Antworten von FDP-Kandidat Manuel Höferlin

1. Der Aufbau der Telematik-Infrastruktur für das Gesundheitswesen (TI) hat bereits etliche Milliarden an Versichertenbeiträgen gekostet. Allein für die Konnektoren, die die Arztpraxen an das System anbinden, wurden 2 Milliarden ausgegeben (vgl. https://www.heise.de/select/ct/2021/12/2102214270901973259). Bislang funktioniert nur das Versichertenstammdatenmanagement (und das auch nicht immer), das die Adresse auf der Gesundheitskarte aktualisiert.
Künftig soll dieses System durch die sog. „TI 2.0“ (https://www.gematik.de/fileadmin/user_upload/gematik/files/Presseinformationen/gematik_Whitepaper_Arena_digitale_Medizin_TI_2.0_Web.pdf) abgelöst werden, so dass die bisher installierte Hard- und Software durch neue ersetzt werden muss.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie beurteilen Sie die Kostenentwicklung, die die Telematik-Infrastruktur bisher verursacht hat?
– Und wie bewerten sie die durch die TI 2.0 (https://www.gematik.de/fileadmin/user_upload/gematik/files/Presseinformationen/gematik_Whitepaper_Arena_digitale_Medizin_TI_2.0_Web.pdf) verursachten weiteren Kosten, die der Versichertengemeinschaft entstehen?

Letztlich ist die Problematik der Kostenentwicklung bei der TI das gleiche wie bei den Kostenproblemen fast aller Digitalisierungsprojekte der öffentlichen Hand. Die Grundidee ist gut und als Freie Demokraten unterstützen wir die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Jedoch hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass der Bund kein guter Projektmanager ist.
Ich fordere daher schon lange ein Digitalministerium, in dem u.a. Projekte der Digitalisierung gebündelt und siloübergreifend koordiniert werden.

2. Künftig soll die Authentifizierung von Versicherten sowie Behandlerinnen und Behandlern in der Telematik-Infrastruktur über „digitale Identitäten“ erfolgen, die keine elektronische Gesundheitskarte der Versicherten und keine Konnektoren in den Arztpraxen mehr erfordern. Die technischen Grundlagen für diese Änderung sollen in der kommenden Wahlperiode des Bundestags geschaffen werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie bewerten Sie die (sanktionsbewehrte! – siehe § 291b Abs. 5 SGB V) Pflicht von Ärzten, Psychotherapeuten, Apotheken und anderen Anbietern im Gesundheitswesen, sich jetzt trotzdem noch mit Konnektoren an die Telematik-Infrastruktur anzuschließen?
– Halten Sie eine rein Software-basierte Lösung für ebenso sicher wie die bisherige Infrastruktur?

Bei der aktuellen Geschwindigkeit der Bundesregierung was Projekte der Digitalisierung angeht, wird die tatsächliche Umsetzung von digitalen Identitäten, fürchte ich, noch andauern. Vor diesem Hintergrund ist ein Anschluss an die TI vermutlich vorerst sinnvoll.
Eine rein auf Software basierende Lösung kann auch den nötigen Sicherheitsstandard liefern. Das hängt letztlich maßgeblich von der jeweiligen Software ab und diese muss selbstverständlich –genauso wie Hardware-Lösungen- auch fortlaufend weiterentwickelt werden.

3. Der Zugriff auf Informationen in der Telematikinftrastruktur über das eigene Handy ist für Versicherte bequem, aber riskant. Derzeit soll ein Handy-Zugriff auf Rezepte und auf die Elektronische Patientenakte ermöglicht werden. Nach Einführung der digitalen Identitäten könnte das Smartphone das einzige Zugangsmittel zu lebenswichtigen Gesundheitsdaten werden. Auf normalen Smartphones ist es nicht möglich, einen unbefugten Zugriff auf Daten zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie beurteilen Sie die Nutzung von Smartphones zur nicht anonymisierten Speicherung von Gesundheitsdaten der gesetzlich Versicherten?

Der Schutz von Daten bzw. dem Zugriff auf Daten auf einem Smartphone lässt sich durchaus auf einem akzeptablen Sicherheitsniveau lösen. Wir sehen das beispielsweise bei Banking Apps.
Selbstverständlich muss bei sensiblen Gesundheitsdaten ein höchstmögliches Maß an Sicherheit mit gleichzeitiger Benutzerfreundlichkeit angelegt werden.

4. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) hat kürzlich ein Gutachten unter dem Titel „Digitalisierung für Gesundheit – Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems“. Darin wird eine eine radikale Abkehr vom bisherigen Prinzip der Freiwilligkeit bei der Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) gefordert. Künftig solle für alle Versicherten ab Geburt bzw. ab Zuzug aus dem Ausland per Gesetz und ohne vorherige Einwilligung eine ePA erstellt werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie bewerten Sie diese Position des Sachverständigenrats?
– Werden Sie diese Positionierung im Gesetzgebungsverfahren in den kommenden Wahlperiode unterstützen oder haben Sie dazu eine abweichende Position?

Meine Position hierbei wird letztlich entscheidend von der Umsetzung der elektronischen Patientenakte abhängen. Als Freie Demokraten sehen wir die Digitalisierung im Gesundheitswesen als guten Schritt zu einer modernen Versorgung der Patientinnen und Patienten. Eine elektronische Patientenakte bietet umfassende Vorteile sowohl für PatientInnen als auch für das Gesundheitssystem als solches.
Selbstverständlich muss hierbei aber das nötige Niveau an IT-Sicherheit und Datenschutz gewahrt werden. Darüber hinaus muss die ePA auch fortwährend weiter entwickelt werden bzw. zunächst einmal ursprünglich versprochene Funktionen umgesetzt werden. Es muss beispielsweise möglich sein, Daten selektiv freizugeben statt dem reinen „alles oder nichts“-Ansatz.

5. Der Sachverständigenrat fordert in seinem Gutachten zudem, dass künftig auch die Gesundheits- und Behandlungsdaten, die in den ePA der einzelnen Versicherten gespeichert sind, per Gesetz und ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen für Forschungszwecke genutzt werden dürfen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie bewerten Sie diese Position des Sachverständigenrats?
– Werden Sie diese Positionierung im Gesetzgebungsverfahren in den kommenden Wahlperiode unterstützen oder haben Sie dazu eine abweichende Position?

Als Freie Demokraten sehen wir die Innovationschancen, die in Daten und ganz besondere in Big Data liegen. Gesundheitsdaten bieten viele Möglichkeiten, von denen letztlich alle profitieren: Beispielsweise könnten bessere Frühwarnsysteme für Schlaganfälle entstehen oder die Versorgung und Behandlung von Diabetes verbessert werden.
Unabhängig von diesem konkreten Fall fordere ich schon länger eine moderne Datenpolitik. Denn letztlich wollen wir Menschen schützen und nicht Daten. Dafür können beispielsweise Methoden zur Anonymisierung oder Pseudonymisierung genutzt werden oder sogar direkt mit synthetischen Daten gearbeitet werden.

6. In der jetzigen Legislaturperiode wurde der Aufbau von Datenbanken beschlossen, in denen die Daten von Patientinnen und Patienten ohne deren Einverständnis gesammelt werden. Bisher geschieht das für die Leistungsdaten der Krankenkassen ( „Forschungsdatenbank“ – §§ 303 a – f SGB V https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/BJNR024820988.html#BJNR024820988BJNG008700308 ) und für alle Behandlungen mit Bezug zu Implantaten („Implantateregistergesetz – http://www.gesetze-im-internet.de/iregg/BJNR249410019.html“).
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie bewerten Sie bisher geschaffenen Patientendaten-Pools, die ohne vorherige Einholung der Zustimmung der Betroffenen befüllt werden?
– Plädieren Sie ggf. für weitere Patientendaten-Pools, die ohne vorherige Einholung der Zustimmung der Betroffenen befüllt werden?
– Wenn Ja – in welchen Bereichen bzw. mit welchen Daten?

Gesundheitsdaten sind äußerst sensible Daten und dürfen daher ohne Einverständnis lediglich in anonymisierter bzw. pseudonymisierter Form verarbeitet werden. Allgemein betrachtet sprechen wir Freien Demokraten uns für eine moderne Datenpolitik aus; denn letztlich wollen wir nicht Daten, sondern Menschen schützen.

7. Gemäß einem Antrag der Grünen zur regionalen integrierten Versorgung ( https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/218/1921881.pdf ) sollen bis zum Jahr 2025 10 % der Bevölkerung in „Gesundheitsregionenverträgen“ versorgt werden.
„Integrierte Versorgung“ bedeutet, die Versicherten gehen nicht einfach bei Bedarf zum Arzt, sondern die medizinische Versorgung wird von regionalen Management-Gesellschaften gesteuert. Deren Träger könnten Versicherungen, Kommunen, Kassenärztliche Vereinigungen oder Unternehmen sein. Vor allem im letzten Fall erwarten Kritiker eine Entwicklung wie bei der Krankenhausprivatisierung (Konzern-Gewinne zulasten der Patienten und Beschäftigten). Die regionale Vernetzung setzt übergreifende elektronische Patienten- bzw. Fallakten voraus, auf welche die Behandler und die Mitarbeiter der Managementgesellschaften der Gesundheitsregionenverträge Zugriff haben. Zur Verbesserung der Versorgungsqualität sollen die Managementgesellschaften außerdem Zugriff auf die „Forschungsdatenbank“ erhalten. Diese besteht aus den Abrechungsdaten (inkl. der Diagnosen), welche bei den Krankenkassen über die einzelnen Versicherten vorliegen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie sehen Sie die Übertragung der medizinischen Versorgung an regionale Management-Gesellschaften („Integrierte Versorgung“)?
– Wie sehen Sie die erweiterte Nutzung von Patientendaten, die ursprünglich nicht für Management- bzw. Forschungszwecke erhoben wurden?

Das Gesundheitssystem braucht keinesfalls noch weitere Bürokratie. Das System muss entschlackt werden, sodass mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten bleibt. Denn das ist Kernaufgabe des Gesundheitswesens.

8. Zur Bewältigung der Corona-Pandemie wurde zum 1. Juli 2021 EU-weit ein digitales Impfzertifikat eingeführt. Nicht gesetzlich geregelt ist, wofür es innerhalb der BRD eingesetzt werden darf, d.h. wer zu welchen Zwecken seine Vorlage verlangen kann.
Während der Pandemie wurde vielfach gesagt, der Datenschutz verhindere eine effektive Bekämpfung der Pandemie z.B. durch Apps oder durch die Kontaktverfolgung von Handies mit Funkzellenabfragen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Sollte die Nutzung des digitale Impfzertifikats gesetzlich geregelt werden, und mit welchem Inhalt?
– Würden Sie bei zukünftig ggf. notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung von pandemischen Gesundheitsgefährdungen den Datenschutz anders gewichten, als bisher?

Man muss für eine effektive digitale Pandemiebekämpfung den Datenschutz nicht anders gewichten. Die Corona-Warn-App zeigt, dass beispielsweise die Kontaktnachverfolgung auch datenschutzkonform und sehr datensparsam funktioniert.
Der Einsatz digitaler Tools scheitert nicht am Datenschutz, sondern an der fehlenden Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung (z.B. in den Gesundheitsämtern) sowie der Langatmigkeit der Bundesregierung beim Einsatz digitaler Tools (z.B. lange Verzögerung bis zum Launch der Corona-Warn-App).

Patientenrechte und Datenschutz e.V.