SG Düsseldorf bestätigt (vorläufigen) Anspruch auf Quartalsnachweise

Mit Erlaubnis des Klägers veröffentlichen wir hier ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, das für eGK-Gegner von Belang ist.
(Text des Urteils im PDF-Format zum Herunterladen: 2015_11_19_v_SG_Ddf_Urteil_S8KR56915_anonym).
Das Gericht hat die Krankenkasse dazu verpflichtet, dem Kläger nicht Einzelnachweise für jeden Arztbesuch, sondern quartalsweise Berechtigungsnachweise zur Inanspruchnahme medizinischer Sachleistungen auszustellen.

Einschränkend ist zu erwähnen, dass sich das Urteil nicht direkt auf alle gesetzlich Versicherten übertragen lässt: Im vorliegenden Fall hat das Gericht dem Kläger Rechtsschutz bis zum Abschluss seiner übrigen gegen die eGK anhängigen Verfahren gesichert. (Erfreulicherweise hält das SG Düsseldorf das rechtliche Vorgehen des Klägers trotz des Urteils des Bundessozialgerichts vom 18.11.2014 (Az.: B 1 KR 35/13 R) nicht von vornherein für aussichtslos, da gegen das BSG-Urteil eine Verfassungsbeschwerde (Az.: 1 BVR 864/15) anhängig ist, deren Entscheidung noch aussteht.) Direkt auf das hier vorgestellte Urteil berufen werden sich aber wohl nur Versicherte können, die selbst gegen die eGK klagen.

Trotzdem ist das Urteil auch darüber hinaus eine gute Argumentationshilfe, denn das Gericht teilt darin einige grundsätzliche Positionen von eGK-Gegnern:

1. Das SG Düsseldorf lässt keinen Zweifel am grundsätzlichen Anspruch der gesetzlich Krankenversicherten auf Sachleistungen. Ebenso stellt es klar, dass der Versicherte die Berechtigungsnachweise erhalten muss, die es ihm ermöglichen, den Sachleistungsanspruch auch praktisch umzusetzen. Ohne Krankenversichertenkarte bzw. eGK seien nach § 15 Abs. 2 und Abs. 4 SGB V Krankenscheine bzw. befristete Berechtigungsscheine auszuhändigen.

2. „konnte die Kammer keinen sachlichen Grund für eine Beschränkungs der Berechtigungsnachweise auf Einzelfallbestätigungen erkennen.“ Die Ausstellung von Quartalsnachweisen sei auch für die Krankenkasse weniger aufwändig als „die Möglichkeit der Ausstellung mehrfacher und möglicherweise unter Zeitdruck notwendiger Einzelfallbestätigungen“. Die gesetzlichen Regelungen sähen zwar befristete Anspruchsnachweise vor – das bedeute jedoch nicht notwendigerweise die Beschränkung auf (eintägige) Einzelfallbestätigungen.

3. Auch im Kostenerstattungsverfahren sah das SG Düsseldorf keine echte Alternative, da dieses „für die Versicherten in der Regel mit nicht unerheblichen Mehrkosten verbunden ist“. (Beim Kostenerstattungsverfahren wird der Versicherte als Privatpatient behandelt, bezahlt die Arztrechnungen selbst und beantragt hinterher deren Erstattung durch die Krankenkasse. Meist werden die Arztrechnungen jedoch nur teilweise erstattet und die Unklarheit der Regelungen macht das Kostenrisiko für den Versicherten unüberschaubar.)

Das Urteil des SG Düsseldorf ist umso bemerkenswerter, als bisher die meisten Sozialgerichte in einem oder allen Punkten genau gegenteilig entschieden haben, und lässt erahnen, welch großartige Überzeugungsarbeit der Kläger geleistet haben muss.

 

Editiert am 13.12.2015: Zwei Korrekturen am Datum des Urteils des Bundessozialgerichts  mit dem Aktzenzeichen B 1 KR 35/13 R. Korrekt ist natürlich der 18. November 2014, nicht nicht der 28.11.2015.

21 Gedanken zu „SG Düsseldorf bestätigt (vorläufigen) Anspruch auf Quartalsnachweise“

  1. Mittlerweile – seit Samstag – liegt ein Az. vom LSG vor: L 1 KR 789/15.

    Der Kläger hat einen Monat Zeit, eine Erwiderung zu schreiben und ist schon fleißig dabei.

    1. Danke!

      Ein anderes Verhalten der KK hätte mich auch überrascht, aber die Urteilsbegründung könnte evtl. in anderen Zusammenhängen hilfreich sein.

      Guten Rutsch!

  2. Da selbst Arztpraxen ihre Patienten von einem auf den anderen Tag nicht mehr kennen, eben weil eGK Kartenverweigerer, steht man doch dieser KK-Mafia machtlos gegenüber. Nichts als Lug und Trug ist zu vernehmen, teilweise auch noch gefördert durch wissentliche Falschmeldungen der öffentlich, rechtlichen Rundfunkanstalten.
    Mir blieb nur das Aufgeben …
    Darum hüpft mein Herz nach diesem Urteil. Ob sich das nun als rechtskräftig erweisen wird, bleibt abzuwarten.

    1. Ich habe ja meine Vermutung, warum Ärzte „ihre Patienten von einem auf den anderen Tag nicht mehr kennen“, wenn sie ohne eGK in der Praxis auftauchen. Laut meiner Krankenkasse ist der Arzt dann berechtigt, privat abzurechnen (wohl gemerkt, nicht verpflichtet, d.h., er ist auch berechtigt, mit der Kasse abzurechnen). Warum aber sind manche Ärzte darauf überhaupt nicht scharf? Zum einen sind natürlich Privaterezepte lukrativer, zum anderen „belastet“ jeder Kassenpatient das Budget, wie mir ein Kassenarzt gesagt hat. Vermutlich hat man Anfang des Jahres, wenn das Budget noch nicht aufgebraucht ist, bessere Chancen, behandelt zu werden.

      1. Die eGK ist keineswegs der einzige Nachweis einer Anspruchsberechtigung für kostenerstattungsberechtigte Versicherte, ohne die ein Arzt angeblich berechtigt wäre eine Privatrechnung zu erstellen.
        Lt. § 13 (BMV-Ä) Anspruchberechtigung und Arztwahl heisst es in (1):
        Anspruchsberechtigt nach diesem Vertrag (Anm.: Vertragpartner sind der GKV und der KBV) sind alle Versicherten, die ihre Anspruchsberechtigung durch Vorlage der elektronoschen Gesundheitskarte ODER eines Anspruchsnachweises gem. § 19 Abs. 2 belegen (…).
        (2) Kostenerstattungsberechtigte Versicherte, die sich nicht nach Abs. 1 ausweisen können, sind Privatpatienten (…)

        Wenn man seine gesetzliche Krankenversicherung also per Ersatzbescheinigung resp. Versicherungsnachweis belegt, ist der Arzt keineswegs berechtigt eine Privatrechnung auszustellen.

        Eine weitere rechtliche Überlegung:

        In wie weit berührt den GK Versicherten denn überhaupt der BMV-Ä, da er selbst doch gar keine Vertragspartei ist?
        Lt. § 58 (1) VwVfG sind öffentlich – rechtliche Verträge, die in Rechte Dritter eingreifen, erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt.

        Der Versicherungsschutz resp. die Anspruchberechtigung hängt mitnichten von der Existenz der eGK ab sondern ausschließlich von einer bestehenen Mitgliedschaft bei einer KK aufgrund geleisteter Krankenkassenbeiträgen …

        1. Ich stimme hier zu. Nur: Was machen, wenn die Arztpraxis sich stur stellt? Wenn die Sprechstundenhilfe sagt: Das ist nur übergangsweise, bis die eGK ausgestellt ist, das gilt nicht für Sie als Verweigerer? Natürlich ist sie im Unrecht, aber letztlich will man doch kaum seinen Arzt verklagen?

          1. Muss man ja nicht direkt, aber auf die rechtlichen Folgen und Konsequenzen könnte man schon mal im Beisein von Zeugen hnweisen:
            Schadensersatz aus unerlaubter, gesetzwidriger Handlung, Haftungsdurchgriff in das Privatvermögen und die sofortige Unterwerfung in die Zwangsvollstreckung.
            Die subjektiven Einschätzungen und Einlassungen der Sprechstundenhilfe sind völlig rechtsunerheblich und unzutreffend – soll sie Ihnen doch mal konkret die Rechtsgrundlage dafür nennen!
            Bis die eGK ausgestellt ist, kann ja übrigens dauern …
            Fragen Sie doch mal die Sprechstundenhilfe, wie sie es denn fände, wenn demnächst ca. 2 Millionen Zugriffsberechtigte z.B. lesen könnten, dass sie psychische Probleme, HIV hat oder sich aus ihrem letzten Urlaub eine Geschlechtskrankheit mitgebracht hat …

  3. Soweit mir ersichtlich, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig; es wäre daher interessant, in ein paar Tagen zu erfahren, ob die beklagte Krankenkasse die nächste Instanz anruft.

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