Das Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“,ein Zusammenschluss von (u. a.) Ärzt*innen-Organisationen, der Gewerkschaft ver.di, lokalen Initiativen von von Patient*innen und von Beschäftigten im Gesundheitswesen hat am 27.09.2020 gemeinsam mit anderen Gruppen und Organisationen eine Stellungnahme zu Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen abgegeben, die durch die Corona-Pandemie noch deutlicher als bereits zuvor hervorgetreten sind.
„Die Coronakrise muss der Anfang einer grundsätzlichen Diskussion um die Ausrichtung des Gesundheitswesens in Deutschland sein“ –
so die Verfasser*innen der Stellungnahme. In mehreren Punkten wird die Kritik an Fehlentwicklungen zusammengefasst:
- „Seit 2004 werden die Krankenhäuser in Deutschland über Preise für die Behandlung jedes einzelnen Patienten (Fallpauschalen/DRGs) bezahlt. Die Krankenhäuser wurden auf ‚Effizienz‘ getrimmt… ‚Effizienz‘ in einem Preissystem bedeutet aber, dass möglichst viele Patienten, die sich lohnen, mit möglichst wenig Personal und in möglichst kurzer Zeit behandelt werden. Ein solches Vergütungssystem ist inhuman gegenüber den Patienten…
- Ein solches Finanzierungssystem wurde… auch inhuman gegenüber den Beschäftigten, weil die Arbeit pro Beschäftigten, also die Arbeitshetze systematisch gesteigert wurde. Insbesondere die Pflege und die Servicebereiche waren und sind hiervon betroffen. Viele sind ausgebrannt und/oder verlassen den Beruf. Die immer noch zu niedrige Bezahlung tut ein Übriges. Vorgaben, wie viele Pflegekräfte zur Versorgung der Patienten vorgehalten werden müssen, wurden abgeschafft…
- Vorhaltung von Infrastruktur, z.B. für Notfälle und Epidemien, wird (bis auf minimale Ausnahmen) durch die DRGs nicht finanziert und stört die „Effizienz“. Dementsprechend findet in den Krankenhäusern keine oder nur eine möglichst geringe Vorhaltung statt. Jetzt wird deutlich, dass dies zu gefährlichen Engpässen geführt hat (Schutzmasken/-kleidung, Isolationsbetten, Überwachungs- und Beatmungsgeräte).
- Erklärtes Ziel der Einführung der DRGs war es, die Krankenhäuser möglichst marktkonform umzugestalten und den Wettbewerb der Krankenhäuser untereinander anzufachen. Markt und Wettbewerb statt Kooperation und Daseinsvorsorge… Erklärtes Ziel war es auch durch das DRG-System möglichst viele Krankenhäuser zu schließen und massiv Betten abzubauen…
- Private Krankenhausgesellschaften betreiben inzwischen mehr Krankenhäuser als die öffentliche Hand. Ihr Geschäftsmodell ist Gewinnerzielung… Gewinnanreize sind jedoch ungeeignet um Krankenhäuser als Teil der Daseinsvorsorge zu steuern…“
Daraus leitet das Bündnis seine Forderungen ab:
- „Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge. Markt und Wettbewerb, Preise (DRGs) und Gewinne sind Ausdruck der Umwandlung der Gesundheitsversorgung in ein Geschäftsmodell mit ökonomischem Schwerpunkt und gefährden die Daseinsvorsorge. Das DRG-System muss ersetzt werden durch ein einfaches und bürokratiearmes Verfahren, durch das die ohne Verschwendung tatsächlich entstandenen Kosten (inkl. Vorhaltekosten) finanziert werden (Selbstkostendeckung). Die Bundesländer müssen ihrer Verantwortung für die Finanzierung notwendiger Investitionskosten wieder vollständig gerecht werden, damit keine Gelder, die zur Patient*innenversorgung vorgesehen sind hierfür verwendet werden müssen. Die wirtschaftliche Verwendung der Gelder muss überprüfbar sein.
- Ein weiterer Bettenabbau nur auf Grund wirtschaftlicher Zwänge darf nicht stattfinden. Die notwendige Zahl und Größe von Krankenhäusern und deren Kooperation (Aufgabenverteilung), die Zahl der Fachabteilungen und Intensiv-/Betten müssen durch eine Bedarfsplanung der Länder unter demokratischer Beteiligung der Bürger*innen und Beschäftigten im Gesundheitswesen und deren Gewerkschaften ermittelt und umgesetzt werden. Sie muss an Versorgungsregionen und Erreichbarkeit (Flächendeckung), sowie demografischen und Morbiditätsfaktoren ausgerichtet sein. Dabei haben wegen der Steuerungsfähigkeit im öffentlichen Interesse öffentliche Einrichtungen Vorrang.
- Für alle Berufsgruppen im Krankenhaus müssen verbindliche (gesetzlich festgelegte) bedarfsgerechte Personalbedarfszahlen wissenschaftlich ermittelt, umgesetzt und finanziert werden.
- Die Arbeitsbedingungen und die Vergütung der Beschäftigten in den Krankenhäusern müssen deutlich verbessert werden. Bei der Durchsetzung ihrer kollektiven Interessen unterstützen wir die Beschäftigten.
- Wenn die Daseinsvorsorge für die Krankenhäuser im Mittelpunkt steht und Gewinnanreize entfallen, fallen Kliniken als Ziel renditegetriebener privater Geschäftsmodelle aus. Statt einer weiteren Verlagerung von öffentlichen und freigemeinnützigen Krankenhäusern in privater Trägerschaft, muss Gesundheitsversorgung als öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge eher wieder zurück in die Hände oder Kontrolle der Gebietskörperschaften gelegt werden.“