Fragen an die KandidatInnen bei den gesetzlichen Krankenkassen

Anlässlich der Sozialwahlen haben wir die kandidierenden Listen nach ihren Positionen zu Patientenrechts- und Datenschutzthemen gefragt. Dabei beschränkten wir uns auf die Krankenkassen, bei denen tatsächlich eine Abstimmung stattfindet.
Angeschrieben haben wir folgende Listen (jeweils per Email an die Adresse der Vereinigung, die die Liste aufgestellt hat, oder an eine/n Spitzenkandidat/in):

bei der TK:
– Liste 1: TK-Gemeinschaft, unabhängige Versichertengemeinschaft der Techniker Krankenkasse e.V.
– Liste 2: ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
– Liste 3: IG Metall
– Liste 4: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Deutschlands e.V., Kolpingwerk Deutschland, Bundesverband Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen e.V.
– Liste 5: BfA DRV-Gemeinschaft – Freie und unabhängige Interessengemeinschaft der Versicherten und Rentner in der Deutschen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Unfallversicherung e.V.

bei der DAK:
– Liste 1: DAK Mitgliedergemeinschaft e.V. Gewerkschaftsunabhängig. Gegründet 1955. Versicherte und Rentner in der Kranken- und Rentenversicherung
– Liste 2: DAK-VRV e.V. DAK – Versicherten- und Rentnervereinigung seit 1977 bei der DAK-Gesundheit und der Deutschen Rentenversicherung
– Liste 3*: verdi – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
– Liste 4: BfA DRV-Gemeinschaft – Freie und unabhängige Interessengemeinschaft der Versicherten und Rentner in der Deutschen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Unfallversicherung e.V.
– Liste 5*: IG Metall
– Liste 6*: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Deutschlands e.V., Kolpingwerk Deutschland, Bundesverband Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen e.V.
– Liste 7*: Deutscher Gewerkschaftsbund
(die mit * markierten Listen sind eine Listenverbindung eingegangen)

bei der KKH:
– Liste 1: KKH-Versichertengemeinschaft e. V.
– Liste 2: ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
– Liste 3: Deutscher Gewerkschaftsbund

bei der hkk:
– Liste 1: hkk-Gemeinschaft e.V.
– Liste 2: BfA DRV-Gemeinschaft – Freie und unabhängige Interessengemeinschaft der Versicherten und Rentner in der Deutschen Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Unfallversicherung e.V.
– Liste 3: ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
– Liste 4: Deutscher Gewerkschaftsbund
 

Hier der Text unserer Anfrage:

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Verein Patientenrechte und Datenschutz e.V. ist ein Zusammenschluss von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen, der sich für die Wahrung der Patientenrechte im Zeitalter der Digitalisierung einsetzt. Dazu analysieren wir die Risiken, die sich aus der elektronischen Gesundheitskarte in Verbindung mit der geplanten digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen (sog. “Telematikinfrastruktur”) sowie anderen Formen der Speicherung, Übermittlung, Verarbeitung und Verwendung sensibler Patientendaten ergeben. Hieraus entwickeln wir Ansätze zur Minimierung dieser Risiken.

In diesem Zusammenhang interessieren uns die Positionen der bei den diesjährigen Sozialwahlen kandidierenden Listen zu einschlägigen Themen. Wir möchten Sie daher bitten, zu den nachfolgenden Fragen Stellung zu nehmen und bei der Beantwortung auf zwei Aspekte einzugehen:
• Welche Positionen haben Sie dazu in der abgelaufenen Wahlperiode seit den Sozialwahlen 2011 vertreten?
• Mit welchen Forderungen wird Ihre Liste in der kommenden Wahlperiode bis 2023 in den Vertreterversammlungen auftreten?

1. Umgang mit Versicherten, die die Nutzung der eGK ablehnen und weiter mit papiergebundenen Versicherungsnachweisen ärztliche Versorgung in Anspruch nehmen wollen: Wie soll die Krankenkasse, für die Sie kandidieren, mit diesem Personenkreis umgehen? Papiernachweise ausstellen? Mit welcher Gültigkeitsdauer? Wie oft?

2. Die Beiträge der Krankenkassen zur geplanten digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen sind exorbitant hoch. Eine weitere drastische Steigerung ist in den kommenden Jahren zu erwarten. Halten Sie es grundsätzlich für gerechtfertigt, für solche Projekte Versichertenbeiträge auszugeben? Wenn ja, warum? Bei welchem Kostenrahmen (bzw. bei Überschreitung des angepeilten Budgets) halten Sie eine weitere Finanzierung dieses Systems nicht mehr für vertretbar? Wie bewerten Sie eine Steigerung dieser Ausgaben im Verhältnis zur Streichung von Kassenleistungen und/oder zur Erhebung von Zusatzbeiträgen?

3. Einige Krankenkassen (prominentestes Beispiel: Techniker Krankenkasse) sind dazu übergegangen, kasseneigene elektronische Patientenakten in Konkurrenz zu elektronischen Gesundheitsakte gem. § 291a SGB V zu entwickeln. Welche Position beziehen Sie dazu? Plant Ihre Krankenkasse eigene elektronische Patientenakten? Wenn ja, wie weit ist die Umsetzung vorangeschritten?

4. Umgang mit Versicherten, die ihr Recht auf Auskunft gem. § 83 SGB X geltend machen: Nach unseren Erfahrungen und nach Rückmeldungen, die bei uns eingingen, reagieren Krankenkassen häufig nicht, ausweichend, unzureichend oder mit starker zeitlicher Verzögerung. Wie wurden Auskunftsersuchen von Versicherten zu den über sie gespeicherten Daten von Ihrer Krankenkasse beantwortet? Wie bewerten Sie diesen Umgang Ihrer Krankenkasse mit solchen Anfragen? Beabsichtigen Sie, hier Verbesserungen anzuregen? Wenn ja, in welcher Form? Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Versicherten Ihrer Krankenkasse ihr Auskunftsrecht gem. § 83 SGB X ungehindert wahrnehmen können?

5. Umgang mit Versichertendaten im Rahmen von Disease Management Programmen (DMP) gem. § 137f SGB V, betrifft ca. 6 Mio. gesetzlich Versicherte: In welchen Fällen nimmt Ihre Krankenkasse Kontakt zu DMP-Ärzten auf? Was verlangt Ihre Krankenkasse in diesen Fällen von den Ärzten? Hat es in diesem Zusammenhang Konflikte zwischen Ihrer Krankenkasse und Ärzten gegeben? Welcher Art waren diese Konflikte?

6. Krankenkassen erhalten umso mehr Mittel aus dem Gesundheitsfonds, je mehr schwer kranke Mitglieder sie haben. Laut Dr. Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 9. Oktober 2016), versuchen deswegen Krankenkassen Ärzte dazu bringen, möglichst viele bzw. möglichst schwerwiegende Diagnosen zu stellen (“Up-Coding”). Bietet Ihre Krankenkasse (oder von ihr beauftragte Dienstleister) Ärzten Kodierberatung an? Wurden Ärzte zwecks Korrektur bereits übermittelter Diagnose- und Leistungsdaten kontaktiert? Wurden von Ihrer Krankenkasse (oder durch von ihr beauftragte Dienstleister) Versicherte aufgefordert, einen Arzt aufzusuchen? Hat Ihre Krankenkasse Betreuungsstrukturverträge nach § 73a SGB V oder Verträge zur besonderen Versorgung nach § 140a SGB V abgeschlossen, in denen die Honorierung der Ärzte in Abhängigkeit von den Diagnosen vorgesehen ist? War Up-Coding Thema in Vertreterversammlungen Ihrer Krankenkasse? Was wurde dazu beschlossen?

7. Erfassung von Krankheits- und Behandlungsdaten durch die Krankenkassen über die Regelungen im SGB V i. V. m. SGB X hinaus: Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hat dazu auf Ihrer Homepage festgestellt: „Immer wieder kommt es vor, dass sich Krankenkassen Selbstauskunftsbögen, Krankenhausentlassungsberichte oder andere ärztliche Unterlagen übermitteln lassen. Diese Praxis ist aus datenschutzrechtlicher Sicht häufig äußerst bedenklich…“. Ist Ihnen eine vergleichbare Aktivität bei Ihrer Krankenkasse bekannt? Wenn Ja: Welche Position beziehen Sie dazu?

8. Öffnung des Gesundheitswesens für private Angebote bzw. Dienstleister: Diese Forderung wird von interessierten Unternehmen, aber auch von Bundesgesundheitsminister Gröhe unterstützt. Welche Position beziehen Sie dazu?

9. Bundesgesundheitsminister Gröhe hat im Januar 2017 in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter dem Motto „Vom Datenschutz zum Datenschatz“ dafür plädiert, Datenschutzstandards zu Lasten der Versicherten und Patienten zu senken. Welche Position beziehen Sie dazu? Wird die Einbeziehung bzw. Beauftragung privatwirtschaftlicher Unternehmen Ihrer Einschätzung nach eher Einsparungen oder eher Mehrausgaben der Krankenkassen bewirken? Wie kann sichergestellt werden, dass bei der Einbeziehung privatwirtschaftlicher Gesundheits- oder Datenverarbeitungsdienstleistungen die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden? Durch welche technischen und organisatorischen Vorkehrungen soll nach Ihrer Meinung die Sicherheit der Daten bei privaten Anbietern gewährleistet werden?

10. Mitwirkung Ihrer Krankenkasse in übergeordneten Gremien wie dem GKV-Spitzenverband, dem Gemeinsamen Bundesausschuss und der Gematik: Ist Ihnen bekannt, welche Auswertungen von Behandlungsdaten zu welchen Zwecken in diesen Gremien durchgeführt oder geplant werden? Welche Richtlinien wurden in diesen Gremien beschlossen, die den Schutz von Versicherten- und Behandlungsdaten berühren? Welche Datenschutz-Ziele sind dabei in welcher Form berücksichtigt worden? Wie bewerten Sie die genannten Auswertungen von Behandlungsdaten bzw. die Umsetzung des Patientendatenschutzes? Wie bewerten Sie den Schutz von Versicherten- und Behandlungsdaten in diesen Gremien? Welche (realistischen) Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie?

Ihrer Antwort/Stellungnahme sehen wir mit Interesse entgegen.

Wir möchten Sie abschließend darüber informieren, dass wir den vorstehenden Fragenkatalog und die dazu eingehenden Antworten/Stellungnahmen auf der Homepage von Patientenrechte und Datenschutz e.V. und in anderer geeignet erscheinender Form veröffentlichen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Kuhlmann (Vorsitzender)
Patientenrechte und Datenschutz e.V.

Web: https://patientenrechte-datenschutz.de
E-Mail: kontakt@patientenrechte-datenschutz.de

Ansprechpartner für Rückfragen:
Jan Kuhlmann, Tel. xxxxxxxxxxxxx
Uta Schmitt (stellv. Vors.), Tel. xxxxxxxxxxxx
Dr. Bernhard Scheffold (stellv. Vors.), Tel. xxxxxxxxxxxx

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