Jens Spahn (CDU) war Gesundheitsminister, verstand seine Behörde aber vor allem als Digitalisierungsministerium. Mit einem Gesetzes-Tsunami hat er die Digitalisierung des Gesundheitswesens eiligst vorangetrieben. „Minister Fleißig“ nannte ihn das Ärzteblatt bereits im Sommer 2019 und konstatierte: „16 Gesetze in 16 Monaten“. In den Jahren danach ging es im gleichen Tempo weiter. Dass viel nicht immer gut ist, ist eine Binsenweisheit.
Und dass dies auch für Spahn‘s Digitalisierungswahn gilt, machte vor wenigen Tagen der GKV-Spitzenverband deutlich. Er kritisiert hohe Kosten und einen teilweise geringen Nutzen von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Die gesetzlichen Vorgaben für die Zulassung seien unzureichend. So gebe es z. B. im Leistungsbereich ein Missverhältnis hinsichtlich den niedrigen Zugangsvoraussetzungen für DiGA in Bezug auf Nutzennachweis und Wirtschaftlichkeit. In einem Bericht des GKV-Spitzenverband, der vom Bundestag veröffentlicht wurde (Bundestags-Drucksache 20/1647), ist dies detailliert nachzulesen.
Im Berichtszeitraum (1.9.2020 – 30.9.2021) seien 20 DiGA in das Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen worden, so der GKV-Spitzenverband. Sie könnten von den Krankenversicherten entweder nach einer ärztlichen Verordnung oder nach einer Genehmigung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Nur fünf Anwendungen wurden mit einem Nutzenbeleg dauerhaft aufgenommen, 15 DiGA wurden zur Erprobung gelistet und konnten bislang keine positiven Versorgungseffekte nachweisen. Bis Ende September 2021 wurden den Angaben zufolge rund 50.000 DiGA verordnet oder genehmigt.
Die Leistungsausgaben für DiGA lagen im Berichtszeitraum bei 13 Mio. €. Der GKV-Spitzenverband bemängelt, auch wenn Anbieter kein innovatives Konzept und keinen Nutzenbeleg der DiGA vorweisen könnten, müssten die Produkte bis zu zwei Jahre von der GKV finanziert werden. Die im ersten Jahr von den Herstellern festgelegten Preise seien intransparent. Erst zum zweiten Jahr würden die Preise mit dem GKV-Spitzenverband verhandelt. Dieses Verfahren führe zu hohen Kosten, insbesondere im ersten Jahr. Das Spektrum der Herstellerpreise erstrecke sich von 119 Euro für eine Einmallizenz bis zu rund 744 Euro für eine Anwendungsdauer von 90 Tagen. Im Schnitt lägen die Preise bei rund 400 Euro pro Quartal. Die Herstellerpreise bewegten sich zum Teil deutlich über den Preisen, die für Anwendungen außerhalb des DiGA-Verzeichnisses gefordert würden und auch teils deutlich über den Vergütungen für konventionelle Leistungen in der GKV.
Quelle: Deutscher Bundestag, Parlamentsnachrichten
Es wäre zu begrüßen, wenn Karl Lauterbach (SPD), Spahns Nachfolger als Bundesgesundheitsminister, den in Gesetzesform gekleideten Digitalisierungswahn seines Vorgängers kritisch überprüfen und korrigieren und damit Versichertenbeiträge einer sinnvolleren Nutzung zuführen würde.