Im Januar 2020 scheiterten im Bundestag zwei Gesetzentwürfe, mit denen die Erlaubnis zur Organentnahme im Falle des Todes eines Menschen geändert werden sollte. Mit einem sogenannten „opt-out“-Verfahren sollten alle Menschen zu potentiellen „Organspender*innen“ gemacht werden, wenn sie sich nicht zu Lebzeiten nachweislich ausdrücklich gegen eine Organentnahme entschieden hatten. Dass dies ein massiver Eingriff in die Grundrechte nach Art. 2 Grundgesetz ist,
- „(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
- (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit…“
schien die Antragsteller*innen 2020 nicht zu stören.
Nun gibt es erneut zwei Gesetzentwürfe zwecks Änderung der geltenden Einwilligungsregeln im Transplantationsgesetz (TPG), über die noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23.02.2025 entschieden werden soll.
Der erste, eingebracht vom Bundesrat, will eine Widerspruchslösung (Bundestags-Drucksache 20/12609) im TPG eingeführt sehen, der zweite, eingebracht von Bundestagsabgeordneten aus mehreren Fraktionen, begehrt eine Widerspruchsregelung ( Bundestags-Drucksache 20/13804). Beide Entwürfe kommunizieren im Kern die gleichen Ziele: Künftig sollen alle Menschen in Deutschland grundsätzlich als „Organspender*nnen“ gelten, solange sie dem nicht ausdrücklich widersprechen.
Am 05.12.2024 wurde der neue Gesetzentwurf aus den Reihen der Bundestagsabgeordneten im Bundestag in erster Lesung beraten. Und erneut ergießt sich aus Fernsehen, Hörfunk und Zeitungen ein wahres Trommelfeuer von Beiträgen, in denen Befürworter*innen der „Organspende“ aus Ärzteverbänden und Politik zu Wort kommen. Weniger Beachtung finden Stimmen, die diesen Gesetzenwurf aus ethischen Gründen ablehnen oder weil er unzulässig in Grundrechte der unfreiwilligen „Organspender*nnen“ eingreift.
Eine dieser Stimmen BioSkop e.V., das Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften und ihrer Technologien. In einer Stellungnahme vom 01.12. 2024 stellt BioSkop eingangs fest: „Der Begriff ‚Organspende‘ ist in der politischen, medizinischen, werbenden Kommunikation allgegenwärtig, wenn es darum geht, chirurgische Eingriffe zu umschreiben, bei denen Menschen Körperstücke entnommen werden, etwa Nieren, Leber, Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse, Darm. Eine Spende ist, zivilrechtlich gesehen, eine Schenkung. Der Begriff meint laut § 516 BGB eine freiwillige, unentgeltliche, einvernehmliche „Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert”. Gespendet bzw. verschenkt werden also Geld und Sachen. Vor diesem Hintergrund ist der ständig kommunizierte, emotionalisierende Begriff der ‚Organspende‘ grundsätzlich zu hinterfragen…“
In der Stellungnahme fordert BioSkop: „Wer zu Lebzeiten sein oder ihr ‚nein‘ zur Organentnahme nicht dokumentiert hat oder zu seiner/ihrer Haltung geschwiegen hat, darf auf keinen Fall (nach Eintritt des ‚Hirntods‘) explantiert werden, eine stellvertretende Entscheidung durch andere Personen darf nicht mehr zulässig sein. Der Gesetzgeber sollte endlich beschließen, dass Organentnahmen ausnahmslos nur dann legal sind, wenn der betroffene Patient zuvor schriftlich eingewilligt hatte – und zwar nach dokumentierter, ergebnisoffener, ausführlicher, kostenfreier Aufklärung durch anerkannte unabhängige Stellen. Um sicherzustellen, dass eine solche Erklärung möglichst dem aktuellen Willen entspricht, sollte eine schriftliche Vorab-Einwilligung in die Organentnahme maximal drei Jahre alt sein, wenn sie rechtsverbindlich sein soll. Wer seine Bereitschaft zur Organentnahme erklären und bestätigen will, müsste dann jeweils aktiv werden und seine Erklärung pro Organentnahme regelmäßig aktualisieren. Das kann auch dazu beitragen, sich über aktuelle Entwicklungen in der Transplantationsmedizin auf dem Laufenden zu halten, was eine informierte Entscheidung stützen kann. Eine Verpflichtung oder gar Zwang, die persönliche Haltung zur Organentnahme zu dokumentieren, darf es nicht geben.“
Bioskop hat auf seiner Homepage umfangreich Informationen zum Thema „Organspende“ und Widerspruch zur Verfügung gestellt.