Terminsbericht und Hilferuf

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Erörterungstermin in der Berufungsinstanz beim ersten Kläger gegen die EGK

Am Donnerstag, dem 2.10.2014 hatte Sven, Kläger gegen die Elektronische Gesundheitskarte, seinen nicht öffentlichen Erörterungstermin beim Landessozialgericht NRW in Essen. Er ist auf seinem Weg zum Bundesverfassungsgericht bei Schritt 3 von 5. Zweite Instanz der Sozialgerichtsbarkeit. Er verweigert die Karte vor allem wegen Bedenken gegen die Übertragung von medizinischen Daten (Teilnahme an Disease Management Programmen, DMP) beim Stammdatenabgleich. Und beim Elektronischen Rezept, die beide laut Gesetz nicht freiwillig sind. Alle Rezepte sollen, laut öffentlicher Dokumentation der Betreibergesellschaft Gematik, über das Internet übertragen, auf Servern gespeichert und von dort von den Apotheken abgerufen werden. Ferner befürchtet Sven, dass ein faktischer Zwang zur Nutzung einer elektronischen Patientenakte entsteht, wenn die technische Möglichkeit dazu vorhanden ist. Die künftige Frage an ihn, ob er eine solche sog. Gesundheitsakte haben will, und die Speicherung seiner Antwort darauf seien nicht akzeptabel. Er verlangt vor Gericht, ohne EGK behandelt zu werden.

Bei Gelegenheit der Verhandlung wurde eine Taktik der Krankenkassen deutlich. Die Versicherte wie ihn auf Jahre hinaus entmutigen könnte. Aktive und informierte Versicherte wie er werden seit einiger Zeit problemlos ohne irgendeine Chipkarte auf Kosten der Krankenkasse behandelt. Mit Papierausweisen, die ihnen zugeschickt werden. Und die ihre Ärzte problemlos akzeptieren. Ihre Prozesse gegen die EGK sollen beendet werden, weil sie nichts beantragen können, was sie nicht sowieso bekommen. Keine Beschwer vorhanden. Klage wird abgewiesen.

Allen anderen Versicherten wird gleichzeitig Tod und Teufel in Aussicht gestellt, wenn sie kein Foto für die EGK einschicken. Weil sie die Karte nicht haben wollen. Privatabrechnung der Ärzte, alles selbst zahlen, das sei die Alternative. Klage ginge nicht, sagen ihnen Ärzte und Krankenkassen. Damit sind schon sehr viele Protestierende zur Nutzung der EGK erpresst worden.

Sven dagegen kann, nach rechtsverbindlicher Zusage seiner Krankenkasse, weiter Papierausweise nutzen, mit denen er keine Probleme hat. Um die Klagabweisung zu verhindern, haben Sven und ich mit der Gegenseite vereinbart, dass sein Verfahren bis auf Weiteres ruht. Wir prüfen in 6 Monaten, ob wir das Verfahren wieder aufnehmen oder nicht. Jedenfalls bis durch Gesetz oder Verbandsbeschlüsse was neues kommt.


Verfahren beim Bundessozialgericht

Gleichzeitig lassen die Krankenkassen ein weiteres Verfahren gegen die EGK weiter laufen. Kläger ist F.-J. S., wo der offensichtlich ahnungslose Kläger pauschale und dumme Einwendungen gegen die EGK erhebt. Der ist als Einziger eine Instanz weiter, bei Schritt 4 von 5, beim Bundessozialgericht, obwohl er später geklagt hatte. Bei F.-J. S., der jeden Kontakt mit Datenschützern ablehnt, könnte noch in diesem Jahr eine Entscheidung fallen. Und eine Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht kurze Zeit später. Da F.-J. S. unqalifiziert vorträgt und keinerlei Öffentlichkeitsarbeit macht, ist das Ergebnis wenig zweifelhaft: Abweisung.

Diese Entscheidungen können auf Jahre hinaus die Rechtsprechung prägen. Die Krankenkassen behalten sich das Recht vor, bei Sven und den anderen Aktiven die Ausstellung der Papierausweise zu beenden. Das könnten sie anschließend tun. So dass es die Opposition, gegen die Gesundheitsakte und im Netz gespeichertes Rezept, Jahre lang ziemlich schwer hätte.

Das kann durchkreuzt werden. Wenn F.-J. S. beim Bundessozialgericht unterliegt, werden Gematik und Kassen eine Pressekampagne starten. Die Öffentlichkeit muss vorbereitet sein. Sie braucht nur zu fragen: Wieso kriegen alle anderen Kläger Papierausweise - werde ohne EGK usw. behandelt - haben deswegen kein Rechtsschutzinteresse - können nicht zum Bundessozialgericht und nicht zum Verfassungsgericht - aber F.-J. S. kann als Einziger seinen Prozess nach oben bringen? Wieso kriegt der denn keine Papierausweise? Wenn die Frage gestellt wird, platzt die Taktik. Die Frage ist, können wir dafür sorgen, dass die Frage gestellt wird, öffentlichkeitswirksam.


Freiwillige Anwendungen

Es gibt die Meinung, nach dem erfolgreichen Rollout der EGK und ihrer Infrastruktur könnte es weitere Ansatzpunkte für wirksame gemeinsame Gegenwehr von Patienten und Ärzten gegen Gesundheits-Verdatung geben. Ich glaube nicht daran. Freiwillige Anwendungen, in dem Sinne, wie Benutzung von Google freiwillig ist, die wird es nie geben.

Wegen des Machtgefälles im Verhältnis zwischen Patient , Behandlern und Institutionen kann bei medizinischen Anwendungen von echter Freiwilligkeit keine Rede sein. Der Wunsch, eine freiwillige Anwendung zu nutzen, wird regelmässig nicht vom Patienten, sondern vom Arzt und Krankenhaus kommen. Die störungsfreie Behandlung des Not leidenden Patienten hängt von seiner Zustimmung ab. Das ist bereits jetzt so bei den Chroniker-Programmen, wo sechs Millionen Versicherte massiven Weitergaben von Gesundheitsdaten zustimmen (siehe § 137 f Abs. 3 Satz 2 SGB V.), um ihr gutes Verhältnis zu ihrem Arzt zu erhalten. Für Ärzte sind diese Programme finanziell vorteilhafter, als die Behandlung ausserhalb eines Chronikerprogramms. Sie erklären den Patienten, dass eine gute Behandlung nur mit dieser Datenweitergabe möglich ist, und sie ihr zustimmen mögen, um gut behandelt zu werden. Das wird der typische Fall auch für freiwillige Anwendungen der EGK sein. Der Schutz der informationellen Patientenrechte muss bei freiwilligen Anwendungen am selben Maßstab gemessen werden, wie Pflichtanwendungen.

Die so genannte Freiwilligkeit der Zustimmung eines Patienten in Not, dessen Konsens mit seinem Arzt von dieser Zustimmung abhängt, ist kein valider Grund für Verschlechterungen in seinem informationellen Selbstbestimmungs­recht. Es ist davon auszugehen, dass jeder Versicherte eines Tages genötigt sein kann, die elektronische Gesundheitsakte (oder Fallakte) zu benutzen.

Es ist nicht geplant, bei Inbetriebnahme der Elektronischen Gesundheitsakte oder Fallakte alle Patienten zu fragen, ob sie sie haben wollen. Es ist nicht vorgesehen, dass die Patienten dann über Chancen und Risiken belehrt und nach Zustimmung zu ihrer Nutzung gefragt werden. Sie werden erst dann um ihre Zustimmung gebeten, zur elektronischen Gesundheits- oder Fallakte, wenn sie krank sind, und wenn der Arzt möchte, dass sie unterschreiben. Damit er sie angemessen behandeln kann. Dann ist es zu spät, Bedenken rechtlich geltend zu machen. Ohne konkreten Anlass wird man gar nicht nach der Zustimmung zu freiwilligen Anwendungen gefragt. Das ist nicht mehr vorgesehen.

Deshalb ist der Rollout der Infrastruktur der letzte geeignete Zeitpunkt für massenhafte gemeinsame Gegenwehr von PatientInnen und ÄrztInnen. Danach geht nur noch: Gründung einer eigenen Krankenkasse.


Fazit

Kann jemand helfen?

Ich meine damit, jemand mit einem brauchbaren Presseverteiler und der Bereitschaft, ihn zu benutzen, und jemand, die/der aus dem Obigen eine kurze und knappe Pressemitteilung macht. Das erste habe ich nicht und das zweite ist mit meiner Rolle als Svens Anwalt nicht ohne Weiteres vereinbar.

Rückhaltslose Unterstützung ist hiermit versprochen.