Vorgehen Boykott/Klage, Entwurf 2014

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Bisherige Krankenversichertenkarte und elektronische Gesundheitskarte („eGK“) im Vergleich

Der offensichtlichste Unterschied zwischen alter und neuer Karte ist, dass auf der Vorderseite der eGK nunmehr ein Foto des Versicherten aufgebracht ist. Damit soll verhindert werden, dass sich andere Personen als der Versicherte ausgeben und so Leistungen erschleichen. Allerdings haben die Krankenkassen die Fotos auf die eGK aufdrucken lassen, ohne zu prüfen, ob sie tatsächlich die Versicherten zeigen, weswegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung die 2013/14 ausgegebenen eGK allesamt für ungültig hält (siehe http://www.abendblatt.de/politik/article124506280/Haben-die-Krankenkassen-auf-die-falsche-Karte-gesetzt.html). Ausnahmsweise werden auch eGK ohne Foto ausgestellt, und zwar für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre, bettlägerig Kranke und Personen, die Fotos aus religiösen Gründen ablehnen.

Ein sicheres Erkennungsmerkmal der eGK – selbst wenn es sich um ein Exemplar ohne Foto handelt - ist die neue Krankenversichertennummer. Sie ist zehnstellig und beginnt mit einem Buchstaben. Daneben ist die neunstellige Nummer der Versicherung aufgedruckt und evtl. eine weitere numerische Angabe zur Mitversicherung des Karteninhabers über einen Familienangehörigen. Im Gegensatz zur bisherigen krankenkasseninternen Versichertennummer bleibt die neue Versichertennummer lebenslang dieselbe. Bei einem Wechsel der Krankenkasse ändert sich also nur die Nummer der Versicherung, nicht aber die personenbezogene Nummer. (Details zur Versichertennummer siehe https://kvnummer.gkvnet.de/%28S%28o2bu4445fydjt155n0wddwqj%29%29/pubPages/krankenversichertennummer.aspx).

Wie auf der bisherigen Krankenversichertenkarte ist auf der eGK rückseitig der europäische Krankenversicherungsnachweis aufgedruckt. In diesem Punkt hat sich nichts geändert.

Die Krankenkassen betonen immer wieder, dass auf der eGK auch nicht mehr Daten gespeichert sind als auf der bisherigen Krankenversichertenkarte. Dabei beziehen sie sich auf die sog. Stammdaten, das sind Name, Adresse und Geburtsdatum des Versicherten, Versicherten- und Zuzahlungsstatus usw., siehe: http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__291.html) Diese Stammdaten waren bisher unveränderlich auf der Karte gespeichert, so dass die Karte z. B. bei einem Umzug ausgetauscht werden musste. Auf der eGK sind diese Datenfelder beschreibbar. Beim Einlesen in der Arztpraxis werden die Stammdaten auf der eGK mit den Versichertendaten bei der Krankenkasse abgeglichen und ggf. veraltete Daten korrigiert. Tatsächlich sind die Stammdaten neben dem kryptographischen Schlüssel (s. u.) und evtl. einem Notfalldatensatz alles, was auf der eGK gespeichert werden soll. Alle übrigen Daten sollen nicht auf der Karte selbst gespeichert werden, sondern in der sog. „Telematikinfrastruktur“ (s .u.).

Der kryptographische Schlüssel auf der eGK dient dazu, Ihre Patientendaten zu verschlüsseln, bevor sie per Internet aus den Arztpraxen heraus übertragen und in der Telematikinfrastruktur abgelegt werden. Dabei handelt es sich um ein System aus Servern, die von verschiedenen Unternehmen betrieben werden, koordiniert von der „Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH“ („gematik“, siehe: www.gematik.de).Die Telematikinfrastruktur wird nicht von der gematik selbst betrieben, sondern von verschiedenen IT-Dienstleistern wie z.B. der Bertelsmann-Tochter Arvato Systems GmbH oder der Booz & Company GmbH (ein Ableger von Booz Allen Hamilton). Die Telematikinfrastruktur ist momentan noch im Aufbau. Als erste Anwendung soll 2015 das „Versichertenstammdatenmangement“ aktiviert werden. Die weiteren Anwendungen der eGK sollen nach und nach über Updates in Betrieb genommen werden. Da die Updates automatisch über die Internetanbindung der Arztpraxen erfolgen sollen, ist für Ärzte oder Patienten nicht erkennbar, wann neue Funktionen aktiviert werden oder welche Funktionen zum jeweiligen Zeitpunkt aktiv sind. Unter den Anwendungen der eGK, die nur in Verbindung mit der Telematikinfrastruktur funktionieren, ist die Pflichtanwendung „elektronisches Rezept“ sowie mehrere derzeit freiwillige* Anwendungen wie der „elektronische Arztbrief“ oder die „elektronische Patientenakte“ Die aktuell vorgesehenen Anwendungen der eGK sind aufgeführt in SGB V § 291 a, siehe http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__291a.html . (Bei den „freiwilligen Anwendungen“ ist allerdings zweifelhaft, ob sie auf Dauer freiwillig bleiben werden. Die Telematikinfrastruktur kostet Milliarden. Einsparungen sind jedoch - wie Booz Allen Hamilton 2006 in ihrer Kosten-Nutzen-Analyse zur eGK feststellten (herunterladbar unter http://www.ccc.de/updates/2006/krankheitskarte, allerdings sind die Zahlen darin veraltet, die Kosten liegen jetzt schon höher) - nur dann zu erwarten, wenn die freiwilligen Anwendungen von der Mehrheit der Patienten genutzt werden. Andernfalls bleibt das gesamte System extrem unwirtschaftlich. Da liegt natürlich der Gedanke nahe, die Unwirtschaftlichkeit der eGK zu verringern, indem man die Nutzung der fraglichen Anwendungen verpflichtend vorschreibt.) Neben den gesetzlich vorgesehenen Anwendungen sind in den technischen Spezifikationen der Telematikinfrastruktur (herunterladbar unter www.gematik.de) auch sog. „Mehrwertdienste“ vorgesehen, von denen bisher nur bekannt ist, dass sie nicht den eigentlichen „medizinischen“ Aufgaben der eGK dienen.

Die Datenablage in der Telematikinfrastruktur ist das eigentlich Gefährliche am System eGK. Eine umfassende Gesundheitsdatensammlung aller gesetzlich Krankenversicherten auf vernetzten Servern verlockt zu Datendiebstahl, Missbrauch - oder auch zur Erweiterung der Nutzung für andere (lukrative) Zwecke. Die Telematikinfrastruktur technisch abzusichern ist unmöglich, da es sich um ein Konglomerat aus vielen, über das Internet verbundenen, Einzelgeräten handelt, für die viele verschiedene Akteure (Telematikinfrastruktur-Betreiber, Arztpraxen, Kliniken usw.) zuständig sind. Auf das System hat überdies ein großer Personenkreis Zugriff: die Angestellten der Infrastrukturbetreiber, die Ärzte, deren Mitarbeiter und IT-Dienstleister. Die einzige tatsächliche Sicherung der Patientendaten wäre demnach ihre Verschlüsselung. Aber auch diese ist nicht dauerhaft zuverlässig: Bereits 2017 müssen alle eGK wieder ausgetauscht werden, weil die darauf verwendeten Schlüssel dann als überholt gelten. Allerdings könnten Fortschritte in der Kryptographie oder die Entwicklung leistungsfähigerer Computer die Verschlüsselung schon zu einem früheren Zeitpunkt unbrauchbar machen. Unklar ist auch, wie mit den bereits gespeicherten Daten in der Telematikinfrastruktur verfahren werden soll, wenn deren Verschlüsselung durch eine neuere abgelöst wird. (Wenig Vertrauen erweckend ist auch die Tatsache, dass das Verschlüsselungsverfahren, das ab 2017 mit der eGK eingesetzt werden soll, vom US-Geheimdienst NSA mitentwickelt wurde (siehe: https://wiki.kairaven.de/open/krypto/gpg/p/gpg2). Wie seit den Snowden-Enthüllungen bekannt ist, stuft die NSA verschlüsselte Daten, die sie im Internet abfängt, grundsätzlich als verdächtig ein und speichert sie zur späteren Entschlüsselung.)

Kurz: Auf der eGK selbst werden nicht viel mehr Daten gespeichert als auf der bisherigen Krankenversichertenkarte. Die eGK enthält jedoch einen kryptographischen Schlüssel, der die Ablage Ihrer Gesundheitsdaten in einer vernetzten Telematikinfrastruktur ermöglicht.


Die eGK boykottieren

Benutzung der eGK vermeiden

Wenn Sie verhindern wollen, dass Ihre Patientendaten in vernetzten Servern gespeichert werden, müssen Sie die Nutzung der eGK vermeiden: Ohne den kryptographischen Schlüssel auf der Karte können Ihre Daten nicht verschlüsselt und in die Telematikinfrastruktur übertragen werden. Am einfachsten umgehen Sie die eGK, indem Sie der Krankenkassen kein Foto von sich senden, so dass keine eGK für Sie erstellt werden kann. Bislang (Stand Juni 2014) haben über 6 Millionen Versicherte noch keine eGK.

Wenn Sie bereits eine eGK haben, können Sie der Krankenkasse mitteilen, dass sie die eGK mit der dahinter stehenden Telematikinfrastruktur ablehnen, weil sie Ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den Schutz Ihrer sensiblen Patientendaten verletzt. Aus diesem Grund senden Sie die eGK an die Krankenkasse zurück und bitten um die Ausstellung eines anderen Versicherungsnachweises (s.u.).


Medizinische Leitungen ohne eGK in Anspruch nehmen

Grundsätzlich ist die Leistungspflicht der Krankenkassen von der Nutzung der eGK unabhängig. Zudem ist die eGK nicht die einzige Art von Krankenversicherungsnachweis. Das heißt: Ihre Krankenkasse darf Ihnen Leistungen, auf die Sie als Versicherter Anspruch haben, nicht verweigern – und zwar unabhängig davon, welche Art von Versicherungsnachweis Sie verwenden. Ebenso wenig darf die Krankenkasse wegen Nichtnutzung der eGK Ihre Mitgliedschaft kündigen oder Ihre Beiträge erhöhen.

Nach Bundesmantelvertrag Ärzte § 19 gibt es drei mögliche Versicherungsnachweise:

  • die eGK,
  • die bisherige Krankenversichertenkarte (bis zum aufgedruckten Gültigkeitsdatum) und
  • den „papiergebundenen Anspruchsnachweis“ nach §19 (3) Bundesmantelvertrag Ärzte.

Manche Krankenkassen vergeben die „papiergebundenen Anspruchsnachweise“ für ein ganzes Quartal, andere nur für den jeweiligen Arztbesuch. Im letzteren Fall können Sie den Nachweis direkt in die Arztpraxis faxen lassen.
Beachten Sie hierbei: Der Versicherungsnachweis muss innerhalb von 10 Tage ab Ihrem Arztbesuch in der Praxis vorliegen! (oder 9 Tage? zählt der Tag des Arztbesuchs mit?) Andernfalls kann der Arzt Ihnen eine Privatrechnung ausstellen. Diese müssten Sie selbst bezahlen, bekommen das Geld aber auf Antrag von Ihrer Krankenkasse (teilweise) zurückerstattet (gibt es dafür einzuhaltende Fristen und Bedingungen?). Dabei erstattet Ihnen die Krankenkasse aber nur den Kassensatz, während Ärzte in Privatrechnungen ein Vielfaches davon abrechnen. Den „Privat-Aufschlag“ bekommen Sie dann nicht zurück. Der Bundesmantelvertrag Ärzte (§13 Abs. 2 Satz 4) besagt hierzu: „Die Krankenkassen erstatten nach Maßgabe ihrer Satzung ihren kostenerstattungsberechtigten Versicherten höchstens hierfür die entsprechende Vergütung, die die Krankenkassen bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätten, abzüglich des Erstattungsbetrages für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung sowie vorgesehene Zuzahlungen.“ Sorgen Sie also dafür, dass der Versicherungsnachweis fristgerecht vorliegt!

Neben den oben aufgezählten offiziellen Versicherungsnachweisen nach Bundesmantelvertrag Ärzte können Sie auch versuchen, Ihre Versicherung auf andere Weise nachzuweisen. Beispielsweise gibt es die Bescheinigung über die Krankenversicherung für den Arbeitgeber, die zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird. Auch das ist natürlich ein gültiger Versicherungsnachweis. Daneben wurde auch schon vorgeschlagen, sich von der Krankenkasse oder Ihrem Arbeitgeber eine Bestätigung über die gezahlten Beiträge geben zu lassen und diese als Versicherungsnachweis zu nutzen. (Allerdings wissen wir bisher von niemandem, der das ausprobiert hat.) Sicherlich gibt es noch andere kreative Möglichkeiten, sich als Versicherter einer Krankenkasse auszuweisen. Im Notfall genügt es aber, wenn die Arztpraxis bei der Krankenkasse nachfragt. Diese muss Ihre Mitgliedschaft dann umgehend bestätigen.

Gegenüber den Krankenkassen haben Sie einen Leistungsanspruch, auch wenn Sie die Nutzung der eGK verweigern. Anders sieht es hingegen mit den Ärzten und anderen Leistungserbringern aus: Diese sind grundsätzlich nicht verpflichtet, andere Versicherungsnachweise zu akzeptieren und könnten Ihnen ohne eGK die Behandlung verweigern. In diesem Fall könnten Sie nur den Arzt wechseln. Dass dieser Fall eintritt, ist jedoch unwahrscheinlich, weil die Mehrzahl der Ärzte die eGK ebenfalls ablehnt. Sie befürchten, dass sie nach Anschluss ihrer Praxiscomputer an die Telematikinfrastruktur den Schutz der Patientendaten nicht mehr gewährleisten können und damit ungewollt gegen die ärztliche Schweigepflicht verstoßen. Außerdem wissen die Ärzte, dass die Krankenkassen die Behandlungen ihrer Versicherten bezahlen werden – egal, welchen Versicherungsnachweis diese in der Arztpraxis vorgelegt haben.

Falls die Krankenkasse versucht, den Versicherungsnachweis oder die Leistung zu verweigern

Die Krankenkassen wissen, dass sie Ihnen die Leistung nicht verweigern dürfen, nur weil Sie die eGK nicht benutzen. Wenn jedoch der politische Druck auf die Krankenkassen steigt, die eGK durchzusetzen, versuchen sie möglicherweise auf diese Art, den Druck an unbotmäßige Versicherte weiterzugeben. Falls Ihre Krankenkasse die Ausstellung eines papiergebundenen Anspruchnachweises verzögert oder Ihnen wegen Nichtbenutzung der eGK auf andere Weise die Leistung zu verweigern versucht, können Sie Beschwerde gegen Ihre Krankenkasse beim Bundesversicherungsamt (siehe http://www.bundesversicherungsamt.de/) einlegen. Das Bundesversicherungsamt ist die Aufsichtsbehörde der Krankenkassen. Wahrscheinlich wird die Krankenkasse aber schon einlenken, wenn Sie ihr mitteilen, dass Sie Beschwerde beim Bundesversicherungsamt einlegen werden. Wenn nicht, legen Sie wirklich Beschwerde ein. Das Beschwerdeschreiben können Sie frei formulieren. Bleiben Sie dabei – bei aller gebotenen Deutlichkeit - stets höflich. Schildern Sie den Sachverhalt in chronologischer Reihenfolge und geben Sie für alle Vorfälle das Datum an. Fordern Sie das Bundesversicherungsamt auf, eine rasche Klärung des Falls herbeizuführen.

Wenn Sie bereits Klage gegen die eGK eingereicht haben oder dies beabsichtigen, können Sie auch beim zuständigen Sozialgericht einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung (sog. „Eilantrag“) stellen, damit die Krankenkasse gerichtlich zur Leistung verpflichtet wird. Da der Sinn einer einstweiligen Verfügung der vorläufige Rechtsschutz bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung ist, ist dieser Weg nur in Verbindung mit einer Klage gegen die eGK möglich (siehe unten).

Kurz:

Die eGK ist nur einer von mehreren möglichen Versicherungsnachweisen. Wie auch immer Sie Ihre Versicherung nachweisen - wenn ein Arzt oder anderer Leistungserbringer Ihren Nachweis akzeptiert und auf dieser Grundlage eine Leistung erbringt, muss die Krankenkasse ihm die Leistung auch vergüten. Wenn die Krankenkasse die Leistung zu verweigern versucht, können Sie Beschwerde bei Bundesversicherungsamt einlegen und notfalls einen Eilantrag stellen.

Gerichtlich gegen die eGK vorgehen

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