Register für psychisch kranke Menschen – eine Forderung von CDU-Generalsekretär Linnemann, die an finsterste Zeiten in Deutschland erinnert

In einem Interview des Deutschlandfunks erklärte Linnemann u. a.: „Es reicht nicht aus, Register anzulegen für Rechtsextremisten und Islamisten, sondern in Zukunft sollte das auch für psychisch Kranke gelten.“ (Interview – ab 4:20 Min.Er forderte ferner „einen Austausch der Behörden untereinander, der Sicherheitsbehörden auch mit der Psychiatrie und  Psychotherapeuten.“

Noch ein Register?

  • Ein psychisch kranker Mensch ist einer, bei dem eine psychische Erkrankung durch Fachärzte festgestellt wurde.
  • Ein Täter ist jemand, der eine Straftat (§ 25 StGB) begangen hat.

Diese Feststellung bleibt dem zuständigen Gericht vorbehalten. Wen will der CDU-Generalsekretär in das Register aufnehmen? Der Attentäter von Magdeburg – juristisch korrekt ausgedrückt: der nach Verfahrensstand als des Attentats Verdächtigte/Beschuldigte – wäre in dem von Linnemann geforderten Register nicht zu finden gewesen.

Linnemanns Äußerungen sorgten für Entsetzen und Protest. Denn wer erinnert sich in diesem Zusammenhang nicht an die Vernichtungsaktionen der Nazis? Mit einem Runderlass vom 18.08.1939 begann der systematische Massenmord an tausenden Kindern, wenig später unter der „Aktion T4“ auch an Erwachsenen. Insgesamt wurden unter dem NS-Regime hunderttausende kranke und behinderte Menschen ermordet. Näheres dazu hier.  Und Register können ein erster Schritt in Richtung Diskriminierung u Euthanasie sein.

Auffallend auch, dass Herrn Linnemann keine bessere Betreuung psychisch kranker Menschen fordert: zB mehr Ärzte / Therapieplätze / sonstige Hilfsangebote.

Der Vorstand der DeutschenDepressionsLiga e.V. stellte in einem Schreiben an Linnemann fest: „… mit Ihrer Forderung scheren Sie alle psychisch Kranken (die im Übrigen nicht freiwillig krank geworden sind) über einen Kamm und vorverurteilen sie. Das ist grober Unfug. Psychisch krank zu sein bedeutet nicht, per se anderen Menschen schaden zu wollen oder straffällig zu werden… Mit Ihrem Vorschlag… stigmatisieren und vorverurteilen Sie jeden Menschen, der von psychischer Krankheit betroffen ist – welcher Ausprägung auch immer. Das geht so nicht! Wohin soll das führen?“

Und in der taz wird zu Recht festgestellt: „Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt wurde die rechtsextreme Ideologie des mutmaßlichen Täters Taleb A. offenbart. Statt über die Bekämpfung von Rechtsextremismus zu sprechen, führt die CDU eine Debatte zu Migration und psychischen Erkrankungen. Dabei besteht zwar der Verdacht, Taleb A. habe eine psychische Erkrankung, aber eine Diagnose fehlte. Ein Register hätte ihn also nicht erfasst, der Anschlag hätte dadurch wohl nicht verhindert werden können. Stattdessen sollte Linnemann lieber über das Versagen der Sicherheitsbehörden unter Innenministerin Zieschang (CDU) sprechen.“

6 Gedanken zu „Register für psychisch kranke Menschen – eine Forderung von CDU-Generalsekretär Linnemann, die an finsterste Zeiten in Deutschland erinnert“

  1. Hätte ein Register „für psychisch kranke Gewalttäter“ zum Zeitpunkt der tragischen Ereignisse im Magdeburg bestanden, hätte dies am Ablauf der Gewalttat vermutlich nichts geändert. Dazu sind den Verantwortlichen – nach allem was man lesen und hören konnte – offensichtlich in der Planung der Sicherheitsmaßnahmen für die Besucher des Weihnachtsmarkts zu viele Fehler bzw. Versäumnisse unterlaufen.

    Zudem: Auch psychisch kranke Menschen haben ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

    Ein Register über Krankheiten greift in dieses Grundrecht ein. Es wäre allenfalls dann tolerabel, wenn es bei einer Abwägung aller unterschiedlichen Erwägungen, Interessenlagen und Grundrechte eine Maßnahme darstellen würde, die Ereignisse wie in Magdeburg verhindern oder wenigstens in Zahl, Häufigkeit und Auswirkungen wesentlich reduzieren könnte. Diesen Nachweis hat Herr Linnemann weder im Interview selbst noch in der Zeit danach erbracht.

    Insoweit beurteile ich die Äußerungen von Herrn Linnemann bestenfalls als Aussagen, die er ohne Einschaltung seines Gehirns gemacht hat. Tatsächlich glaube ich aber eher, dass er bewusst als Wahlkämpfer die Populismus-Karte gezogen hat.

    Und dafür hat Herr Linnemann deutliche Kritik verdient.

  2. Hallo Petra, Herr Linnemann spricht bereits ab Minute 3:20 und da am Anfang sagt er „Wir haben große Raster angelegt für Rechtsextremisten, für Islamisten, aber offenkundig nicht für psychisch kranke Gewalttäter.“ – und auch in der Folge erklärt er ausführlich warum er ein solches Register für psychisch kranke Gewalttäter für sinnvoll hält. In seinem letzten Satz, in diesem Abschnitt wiederholt er dann die Forderung nach einem solchen Register und vergisst aber offensichtlich das Detail „Gewalttäter“ zu sagen. Und daraus wird ihm dann ein Strick gedreht. Hätte man das ganze Statement gehört bzw gelesen, wüsste man worum es tatsächlich ginge und niemand müsste sich über dieses Zitat aus dem Kontext gerissen, aufregen.
    Leider machen sich heute viele nicht mehr die Arbeit eine Information zu hinterfragen, auch die Schreiber dieses Statements nicht… Schade, dachte das man sonst nur die Bild!

  3. Bewusst Aussagen aus dem Kontext zu reißen, ist fast gleichzusetzen mit dem Hass in den sozialen Medien. Es ist lediglich subtiler. Stärkt nur die Nazi-Wähler. Sie sollten sich schämen.

    1. Im Interview ab Minute 4:20 sagt Herr Linnemann genau das, was im ersten Absatz wörtlich zitiert wird: „Es reicht nicht aus, Register anzulegen für Rechtsextremisten und Islamisten, sondern in Zukunft sollte das auch für psychisch Kranke gelten.“
      https://download.deutschlandfunk.de/file/dradio/2024/12/30/debatte_um_ausweisungsrecht_interview_carsten_linnemann_cdu_dlf_20241230_0715_7b43985c.mp3
      Was, bitteschön, ist an diesem Zitat „fast gleichzusetzen mit dem Hass in den sozialen Medien“ oder „stärkt nur die Nazi-Wähler“?

  4. Liebe Petra. In deinem Zitat von Linnemann fehlt das Substantiv „Gewalttäter“. Damit ist die Aussage nicht vollständig wiedergegeben sondern gekürzt und ergibt damit einen anderen Sinn. Es macht meiner Meinung nach einen großen Unterschied, ob jemand von psychisch kranken Gewalttätern oder von psychisch Kranken spricht.

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