Ab Mitte Januar 2025 sollen alle gesetzlich Krankenversicherten mit der neuen elektronischen Patientenakte (ePA) ausgestattet werden. Es sei denn, sie widersprechen. Die Krankenkassen sind gesetzlich verpflichtet, ihre Mitglieder umfassend, transparent, verständlich und barrierefrei über die ePA zu informieren. Doch dieser Informationspflicht kommen die Krankenkassen bisher nicht in allen Fällen nach. Das ergab eine Analyse des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Die Verbraucherzentrale fordert die Krankenkassen auf, nachzubessern und die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.
Die Untersuchung zeigt, dass die Krankenkassen in ihren Schreiben insbesondere über die Vorteile der ePA informieren. Wichtige Aspekte, beispielsweise des Datenschutzes, werden nicht angesprochen.
„Damit Patient:innen eine informierte Entscheidung für oder gegen die ePA treffen können, müssen sie auch die möglichen Risiken kennen. Und sie müssen wissen, welche Anwendungen ihnen ab Januar tatsächlich zur Verfügung stehen“, so Thomas Moormann, Gesundheitsexperte im vzbv. „Die Krankenkassen wecken hier zum Teil falsche Erwartungen.“
Zusätzlich zu den Versichertenanschreiben müssen die Krankenkassen ihren Mitgliedern ein umfassendes Informationsdokument zur Verfügung stellen. In allen untersuchten Anschreiben verweisen die Krankenkassen für dieses Informationsdokument nur auf ihre jeweiligen Internetseiten. Versicherte ohne internetfähiges Endgerät werden so von den Informationen ausgeschlossen. Der vzbv fordert, dass die Krankenkassen den Versicherten alle entscheidungsrelevanten Informationen in verständlicher und leicht zugänglicher Form zur Verfügung stellen.
Die Analyse umfasst die dem vzbv bis Ende Oktober 2024 vorliegenden Versichertenanschreiben zur ePA. Einige Beispiele von unzureichenden bzw. Fehlinformationen werden aufgelistet.
Zum Widerspruchsrecht gegen die ePA wird festgestellt: In einigen Fällen wird ausschließlich auf ein Online-Widerspruchsformular verwiesen, das über einen QR-Code oder eine Internetseite mit persönlichem Zugangscode erreichbar ist (zum Beispiel Techniker Krankenkasse). In anderen Fällen soll das Widerspruchformular ausschließlich postalisch/schriftlich eingereicht werden, das entweder dem Anschreiben beiliegt (zum Beispiel KKH Kaufmännische Krankenkasse) oder über eine Internetseite abrufbar ist (zum Beispiel IKK Brandenburg und Berlin). In einem Anschreiben wird darüber informiert, dass der Widerspruch auch formlos möglich sei (AOK Nordost). Über die Möglichkeit, telefonisch der Anlage der ePA zu widersprechen, wird in keinem der dem vzbv vorliegenden Anschreiben informiert. Die Bundesbeauftragte für Datenschutz (BfDI) verweist in ihrem Rundschreiben vom 15.10.2024 sämtlichen Kommunikationskanälen (u. a. auch postalisch und telefonisch) möglich ist. Der verpflichtende Hinweis, dass der Widerspruch bzw. die Löschung der ePA jederzeit möglich ist, wird nicht in jedem Anschreiben genannt (zum Beispiel IKK classic).
In einem Fazit stellt die Verbraucherzentrale fest:
- „Die 14 analysierten Versichertenanschreiben sind kurzgehalten und reichen aus Sicht des vzbv nicht aus, um den Versicherten eine informierte Entscheidung über die ePA zu ermöglichen. In den vorliegenden Versichertenanschreiben wird für weitere Informationen zur ePA teils nur auf die Internetseiten der jeweiligen Krankenkassen verwiesen.
- Das sehr ausführliche, gesetzlich verpflichtende und im Vorfeld mit der BfDI abgestimmte Informationsdokument wird digital zur Verfügung gestellt, ist aber auf den Webseiten teilweise schwierig auffindbar. Versicherte ohne internetfähiges Endgerät werden von dieser Information bislang ausgeschlossen.
- Zugleich erhalten die Versicherten in den untersuchten Anschreiben der Krankenkassen kaum bis gar keine Informationen darüber, dass die ePA zu Beginn funktional nur rudimentär und inhaltlich leer ist, und wann weitere Anwendungen (zum Beispiel eImpfpass, eMutterpass) entwickelt und freigeschaltet werden.
- Ebenfalls entspricht eine Einschränkung auf einen oder wenige Widerspruchskanäle nicht den gesetzlichen Vorgaben, kann somit für bestimmte Versichertengruppen Barrieren erzeugen und deren Selbstbestimmungsrecht unzulässig einschränken.
- Kritische Aspekte zur ePA (zum Beispiel. über Datenschutzrisiken und über die komplizierte Steuerung der Sichtbarkeit und des Zugriffs auf einzelne Dokumente) wurden in den betrachteten Schreiben nicht erwähnt.
Die analysierten Versichertenanschreiben der Krankenkassen erfüllen aus Sicht des vzbv somit in mehreren Aspekten nicht die gesetzlichen Anforderungen. Neben inhaltlichen Defiziten schränken die Krankenkassen die Kommunikationskanäle zur Widerspruchsäußerung in unzulässiger Weise ein. In dieser Form machen sie es den Versicherten schwer, die wesentlichen Merkmale und das Für und Wider zur ePA zu erfassen und eine informierte Entscheidung über deren Nutzung zu treffen.“
Quelle: Pressemitteilung der Verbraucherzentrale vom 05.12.2024