Vor wenigen Tagen hat das Bundeskabinett einen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Gesetzentwurf beschlossen und an den Bundestag weitergeleitet. „Verkauft“ wurde er von Spahn mit dem Hinweis, er enthalte lediglich technisch-organisatorische und finanzielle Regelungen zur Verbesserung der Arbeitsabläufe bei Organspenden, aber keinerlei Regelungen zu dem von ihm gewünschten Paradigmenwechsel zur sogenannten „Widerspruchslösung„.
Beim Blick in den jetzt vorgelegten Gesetzentwurf ist aber festzustellen, dass er ebenfalls Regelungen enthält, die die Würde des Menschen (Art. 1 Grundgesetz) und das Selbstbestimmungsrecht (Art.2 Grundgesetz), auch über den eigenen Körper, in Frage stellen. Deutlich wird das im Gesetzentwurf beim Blick auf einen Änderungsvorschlag, bezogen auf die §§ 9a und 9b des Transplantationsgesetzes – TPG. Im Gesetzentwurf von Spahn ist zu lesen:
- „§ 9a wird wie folgt geändert: a) Absatz 2 wird wie folgt geändert: aa) In Nummer 1 werden die Wörter „nach § 3 oder § 4“ jeweils gestrichen…
- § 9b wird wie folgt geändert: a) Absatz 1 wird wie folgt geändert: … cc) Folgender Satz wird angefügt: ‚Dabei stellen sie insbesondere sicher, dass 1. der Transplantationsbeauftragte hinzugezogen wird, wenn Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen, 2. der Transplantationsbeauftragte zur Wahrnehmung seiner Aufgaben ein uneingeschränktes Zugangsrecht zu den Intensivstationen des Entnahmekrankenhauses erhält , 3. dem Transplantationsbeauftragten alle erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotentials, der Spendererkennung und der Spendermeldung zur Verfügung gestellt werden, 4. …'“ (S. 6/7 des Gesetzentwurfs).
In der Begründung des Gesetzentwurfs wird auf S. 15 unter Punkt 3.2. mitgeteilt: „Nach § 9a Absatz 1 Nummer 1 sind die Krankenhäuser verpflichtet, den endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms von Patienten, die nach ärztlicher Beurteilung als Organspender nach § 3 oder § 4 in Betracht kommen, festzustellen und der Koordinierungsstelle nach § 11 unverzüglich zu übermitteln. Mit der Streichung der Formulierung ’nach § 3 oder § 4′ wird klargestellt, dass für die ärztliche Beurteilung, ob ein Patient als Organspender in Betracht kommt und für die Meldung an die Koordinierungsstelle, das Vorliegen der Einwilligung des potentiellen Organspenders nach § 3 oder der Zustimmung der Personen nach § 4 nicht Voraussetzung ist. Bei Patienten, die nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen, ist der Transplantationsbeauftragte mit der Neuregelung in § 9b Absatz 1 Satz 5 Nummer 1 bereits vor der Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms rechtzeitig hinzuziehen…“
Die vorgeschlagenen Neuregelungen unterminieren das Recht der sterbenden Menschen bzw. ihrer nahen Angehörigen, frei und ohne Beeinflussung interessierter Dritter über eine Organspenden zu entscheiden. Sie erhöhen in einer ohnehin emotional äußerst angespannten Situation den strukturellen Druck, ein erwünschtes Ergebnis – die Bereitschaft zur Organspende – herzustellen.
Kritik an den zitierten Regelungen kam deshalb auch umgehend von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Der Weserkurier aus Bremen berichtet am 31.10.2018: „Ohne Zweifel sei es wichtig, die Organisation der Krankenhäuser mit Intensivstation zu stärken, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. Dort würden mögliche Organspender erkannt und gegebenenfalls gemeldet. ‚Jedoch müssen hierbei stets die Patientenrechte gewahrt bleiben.‘ Nicht zu akzeptieren sei daher, wenn Transplantationsbeauftragte der Kliniken schon vor Feststellen des Hirntodes uneingeschränkt Einsicht in Patientenakten nehmen dürften. Akteneinsicht dürfe es nur mit Zustimmung des Betroffenen oder eines Bevollmächtigten geben, forderte Brysch.“