Antworten von FDP-Kandidat Dr. Andrew Ullmann

1. Der Aufbau der Telematik-Infrastruktur für das Gesundheitswesen (TI) hat bereits etliche Milliarden an Versichertenbeiträgen gekostet. Allein für die Konnektoren, die die Arztpraxen an das System anbinden, wurden 2 Milliarden ausgegeben (vgl. https://www.heise.de/select/ct/2021/12/2102214270901973259). Bislang funktioniert nur das Versichertenstammdatenmanagement (und das auch nicht immer), das die Adresse auf der Gesundheitskarte aktualisiert.
Künftig soll dieses System durch die sog. “TI 2.0” (https://www.gematik.de/fileadmin/user_upload/gematik/files/Presseinformationen/gematik_Whitepaper_Arena_digitale_Medizin_TI_2.0_Web.pdf) abgelöst werden, so dass die bisher installierte Hard- und Software durch neue ersetzt werden muss.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie beurteilen Sie die Kostenentwicklung, die die Telematik-Infrastruktur bisher verursacht hat?
– Und wie bewerten sie die durch die TI 2.0 (https://www.gematik.de/fileadmin/user_upload/gematik/files/Presseinformationen/gematik_Whitepaper_Arena_digitale_Medizin_TI_2.0_Web.pdf) verursachten weiteren Kosten, die der Versichertengemeinschaft entstehen?

Wir Freie Demokraten wollen die Digitalisierung im Gesundheitswesen durch klare und transparente Rahmenbedingungen voranbringen. Dazu benötigen wir offene Standards, Interoperabilität und Datensicherheit. Die Vernetzung zwischen allen Gesundheitsakteuren sowie Patientinnen und Patienten muss digital ausgestaltet sein. Nur so ist eine schnelle Verfügbarkeit der Patientinnen- und Patientendaten sicherzustellen. Die Digitalisierung ist kein Wert an sich, sondern sie hat das Potential den Arbeitsalltag von allen Gesundheitsakteuren zu erleichtern. Wir Freie Demokraten stehen für Innovationen. In der Telematik-Infrastruktur begrüßen wir Überlegungen zum besseren Datenschutz und die mobile Nutzbarkeit. Zudem lassen sich durch eine konsequente Digitalisierung im Gesundheitswesen Milliarden Euro sparen und auch ein immenser Nutzen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten ist zu erwarten.

2. Künftig soll die Authentifizierung von Versicherten sowie Behandlerinnen und Behandlern in der Telematik-Infrastruktur über “digitale Identitäten” erfolgen, die keine elektronische Gesundheitskarte der Versicherten und keine Konnektoren in den Arztpraxen mehr erfordern. Die technischen Grundlagen für diese Änderung sollen in der kommenden Wahlperiode des Bundestags geschaffen werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie bewerten Sie die (sanktionsbewehrte! – siehe § 291b Abs. 5 SGB V) Pflicht von Ärzten, Psychotherapeuten, Apotheken und anderen Anbietern im Gesundheitswesen, sich jetzt trotzdem noch mit Konnektoren an die Telematik-Infrastruktur anzuschließen?
– Halten Sie eine rein Software-basierte Lösung für ebenso sicher wie die bisherige Infrastruktur?

Wir Freie Demokraten stehen für gute Angebote. Wir wollen die Telematik-Infrastruktur so ausbauen, dass jede Person im Gesundheitswesen gerne damit arbeitet. Datenschutz ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir sehen den Fortschritt der Technik, der neue Formen der Arbeit ermöglicht. Wir gehen des Weiteren davon aus, dass die Sofware-basierten Lösungen im Gesundheitswesen dem höchsten Sicherheitsstandard entsprechen und mithin der Schutz der Patientendaten gegeben ist.

3. Der Zugriff auf Informationen in der Telematikinftrastruktur über das eigene Handy ist für Versicherte bequem, aber riskant. Derzeit soll ein Handy-Zugriff auf Rezepte und auf die Elektronische Patientenakte ermöglicht werden. Nach Einführung der digitalen Identitäten könnte das Smartphone das einzige Zugangsmittel zu lebenswichtigen Gesundheitsdaten werden. Auf normalen Smartphones ist es nicht möglich, einen unbefugten Zugriff auf Daten zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie beurteilen Sie die Nutzung von Smartphones zur nicht anonymisierten Speicherung von Gesundheitsdaten der gesetzlich Versicherten?

Im Gesundheitswesen wird häufig noch mit Faxen gearbeitet. Diese Form der Kommunikation ist weder sicher noch zeitgemäß. Wir stehen für eine moderne Gesundheitspolitik. Wir stehen für Schutz der Patientendaten. Wir werden beides in Einklang bringen.

4. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) hat kürzlich ein Gutachten unter dem Titel „Digitalisierung für Gesundheit – Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems“. Darin wird eine eine radikale Abkehr vom bisherigen Prinzip der Freiwilligkeit bei der Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) gefordert. Künftig solle für alle Versicherten ab Geburt bzw. ab Zuzug aus dem Ausland per Gesetz und ohne vorherige Einwilligung eine ePA erstellt werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie bewerten Sie diese Position des Sachverständigenrats?
– Werden Sie diese Positionierung im Gesetzgebungsverfahren in den kommenden Wahlperiode unterstützen oder haben Sie dazu eine abweichende Position?

Wir Freie Demokraten schätzen den Sachverständigenrat für seine Arbeit sehr. Der Sachverständigenrat hat unserer Ansicht nach, keine verpflichtende Nutzung der ePA gefordert.

5. Der Sachverständigenrat fordert in seinem Gutachten zudem, dass künftig auch die Gesundheits- und Behandlungsdaten, die in den ePA der einzelnen Versicherten gespeichert sind, per Gesetz und ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen für Forschungszwecke genutzt werden dürfen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie bewerten Sie diese Position des Sachverständigenrats?
– Werden Sie diese Positionierung im Gesetzgebungsverfahren in den kommenden Wahlperiode unterstützen oder haben Sie dazu eine abweichende Position?

6. In der jetzigen Legislaturperiode wurde der Aufbau von Datenbanken beschlossen, in denen die Daten von Patientinnen und Patienten ohne deren Einverständnis gesammelt werden. Bisher geschieht das für die Leistungsdaten der Krankenkassen ( “Forschungsdatenbank” – §§ 303 a – f SGB V https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/BJNR024820988.html#BJNR024820988BJNG008700308 ) und für alle Behandlungen mit Bezug zu Implantaten (“Implantateregistergesetz – http://www.gesetze-im-internet.de/iregg/BJNR249410019.html”).
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie bewerten Sie bisher geschaffenen Patientendaten-Pools, die ohne vorherige Einholung der Zustimmung der Betroffenen befüllt werden?
– Plädieren Sie ggf. für weitere Patientendaten-Pools, die ohne vorherige Einholung der Zustimmung der Betroffenen befüllt werden?
– Wenn Ja – in welchen Bereichen bzw. mit welchen Daten?

Fragen 5&6 werden wegen Sachverhalts zusammen beantwortet:
Wir Freie Demokraten wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen und den Forschungsstandort Deutschland stärken. Im Rahmen der Digitalisierung im Gesundheitswesen werden wichtige Daten zum individuellen Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten gesammelt. Diese Daten bilden ein enormes Potential für die Gesundheitsforschung in unserem Land. Durch künstliche Intelligenz können aus Gesundheitsdaten Krankheitsbilder wie Tumorerkrankungen sowie seltene Erkrankungen frühzeitig erkannt und personalisiert behandelt werden. Wir fordern daher, dass die Nutzung von Gesundheitsdaten grundsätzlich vollständig ermöglicht und die Datenspende auch für die private Forschung nutzbar gemacht wird. Dabei bedarf es jeweils der Einwilligung der Patientin oder des Patienten oder des Ausschlusses der Rückverfolgbarkeit des Personenbezugs.

7. Gemäß einem Antrag der Grünen zur regionalen integrierten Versorgung ( https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/218/1921881.pdf ) sollen bis zum Jahr 2025 10 % der Bevölkerung in „Gesundheitsregionenverträgen“ versorgt werden.
“Integrierte Versorgung” bedeutet, die Versicherten gehen nicht einfach bei Bedarf zum Arzt, sondern die medizinische Versorgung wird von regionalen Management-Gesellschaften gesteuert. Deren Träger könnten Versicherungen, Kommunen, Kassenärztliche Vereinigungen oder Unternehmen sein. Vor allem im letzten Fall erwarten Kritiker eine Entwicklung wie bei der Krankenhausprivatisierung (Konzern-Gewinne zulasten der Patienten und Beschäftigten). Die regionale Vernetzung setzt übergreifende elektronische Patienten- bzw. Fallakten voraus, auf welche die Behandler und die Mitarbeiter der Managementgesellschaften der Gesundheitsregionenverträge Zugriff haben. Zur Verbesserung der Versorgungsqualität sollen die Managementgesellschaften außerdem Zugriff auf die “Forschungsdatenbank” erhalten. Diese besteht aus den Abrechungsdaten (inkl. der Diagnosen), welche bei den Krankenkassen über die einzelnen Versicherten vorliegen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Wie sehen Sie die Übertragung der medizinischen Versorgung an regionale Management-Gesellschaften (“Integrierte Versorgung”)?
– Wie sehen Sie die erweiterte Nutzung von Patientendaten, die ursprünglich nicht für Management- bzw. Forschungszwecke erhoben wurden?

Den benannten Antrag der Grünen habe ich abgelehnt. Ebenso lehne ich pauschale Aussagen ab, wie jene, dass private Krankenhäuser Unternehmensgewinne über das Wohl der Patientinnen und Patienten stellt. Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf an all jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die in privaten Krankenhäusern arbeiten und sich aufopferungsvoll um das Patientenwohl sorgen.

8. Zur Bewältigung der Corona-Pandemie wurde zum 1. Juli 2021 EU-weit ein digitales Impfzertifikat eingeführt. Nicht gesetzlich geregelt ist, wofür es innerhalb der BRD eingesetzt werden darf, d.h. wer zu welchen Zwecken seine Vorlage verlangen kann.
Während der Pandemie wurde vielfach gesagt, der Datenschutz verhindere eine effektive Bekämpfung der Pandemie z.B. durch Apps oder durch die Kontaktverfolgung von Handies mit Funkzellenabfragen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie:
– Sollte die Nutzung des digitale Impfzertifikats gesetzlich geregelt werden, und mit welchem Inhalt?
– Würden Sie bei zukünftig ggf. notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung von pandemischen Gesundheitsgefährdungen den Datenschutz anders gewichten, als bisher?

Wir Freie Demokraten begrüßen die Einführung des elektronischen Impfpasses 2022 im Rahmen der elektronischen Patientenakte. Wir werden auch weiterhin die Patienten und die Daten der Patienten schützen. Eine abschließende und vollumfängliche Regelung, wie ein Impfzertifikat eingesetzt oder wo es verlangt werden kann, wird alleine auf Grundlage der föderalen Struktur der Bundesrepublik nicht möglich sein.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Datenschutzgrundverordnung geben den Rahmen vor und entsprechend gewichte ich den Datenschutz eben in diesem Ermessensraum. Daran hat sich auch durch die Pandemie nichts geändert.

Patientenrechte und Datenschutz e.V.