Das baden-württembergische Innenministerium und die Polizei nutzen nach eigenen Angaben Listen mit persönlichen Daten von Corona-Patienten, die ihnen von Gesundheitsämtern übermittelt werden. In einem Bericht des SWR wird ein Vertreter des Innenministeriums zitiert mit der Aussage, dass die Informationsweitergabe der Gesundheitsämter erfolge „indem das einzelne Gesundheitsamt dem Polizeipräsidium, das für den Stadt- oder Landkreis zuständig ist, Daten über die Infizierten regelmäßig übermittelt.“ Und weiter: „Wenn die Polizei beispielsweise zu einem Verkehrsunfall gerufen wird, kann sie so überprüfen, ob der Betroffene infiziert ist.“ So könne sie vorab konkrete Schutzmaßnahmen ergreifen. Rechtsgrundlage für diese pauschale Datenübermittlung von den Gesundheitsämtern zur Polizei sei das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGDG). Im Bericht des SWR wird auch ein Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zitiert mit der Aussage: „Uns fehlen Informationen von Infizierten, wenn wir bei Einsätzen ausrücken“, das sei aber nötig, da es der Polizei an Schutzkleidung fehle.
Stefan Brink, Landesdatenschutzbeauftragter in Baden Württemberg wurde von der Badischen Zeitung um eine Stellungnahme gebeten. Er stellte zu diesem Datentransfer fest, „die Namen dürften nicht pauschal in Listen, sondern nur einzeln und bei einer konkreten Gefahr für die Beamten herausgegeben werden. Die Information über eine Corona-Infektion sei hochsensibel und könne zu Stigmatisierung führen. Er widerspricht zudem, dass es eine rechtliche Grundlage dafür gebe.“
Der geschilderte Sachverhalt wirft Fragen auf. Denn die von den Gesundheitsämtern an die Polizei übermittelten Daten unterliegen den besonderen Schutzbedingungen des Art. 9 DSGVO.
- Die §§ 18 und 19 ÖGDG lassen zwar Datenübermittlungen im Einzelfall zu. Aber worauf stützen sich Gesundheitsämter und Polizei in Baden-Württemberg bei einer pauschalen Übermittlung, ohne dass es dafür im Einzelfall spezifische, nachvollziehbare und rechtlich überprüfbare Gründe gibt?
- Wurde die Corona-Pandemie (der „Staatsnotstand“) hier großzügig genutzt, um Rechtsgrundlagen unzulässig zu dehnen?
- Und warum wird Einsatzkräften der Polizei nicht wenigsten eine rudimentäre Schutzausrüstung (Schutzmasken, Einmalhandschuhe) gegen gesundheitliche Gefahren zur Verfügung gestellt?
Bleibt zu hoffen, dass der Landesdatenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg den Sachverhalt schnell einer rechtlichen Prüfung unterzieht und Rechtsverstöße – auch öffentlich – deutlich benennt.
Informationen zu Polizeidatenbanken, ihrem Aufbau, ihrer Größe und den darin existierenden „Personengebundenen Hinweisen“ (PHW), speziell auch zur Kategorie „Ansteckungsgefahr“ (ANST) finden sich in einem Beitrag auf Netzpolitik.org aus dem Jahr 2014.