Der Bertelsmann-Konzern verfügt mit Arvato Systems über ein Konglomerat von Firmen, die auch im Bereich der Gesundheits-IT weltweit tätig sind. Die Bertelsmann-Stiftung hat sich im Juli 2016 einen neuen Blog Der digitale Patient zugelegt. Als Ziel wurde damals formuliert: „…wollen wir dazu beitragen, dass digitale Technologien in den Dienst der Gesundheit gestellt werden. Übersetzt: Uns geht es nicht um das technologisch Machbare, sondern immer um den größtmöglichen Patientennutzen – oder anders: um einen Fortschritt der Medizin…“ Und vor wenigen Tagen hat die Bertelsmann-Stiftung eine Studie unter dem Titel „Elektronische Patientenakten – Einrichtungsübergreifende Elektronische Patientenakten als Basis für integrierte patientenzentrierte Behandlungsmanagement-Plattfor
Was an der Studie sofort ins Auge fällt:
Der Gematik wird Überforderung unterstellt und die Fähigkeit zur zeitnahen Schaffung einer elektronischen Patientenakte abgesprochen. Als „Kernaussage 78“ formuliert Prof. Haas: „Als Basis zum Aufbau einer nationalen durchgehenden eEPA-System- und Anwendungsinfrastruktur bedarf es eines einschlägigen Rechtsrahmens, der für alle Beteiligte Rechtssicherheit schafft. Hierzu könnte insgesamt ein neues ‚E-Health-Kapitel‘ im SGB V aufgeschlagen werden, in dem die bisherigen, in verschiedenen Gesetzen verstreuten Regelungen mit den neuen zusammengefasst werden.“ (S. 243) Im Ergebnis schlägt der Verfasser der Studie vor, dass ein Bundesinstitut für E-Patientenakten geschaffen und die Gematik an den Rand gedrängt wird.
Quelle: Bertelsmann-Studie, S. 267
Die Realisierung dieses Vorschlags der Bertelsmann-Stiftung würde
- die bisherigen übergeordneten rechtlichen und technischen Strukturen im Gesundheitswesen auf den Kopf stellen,
- neue Kosten verursachen und
- die bisher für die Entwicklung der Gematik und der damit verbundenen Strukturen ausgegebenen Versichertengelder weitgehend als nutzlos erscheinen lassen.
Was an der Studie nicht sofort ins Auge fällt:
Wieder einmal wird der Versuch gestartet, die Regelung in § 291a Abs. 5 SGB V („Das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der elektronischen Gesundheitskarte… ist nur mit dem Einverständnis der Versicherten zulässig“), kurz opt-in genannt, durch das z. B. in Österreich (ELGA) geltende opt-out-Verfahren zu ersetzen. Die Studie beschreibt dies so: „Prinzipiell bedarf es also für eE-Patientenakten der Leistungserbringer oder für Mischformen (siehe Kapitel 2) zumindest in Deutschland der Einwilligung des Patienten (‚Opt-in‘-Verfahren). Regelungen, bei denen der Patient statt einzuwilligen dem Einsatz einer eEPA für ihn widersprechen muss (‚Opt-out‘-Verfahren), werden diskutiert bzw. ist bspw. in Österreich realisiert. Für die freiwilligen Anwendungen der Gesundheitskarte gilt in Deutschland gemäß § 291a SGB die ‚Opt-in‘-Regelung. Letztendlich ist natürlich auch denkbar, dass aufgrund der Bedeutung einer eEPA für die Gesamtversorgung diese mit neuer Rechtsgrundlage für ein Land als verpflichtendes Versorgungsinstrument eingesetzt wird…“(S. 179)
Da Studien der Bertelsmann-Stiftung häufig nachhaltig verändernden Einfluss auf das Handeln politischer Akteure haben, ist dies auch im vorliegenden Fall zu erwarten. Kritische BeobachterInnen der Digitalisierung und Ökonomisierung des Gesundheitswesens sind daher gut beraten, wenn sie der Studie von Prof. Dr. Peter Haas ihre Aufmerksamkeit zuwenden.