmerksam und diskutieren und entscheiden immer wieder, wann und wo wir uns zu Wort melden, und wo wir der Politik vorerst Zeit geben wollen, gute Entscheidungen zu finden. Wir erkennen an, dass vieles unklar ist und die Politik deshalb ‘auf Sicht fahren’ muss. Demokratie bedeutet, den Regierenden einen Vertrauensvorschuss zu geben, den sie derzeit dringend brauchen. Auch das gehört zu einer freien Gesellschaft. Nun fragen uns Menschen, warum wir gerade keine Demonstrationen organisieren oder uns den Straßenprotesten anschließen. Einer unserer Gründe: Weil wir diese Abwägung zwischen Freiheitseinschränkungen und Infektionsschutz nicht für die gesamte Gesellschaft treffen können. Ja, unsere individuelle Freiheit wird stark eingeschränkt, wenn wir wenig rausgehen sollen, Kontakte meiden und Mund-Nase-Schutz tragen sollen. Auch wir halten einzelne Maßnahmen für überzogen oder falsch. Aber wir gestehen Menschen, die Verantwortung tragen, zu, Fehler zu machen. Fehler können später korrigiert werden. Wer keine Verantwortung für andere trägt, hat leicht reden. Die Zahlen zu Infektionen und Sterbefällen, die nach und nach immer genauer wissenschaftlich erhoben werden, zeigen aber, dass wir in Deutschland die Krise gerade ziemlich gut meistern. Nein, wir lassen damit uns nicht auf das übliche ‘der Zweck heiligt die Mittel’ ein, mit dem unsere Innenpolitiker.innen üblicherweise ihr ‘Sicherheits-Theater’ rechtfertigen. Vielmehr bestätigen diese Statistiken die Aussage der Bundesregierung, dass die meisten Einschränkungen ein sozialer, solidarischer Akt von uns allen sind. Der funktioniert. Und jetzt mal im Ernst: Anders als z.B. in Frankreich, wo es eine strikte Ausgangssperre gibt, können wir nach draußen gehen. Und anders als in den USA, wo seit Mitte März mehr als 33 Millionen (!) Menschen durch die Folgen der Corona-Krise ihren Job verloren haben, haben wir in Deutschland ein Sozialsystem mit Kündigungsschutz, Kurzarbeitsgeld, Krankenversicherung und Einmalhilfen, auch für Solo-Selbständige. Etwas weniger Wehleidigsein und mehr Erwachsenheit würde vielen gut tun. Wir schützen Grundrechte, weil Grundrechte Menschenleben retten. Sie sind Schutzrechte vor dem Staat. Es ist die Aufgabe eines Staates, die Menschenwürde zu garantieren – aber auch die Menschen, die darin leben, vor Gefahren für ihr Leben zu schützen. Und nicht der Staat bedroht uns gerade in erster Linie, sondern ein Virus. Dass Grundrechte temporär eingeschränkt werden, um die Ausbreitung eines potentiell tödlichen Virus zu verlangsamen, ist sinnvoll. Worauf wir achten: Jede Maßnahme muss nach dem aktuellen Wissensstand legitim, geeignet, erforderlich, angemessen sein – und begründet werden. Der Ausnahmezustand darf nicht zur Regel werden. Es muss immer ein Datum geben, an dem diese Einschränkung automatisch wegfällt. Wenn sich eine Maßnahme nicht bewährt oder offensichtlicher Unsinn ist, tragen wir sie nicht mit. Mehr dazu im Statement, das wir mit mehreren Organisationen gemeinsam veröffentlicht haben: ‘Menschenrechte achten – Corona ist kein Freibrief’.”
Bitte beachten:
Dies stellt eine persönliche Meinungsäußerung des Verfassers dar. Eine Meinungsbildung zu dieser Stellungnahme von Digitalcourage e. V. konnte im Verein Patientenrechte und Datenschutz e. V. dazu noch nicht stattfinden.