Forderungen zur einrichtungsübergreifenden E-Gesundheitsakte

Forderungen von „Patientenrechte und Datenschutz e.V.“  für die einrichtungsübergreifende elektronische Gesundheitsakte

A. Was für Gesundheits-Datensammlungen gibt es bisher, und wie werden sie genannt?

Für Sammlungen von Patientendaten existieren verschiedene Bezeichnungen, die z.T. in widersprüchlicher Weise verwendet werden, daher hier ein kurzer Überblick über rechtlich geregelte oder übliche Begriffe. 
Alle Ärztinn*en, Krankenhäuser und andere behandelnde Personen oder Institutionen führen über ihre Patient*innen eine Patientenakte (PA). Sie wird in der Regel in elektronischer Form geführt, denn die Papier-Akte ist im Verschwinden begriffen. Mit der Führung der Patientenakten erfüllen Ärzt*innen ihre gesetzliche Dokumentationspflicht nach BGB, §§ 630f und 630e. Sie müssen viele Informationen über die Behandlung schriftlich festhalten: 
  • um nachzuweisen, dass ihre Therapie-Maßnahmen korrekt waren,
  • um ggf. anderen Ärzt*innen die Weiterbehandlung zu ermöglichen.
Die Patientenakte unterliegt dem Arztgeheimnis, eine Weitergabe von Daten ist nur nach einer Schweigepflichtentbindung durch die betroffenen Patient*innen erlaubt. Die Kommunikation mit anderen behandelnden Ärzt*innen, Krankenhäusern usw. erfolgt über Arztbriefe.
Nach § 630 g Abs. 1 Satz 2 BGB  müssen Ärzt*innen ihren Patient*innen auf Wunsch (und gegen Kostenerstattung) eine elektronische Kopie von dieser Patientenakte überlassen. 
Für die Kommunikation zwischen mehreren Unternehmen im Gesundheitsbereich über eine einzelne Erkrankung eines Patientenbzw. einer Patientin („Erkrankungsfall“) ist die elektronische Fallakte (EFA) gedacht (siehe z.B. http://www.fallakte.de/index.php/ueber-efa). Sie wird von den behandelnden Ärzt*innen gemeinsam geführt. Die Anlage der EFA erfordert die Zustimmung der betroffenen Patient*innen. Zusätzlich müssen die Patient*innen jedem Arzt/jeder Ärztin einzeln die Teilnahme erlauben.
Elektronische Gesundheitsakte (EGA) wird üblicherweise eine Datensammlung genannt, zu der Dritte – außerhalb der Institution (Arztpraxis oder Krankenhaus), die die Daten erhoben hat – Zugriff haben können. Das heißt, eine Zugriffsmöglichkeit für Ärzt*innen in anderen Praxen, für Krankenkassen oder für die betroffenen Patient*innen selbst macht eine Datensammlung zu einer elektronischen Gesundheitsakte. Nach § 68 SGB V dürfen Krankenkassen ihren Mitgliedern “zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung” für die Speicherung und Übermittlung  von Gesundheitsdaten Zuschüsse zahlen. In der nichtamtlichen Überschrift  von § 68 SGB V werden die Worte „ektronische Gesundheitsakte“ benutzt. Viele Krankenkassen sehen sich dadurch berechtigt, ihren Versicherten zentrale „elektronische Gesundheitsakten“ anzubieten. Auch privatwirtschaftliche Unternehmen stellen Infrastrukturen für elektronische Gesundheitsakten zur Verfügung. Bei Benutzung solcher Angebote besteht die Gefahr, dass die beteiligten Patient*innen ihre Daten eben nicht mehr selbst in der Hand haben. Zudem gibt es bisher keine gesetzlich festgeschriebenen rechtlichen, technischen und organisatorischen Mindeststandards für elektronische Gesundheitsakten, die die Wahrung der Patientenrechte und den Schutz der Gesundheitsdaten sicherstellen. 

B. Was meinen wir mit der regulierten elektronischen Gesundheitsakte?

Eine elektronische Gesundheitsakte ermöglicht den Zugriff auf die enthaltenen Daten auch außerhalb des Behandlungszusammenhangs (Arztpraxis, Krankenhaus), in dem die Daten erhoben wurden. Das darf nicht dazu führen, dass die in den elektronischen Gesundheitsakten gespeicherten Patientendaten missbraucht werden. Beispielsweise muss ausgeschlossen sein, dass Gesundheitsinformationen (ohne Zustimmung der betroffenen Person) an Unternehmen verkauft werden, oder sonst an Unbefugte weitergeleitet werden. Wenn auf Patientendaten auch Außenstehende zugreifen können, dann sind die betroffenen Patient*innen besonders gefährdet. Sie müssen daher durch technische und gesetzliche Regelung der Zugriffsmöglichkeiten geschützt werden. 
Auf eine erforderliche Aufklärung und Einwilligung als Schutzmechanismen gegen eine unerwünschte Datenweitergabe kann man im Gesundheitsbereich nicht setzen, da behandlungsbedürftige Patient*innen in einer Zwangslage sind und in der Regel alles unterschreiben, was ihre Ärzt*innen ihnen vorlegen. In keinem Gesetz darf deshalb erwartet oder vorausgesetzt werden, dass Patient*innen tatsächlich in der Lage wären, von einer rechtlich zulässigen Empfehlung ihrer Ärzt*innen zur Gesundheitsakte abzuweichen. Entscheidend ist nicht, ob eine Anwendung  verpflichtend oder freiwillig ist. Entscheidend sind Rahmenbedingungen, durch die sicher gestellt ist, dass Patient*innen eine unerwünschte Gesundheitsakte effektiv verhindern können. Diese Möglichkeit muss Patient*innen jederzeit offen stehen, auch nach einer Einwilligung, die sie vorher erteilt hatten. Der Schutz für die Betroffenen ist folglich umzusetzen durch die Gestaltung dessen, was rechtlich zulässig ist und technisch ermöglicht wird. Überdies ist sicherzustellen, dass nur solche EGA für die Speicherung sensibler Patientendaten genutzt werden, deren Gestaltung den nötigen Schutz für Patientenrechte und -daten gewährleistet.
Dies ist nur zu erreichen, indem Behandelnden im Gesundheitsbereich die Benutzung unregulierter elektronischer Gesundheitsakten untersagt wird. Es muss Ärzt*innen verboten sein, Patientendaten in anderen Praxis-externen elektronischen Datensammlungen zu speichern, als in regulierten elektronischen Gesundheitsakten. Dieselbe Regel muss für andere Berufgeheimnisträger im Gesundheitsbereich gelten, z.B. Mitarbeiter*innen in Krankenhäusern und Krankenkassen: „Keine Speicherung von Gesundheitsdaten in unregulierten Datensammlungen“. 
Die einzige Ausnahme sind dezentrale Gesundheitsakten in der Hand der Patient*innen, die grundsätzlich erlaubt bleiben sollen. Dezentrale Lösungen sind tragbare kleine Geräte, bei denen die Verbindung zu irgendeinem anderen Gerät von den Patient*innen physisch hergestellt werden muss, damit medizinische Daten übertragen oder gesichtet werden können (Beispiel: USB-Stick).  
Alle Formen von zentral zugreifbaren Gesundheitsakten hingegen bedürfen der gesetzlichen Regulierung. Das gilt auch für alle vorhandenen oder geplanten Fallakten oder Gesundheitsakten. Sie müssen zertifiziert werden gegen die im Folgenden aufgeführten Kriterien:

C. Forderungen von „Patientenrechte und Datenschutz e.V.“  für die regulierte elektronische Gesundheitsakte (REGA)

Der Verein Patientenrechte und Datenschutz e.V. setzt sich dafür ein, folgende  grundlegende Rechte und Freiheiten der gesetzlich Versicherten dauerhaft rechtlich und tatsächlich zu sichern:
  • das Recht auf Vertraulichkeit (Arztgeheimnis),
  • das Recht auf strikte Beachtung der Zweckbindung der Patientendaten,
  • das Recht auf freie Arztwahl,
  • das Recht, keine elektronische Gesundheitsakte zu haben,
  • das Recht auf volle Verfügung über die eigene Akte.
Die zur Wahrung dieser Patientenrechte erforderlichen rechtlichen, technischen und  organisatorischen Rahmenbedingungen sind zu erhalten bzw. neu zu schaffen.

1. Vertraulichkeit/Arztgeheimnis 

a.  Die ärztliche Schweigepflicht jedes einzelnen Arztes/jeder Ärztin muss für die gesetzlich versicherten Patient*innen zuverlässig durchsetzbar sein. D.h. die versicherte Person muss die Weitergabe ihrer Gesundheitsdaten an jede andere Person oder Institution effektiv  verhindern können. Dabei muss der gut abgesicherte Standardfall die Nicht-Weitergabe sein. Nur so kann das Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient bewahrt werden, das Voraussetzung für die korrekte Diagnose und Heilbehandlung ist. 
b. Die REGA muss die gezielte Freigabe bestimmter Informationen durch die Patient*innen ermöglichen. Das bedeutet, die Akte muss detailliert untergliedert sein (z.B. nach medizinischen Fachgebieten und zusätzlich nach Krankheitsfällen) und die Möglichkeit bieten, jeden Teilbereich einzeln freizugeben. Daneben sollte es eine Option für die gesammelte Freigabe aller Daten geben (z.B. für den Fall, dass Patient*innen den Hausarzt wechseln und ihrem neuen Hausarzt/ihrer neuen Hausärztin alle Daten zugänglich machen wollen).
Außerdem muss technisch und administrativ strikt unterschieden werden zwischen Einwilligungen für einmalige Datenzugriffe und Einwilligungen für die Weitergabe von Daten. Die Einwilligung für einen Datenzugriff werden Patient*innen in der Regel demjenigen Arzt/derjenigen Ärztin erteilen, dem/der sie gerade gegenübersitzen. Bei einer Einwilligung für die Weitergabe von Daten hingegen ist die Reichweite für den betroffenen Patient*innen viel schwerer zu überblicken. Eine Einwilligung zur Datenweitergabe muss daher genau aufführen, was an wen zu welchem Zweck weitergegeben werden darf.
Um den Überblick über die „Streuung“ ihrer Daten zu behalten, sollen Patient*innenaußerdem für jede einzelne Einwilligung eine „Quittung“ erhalten, in der Umfang und Adressaten ihrer Einwilligung vermerkt sind. 
c.  Ebenso müssen ökonomische Anreize für die Weitergabe von Patientendaten   ausgeschlossen werden. Die Nicht-Weitergabe von Patientendaten muss die  profitabelste Möglichkeit der Abrechnung für Ärzt*innen sein und bleiben. (Derzeit ist das noch überwiegend der Fall, wenn man die praxisinterne Patientenakte als Instrument der Kundenbindung betrachtet.) Entscheidend ist daher, für Patient*innen Wahlmöglichkeiten bei der Kommunikation zwischen mehreren Behandlern zu schaffen, die aus Ärztesicht gleichwertig sind. Für Behandler darf kein Anreiz bestehen, Patient*innen in Richtung auf eine bestimmte Entscheidung über elektronische Akten zu beeinflussen.  
Die Einführung zusätzlicher Zahlungen für elektronische Datenweitergabe als Bestandteil der Gebührenordnung für ärztliche Leistungen ist abzulehnen. Ein Negativbeispiel sind die bereits existierenden Hausarztprogramme, durch die Hausärzt*innen finanziell besser gestellt werden, wenn sie mehr Daten elektronisch weitergeben. 
Die Stellung einer Diagnose, die zur Aufnahme von Patient*innen in Programme mit mehr  Datenweitergabe (z.B. “Disease Management Programme” der Krankenkassen) führt, darf nicht besser bezahlt werden als die Stellung einer vergleichbaren Diagnose, die mit weniger Datenweitergabe verbunden ist. Jegliche  Zahlungen der Krankenkassen an Ärzt*innen, um mehr Patientendaten zu erhalten, müssen eingestellt werden. 
Auch elektronische Arztbriefe dürfen nicht besser bezahlt werden als herkömmliche.  (Arztbriefe auf Papier haben zudem den Vorteil, dass sie auch für die Patient*innen selbst einsehbar sind und die Weitergabe von den Patient*innen kontrolliert werden kann.) 
d. Die Bezahlung der Ärzt*innen für vorgeschriebene oder von den Patient*innen gewünschte  Datenübertragungen sollte grundsätzlich in den Standard-Gebühren für die  Behandlung enthalten sein. Die Honorare für Ärzt*innen müssen so bemessen sein, dass sie diesen Zusatz-Aufwand im Durchschnitt mit abdecken. Ökonomische Anreize für die einrichtungsübergreifende elektronische Übertragung und Speicherung von Diagnose- und  Behandlungsdaten sind abzulehnen.

2. Strikte Beachtung der Zweckbindung der Patientendaten

a. Die REGA ist keine Patientenakte nach § 630 f und g BGB (siehe Abschnitt A) und darf die gesetzliche Patientenakte nicht ersetzen. Die Nutzung technischer Strukturen der Krankenkassen oder Ärzteverbände darf nicht verpflichtend gemacht werden für die Speicherung von Patientenakten. Die Verantwortung für die Patientenakten von  niedergelassenen Ärzt*innen muss bei den betreffenden Ärzt*innen liegen und in einer ihnen ausgewählten und verantworteten technischen Infrastruktur bleiben. Es muss faktisch erreichbar sein, dass nur die verantwortliche Ärzt*innen selbst darauf Zugriff haben.
b. Auch für die REGA darf nicht die Nutzung einer bestimmten Infrastruktur verpflichtend vorgeschrieben werden
c. Forschung mit persönlichen medizinischen Daten bedarf der informierten Zustimmung der  betreffenden Patient*innen im jeweiligen Einzelfall. Dabei muss sichergestellt sein, dass die betreffenden Patient*nnen das Risiko kennn, auch bei Forschung mit pseudonymisierten oder “anonymisierten” Daten. Insbesondere muss ihnen bewusst sein, dass viele medizinische Daten so individuell sind, dass ihre zuverlässige Anonymisierung nicht möglich ist. Die erforderliche Einwilligung der Patient*innen zur Forschung mit ihren Daten kann nicht durch die Entscheidung einer Kommission ersetzt werden, die die Interessen der Betreffenden gegen die Interessen der Allgemeinheit abwägt. 
d. Die Forschung mit  Patientendaten ohne Einwilligung der Betroffenen, wie sie in § 303 f SGB V für die Abrechnungsdaten vorgesehen ist, lehnen wir ab. 
e. Bei der Benutzung einer REGA über eine zentrale Infrastruktur entstehen innerhalb dieser Infrastruktur Metadaten, zum Beispiel: Protokolldaten über Zugriffs-Daten, Zugriffs-Adressen, Dateianzahl und Dateigröße. Diese Daten können den Rückschluss auf die betroffene Person und ihre gesundheitlichen Probleme zulassen. Vor allem, wenn jemand sie mit weiteren Daten zusammenführen kann, z.B. mit ihren Google-Suchanfragen oder mit Zahlungsdaten. (Beispiel: Besuche bei Gynäkolog*innen in einem bestimmten Rhythmus können den Rückschluss auf eine Schwangerschaft ermöglichen.) Diese Metadaten dürfen nicht dem Plattform-Betreiber oder anderen zur Auswertung offenstehen, sondern müssen besonders geschützt werden.

3. Freie Arztwahl

Durch eine einrichtungsübergreifende elektronische Gesundheitsakte darf die freie Arztwahl nicht eingeschränkt werden. Alle Teile einer Gesundheitsakte müssen für jeden Behandler, bei dem die Patient*innen das wünschen, immer dann sichtbar sein, wenn die Patient*innen das wünschen. Einschränkungen der Sichtbarkeit durch andere Institutionen sollten verboten sein. (Ein (Negativ-)Beispiel wäre eine Gesundheitsakte im System einer Krankenkasse, die nur für bestimmte Ärzt*innen sichtbar ist und für andere nicht). „Geschlossene Systeme“ für bestimmte Krankenkassen, Klinikkonzerne, Arztgruppen usw. müssen ausgeschlossen sein
Ebenso muss es Patient*innen möglich sein, problemlos von einer REGA-Implementierung zu einer anderen zu wechseln (Interoperabilität). Diese Wechsel-Möglichkeit muss durch eine  geeignete öffentliche Standardisierung der REGA geschaffen werden. 
Die freie Arztwahl ist (wie das Arztgeheimnis) eines der wesentlichen sozialen Rechte der  Patient*innen, die nicht gefährdet oder preisgegeben werden dürfen. Nur durch Wahrung dieser Rechte ist sichergestellt, dass Patient*innen selbst ihre Untersuchungen und Behandlungen steuern können. Die Krankenkassen haben großes Interesse daran, die Steuerung zu übernehmen, um die Behandlungen möglichst standardisiert und kostengünstig zu gestalten.
Bei Aufhebung der freien Arztwahl könnten Krankenkassen Verträge mit Klinik-Konzernen  abschließen, die die Versorgung ganzer Patientengruppen günstig anbieten und zu diesem Zweck auch die Steuerung der Behandlungen übernehmen. (Da Klinikkonzerne vielfach auch Medizinische Versorgungszentren betreiben, können sie die ambulante Behandlung mit  abdecken.) Die betreffenden Patient*innen dürften dann nur noch Arztpraxen, Kliniken usw. des  jeweiligen Konzerns in Anspruch nehmen. Ein solcher “Verkauf” ganzer Patientengruppen an medizinische Konzerne ist in der USA gängige Praxis – mit der Folge, dass vertragliche Leistungen gekürzt wurden und die Versicherten um jede einzelne Behandlung kämpfen müssen. 
Die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung solcher Versorgungsmodelle liegen hierzulande seit der Einführung der eGK vor. In die Datenfelder der eGK können zusätzliche Merkmale (wie z.B. die Teilnahme an einem Selektiv-Vertrag) eingetragen werden. Dies ermöglicht die sofortige Unterscheidung von Patientengruppen am Empfang einer Arztpraxis und damit die Feststellung, wer wo behandelt werden darf.
Ähnliches erleben heute bereits die Teilnehmer am sogenannten Hausarztmodell: Um Facharztpraxen aufsuchen zu können, müssen sie erst eine Überweisung von ihrem Hausarzt/ihrer Hausärztin einholen. Ohne Überweisung werden sie von der Facharztpraxis weggeschickt, da schon beim Einlesen der eGK ersichtlich wird, dass sie am Hausarztmodell teilnehmen. So können sie z.B. bei akuten Schmerzen nicht gleich eine orthopädische Praxis aufsuchen, sondern müssen Verzögerungen in Kauf nehmen, bis sie eine Überweisung von ihrem Hausarzt/ihrer Hausärztin erhalten. Wir wollen verhindern, dass REGA diese Entwicklung fördern.

4. Das Recht, keine elektronische Gesundheitsakte zu haben

Wer keine elektronische Gesundheitsakte will, muss die Möglichkeit haben, keine elektronische Gesundheitsakte zu haben, und zwar
  • ohne dass der/die Betreffende unter Druck gesetzt werden kann, doch noch eine Akte anlegen zu lassen,
  • ohne dass er/sie sich für das Fehlen einer elektronischen Akte rechtfertigen muss und
  • ohne dass er/sie Nachteile bei der Behandlung zu befürchten hat
Dafür sind gewisse Rahmenbedingungen erforderlich:
a. Es darf für Ärzt*innen nicht feststellbar sein, ob es eine, mehrere oder keine elektronische Gesundheitsakte über die Patientin/den Patienten gibt. Eine unbedingt erforderliche Mitwirkung der betreffenden Patient*innen beim Identifizieren ihrer Akte(n) muss gewährleistet sein. Nur dadurch ist das Recht auf KEINE elektronische Akte zu sichern. 
b. Bei einrichtungsübergreifenden elektronischen Akten im Gesundheitsbereich darf nicht die Nutzung einer bestimmten Infrastruktur gefordert werden. Vielmehr müssen unterschiedliche technische Infrastrukturen, vernetzte und dezentrale, von jeweils mehreren Anbietern  verfügbar sein. Nur so lässt sich vermeiden, dass es “die eine Stelle” gibt, an der die Akte  standardmäßig zu finden ist – und nachgefragt wird, warum dort keine vorhanden ist. 
Außerdem ist bei einem Monopol die Gefahr der Zentralisierung und “Zwangsbeglückung” größer als bei einer Vielfalt an Angeboten. § 68 SGB V ist beizubehalten, um diese Vielfalt zu ermöglichen.
c. Die Rolle der Gematik sollte schnellstens geändert werden, indem ihr jede Verantwortung für den Betrieb einer Infrastruktur entzogen wird. Die Gematik soll Anwendungen und Schnittstellen nach höchsten Sicherheits- und Datenschutzstandards normieren und prüfen, auch solche für Handies oder USB-Sticks in der Hand der Patient*innen. Der   institutionsübergreifende IT-Betrieb sollte weiterhin von Ärzte- und Krankenkassen-Verbänden geleistet werden. Die „Telematik-Infrastruktur“ der Gematik sollte abgebaut werden. Auf keinen Fall darf sie eine Monopolstellung einnehmen. Als “öffentliche Infrastruktur” wird sie vom Gesetzgeber bevorzugt behandelt werden. Das heißt, bei der elektronischen  Gesundheitsakte der Gematik-Infrastruktur ist die Gefahr am größten, dass sie auf das Opt-out-Verfahren umgestellt oder (rechtlich oder faktisch) verpflichtend gemacht wird. 

5. Volle Verfügung über die eigene Akte 

a. Patient*innen, die sich für eine elektronische Gesundheitsakte entscheiden, müssen die  Verfügungsgewalt über ihre Daten behalten. Sie müssen selbständigen Zugriff darauf haben und die technische Möglichkeit, uneingeschränkt Daten zu lesen, schreiben, löschen oder verbergen. Die Authentizität der Daten kann über Signaturen gesichert werden, so dass Ärzt*innen sehen können, ob die betreffende Patientin/ der betreffende Patient in einen Datenbestand eingegriffen hat. Wir lehnen es ab, dass Ärzt*innen ohne Mitwirkung der  Betroffenen auf die REGA zugreifen und sie ändern. Die Betroffenen hingegen müssen ohne Mitwirkung von Ärzt*innen wie beschrieben zugreifen können. Das “zweiSchlüssel-Prinzip” in § 291a Abs. 5 SGB V lehnen wir ab, weil es verhindert, dass Patient*innen alleine auf ihre REGA zugreifen können.
b. Durch die rechtliche und technische Möglichkeit, Daten aus ihrer Akte zu löschen, können Patient*innen ihr „Recht auf Vergessen“ (DSGVO) umsetzen. 
Dazu müssen Patient*innen das Recht und die technische Möglichkeit haben, die Daten einer Institution komplett zu löschen, ohne dass dies für eine andere Institution erkennbar ist. (Da Ärzt*innen die Authentizität von Einträgen anhand elektronischer Signaturen prüfen und daher Änderungen bemerken, ist das Entfernen der gesamten Daten eines Behandlers die einzig praktikable Möglichkeit für unsichtbares Löschen.)
c. Es muss sichergestellt werden, dass eigene Geräte der Patient*innen (zum Beispiel ihre Handies oder USB-Sticks) genutzt werden können zur Sichtbarmachung, Ergänzung und Löschung von Daten und zur Datenübertragung von einer Institution zur anderen. Die Krankenkassen müssen verpflichtet werden, Versicherte ohne ausreichende Mittel auf Wunsch mit solchen dezentralen Geräten auszustatten. 
d. Ein barrierefreier Zugang zu den eigenen Daten in der REGA muss auch ohne Nutzung dezentraler Geräte möglich sein. Hierfür sind alternative Zugriffsmöglichkeiten, z.B. über Kiosk-Systeme in den Geschäftsstellen der Krankenkassen, vorzusehen

 

Ein Gedanke zu „Forderungen zur einrichtungsübergreifenden E-Gesundheitsakte“

  1. …auf der einen Seite der oberflächliche Vorteil des geplanten „Bürgerportals“ für die Bürger.
    Auf der anderen Seite die Möglichkeiten des Missbrauchs, staatlicher und wirtschaftlicher
    Interessen. Die Vorteile lassen sich einfach darstellen.
    Die Darstellung der Gefahren füllen etliche DIN-A4 Seiten.
    Flankiert durch nachträgliche Gesetzesänderungen
    die den Grundsatz der Informationellen Selbstbestimmung
    den wirtschaftlichen und Staatsschutz Interessen opfern möchten.

    Grund des Widerstands ist auch, das berechtigte Misstrauen, in die Glaubwürdigkeit der Veranstalter
    der belegbaren mangelhaften Sorgfalt in der datentechnischen Durchführung.
    und den, egal ob bewusst oder durch Nachlässigkeit entstandenen „Hintertüten“ für nicht offiziell
    genannte Datenabschöpfer, wie Organe der Staatssicherheit, egal aus welchem Land.
    Es gibt keinen Datenschutz, es ist nur die Frage: wer darf und wer kann sich Zugriff verschaffen!
    Solange das Primat der Politik, in wesentlichen Bereichen des sozialen Miteinanders von der Wirtschaft dominiert wird gilt: wie überall zu erkennen ist, Gewinnmaximierung!
    Das ist keine Grundlage zur Vertrauensbildung!
    Ciao Frank

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