Difference between revisions of "Erster Prozess gegen die Elektronische Gesundheitskarte"

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Ein Erfahrungsbericht des Anwalts des Klägers

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Wie ich zu dem Mandat kam. Die Freie Ärzteschaft und ich.

Mittwoch, 25.08.2010, 6:06 Uhr. Ich steige am Dammtor Bahnhof in den ICE nach Düsseldorf, um von dort zu einem Pressegespräch der Freien Ärzteschaft nach Solingen weiter zu fahren, das um 11:30 Uhr beginnt. Der nicht öffentliche Erörterungstermin beim Sozialgericht Düsseldorf ist erst am nächsten Tag, am 26.08., 12:00 Uhr.

Ich bin müde, habe kaum geschlafen und die halbe Nacht noch alles vorbereitet. Trotzdem kann ich im Zug nicht einschlafen. Warum, wozu bin ich jetzt unterwegs? Was bitte habe ICH mit der Freien Ärzteschaft zu tun?

2009 habe ich an einer Broschüre der FIFF zur Elektronischen Gesundheitskarte (EGK) mitgearbeitet. Die FIFF, das sind kritische Informatiker. Den halben Vorstand kenne ich persönlich, weil ich 92 bis 96 in der Informatik der Bremer Uni als Wissenschaftler mit einer vollen Stelle gearbeitet habe. Über Chipkarten im Gesundheitswesen habe ich damals mit drei Mitautoren das Buch "Der Gesundheitschip" geschrieben, das man heute im Internet findet. Deshalb ließ ich mich breitschlagen, an der FIFF-Broschüre zur EGK mitzuarbeiten. Aber wenn man einmal anfängt ... Nachher mußte ich, damit nicht alles umsonst war, noch einen zweiten Beitrag übernehmen, und jetzt ist das Ding endlich gedruckt. Ich habe meinen Stapel Autorenexemplare im Gepäck. Als ich Anfang 2010 kein größeres Projekt hatte, habe ich zusätzlich eine Datenschutz-Liste für die Sozialwahlen gegründet. Freie Liste Müller, heißt sie jetzt. Ich hatte also Grund genug, 2010 zu Bündnistreffen von "Stoppt die E-Card" ins Hamburger Ärztehaus zu kommen.

Im Februar 2010 berichtete die Bündnis-Sprecherin Silke Lüder auf der Sitzung, sie hätte per Email Kontakt zu einem, der die EGK schon bekommen sollte. Ob wir ihm helfen könnten. Er würde schon beim Sozialgericht dagegen klagen. Es waren in dem Moment zwei Juristen anwesend. Wolfgang, ein alter Freund von mir, ehemaliger Referent mit Zuständigkeit für Gesundheit beim Bremer Datenschutzbeauftragten, und ich. Ich habe nämlich ganz früher mal erfolgreich meine Juristenausbildung absolviert, bin auch als Anwalt zugelassen. Wir beide sagten, einer von uns wird mit dem Absender Kontakt aufnehmen. Wolfgang ging es gerade nicht gut, ausserdem hat er keine Zulassung, so blieb die Sache bei mir hängen. Ich wurde im "ersten Verfahren gegen die Elektronische Gesundheitskarte" der "Prozessbevollmächtigte des Klägers". Erfahrenen Rechtsanwälten, auch sie in Sachen EGK engagiert, habe ich meinen anonymisierten Schriftsatz geschickt. Sie haben ihn sehr gelobt. Datenverarbeitung in der Krankenversicherung kenne ich als Programmierer zum Teil bis auf Bitebene. Die Spezifikationen der EGK sind mir oft besser geläufig, als das Sozialgesetzbuch. Ich habe ab und zu, in Absprache mit dem Kläger, im Bündnis über den Stand unseres Verfahrens informiert. So waren auch die Freien Ärzte im Bilde, als unser Termin anstand.

In meinem Beitrag über Gesundheitspolitik in der FIFF Broschüre nenne ich die Freie Ärzteschaft eine "besonders rabiate Standesvertretung, die mit allen Patienten privat abrechnen will". Es gibt einen Ärzteverein, der mir allgemeinpolitisch näher steht und auch gegen die EGK ist, die "Vereinigung demokratischer Ärztinnen und Ärzte". Sie arbeitet nur deswegen NICHT im Bündnis "Stoppt die E-Card" mit, weil die Freie Ärzteschaft, und noch ein ähnlicher Verein, dort mitmachen. Das sind in dem Punkt Sektierer, für mich. Es gibt auch eher linke Ärztevereine im Bündnis, zum Beispiel die IPPNW. Der Chaos Computer Club macht mit, die FIFF, AK Vorrat, vor allem aber sind Wolfgang und ich im Bündnis an Bord. Silke Lüder, Sprecherin unseres Bündnisses, ist in beiden, IPPNW, und Freie Ärzteschaft. Ich finde, kein Patient sollte die EGK nach dem jetzigen Stand akzeptieren. Als die Freien Ärzte mich gebeten haben, ein Pressegespräch zum Prozess zu unterstützen, von ihnen organisiert, habe ich ja gesagt. Deswegen sitze ich jetzt schon im Zug, nach Solingen, zu den Freien Ärzten, unseren Verbündeten bei diesem Thema.

Pressegespräch in Solingen

In Solingen erwartet mich Herr Orthen-Rahner, Pressesprecher der Freien Ärzteschaft. Seine Pressemitteilungen und Einladungen, die ich vorher zur Kontrolle bekommen hatte, waren alle sehr gut. Viel kürzer als meine, einfach, und prägnant. Zudem noch kühl und sachlich, was die Pressearbeit der Freien Ärzteschaft ansonsten nicht immer ist. Schrille Töne sind Kennzeichen der ärztlichen Standespolitik. Sie rechtfertigen das so: anders erreicht man normale Menschen nicht, die keine Intellektuellen sind, wie du, Jan Kuhlmann. Ich denke, das ist eher eine Generationsfrage. Die Jüngeren sagen nicht umsonst zu allem, was wir "geil" nannten, heute "cool"!!

Auf dem Weg zum Ort des Geschehens fotografiere ich mit dem Handy den Glaspalast der beklagten Bergischen Krankenkasse. Ich möchte nämlich ein Video über die Verwaltungspaläste der Krankenkassen machen. Herr Orthen-Rahner meint, es könnten 25 Leute von Medien kommen. Zunächst kurze Vorbereitung, nachdem auch der andere Referent erscheint, Martin Grauduszus, Präsident der Freien Ärzteschaft. Es kommen aber nur sechs Journalisten, und es geht es los. Zunächst erkläre ich es allen: Mein Mandant will keine öffentliche Person werden. Er möchte weder mit Namen noch mit Bild in der Öffentlichkeit erscheinen. Deswegen ist er heute nicht hier. Ich konnte ihn nicht vom Gegenteil überzeugen. Ich berichte über das Verfahren und erkläre, dass mein Mandant gegen die Karte zum Bundesverfassungsgericht will. Seine Krankenkasse, die Bergische Krankenkasse mit Sitz in Solingen, hat ihn angeschrieben und gebeten, für die neue EGK ein Foto zu schicken. Er hat zurück geschrieben, er wäre noch nicht mal bereit, die Karte zu nutzen. Wenn sie das wollen, sollen sie ihn dazu per Bescheid verpflichten. Die Kasse hat ihn per Verwaltungsakt für verpflichtet erklärt, die Karte zu benutzen. Weil sie im Gesetz steht. Dagegen klagt er. Die Richter am Sozialgericht dürfen ihm nicht Recht geben, auch Richter sind ans Gesetz gebunden. Entweder bügeln sie seine Klage ab, dann legt er gegen das Urteil letzter Instanz Verfassungsbeschwerde ein. Oder sie schließen sich seinen Verfassungs-Bedenken an, und das Gericht schickt die Klage selbst nach Karlsruhe weiter. Nach Artikel 100 Grundgesetz, konkrete Normenkontrolle. Es gibt also mehrere Wege nach Karlsruhe. Einen davon gehen wir.

Martin erklärt, dass die freie Ärzteschaft von Anfang an gegen die EGK war, wegen Verletzung der Rechte von Arzt und Patient. Gesundheitsdaten sollen nicht die Arztpraxis verlassen.

Ein Pressevertreter fragt, ob nicht ein Grund für die Opposition der Ärzte wäre, dass die sich nicht in Karten gucken lassen wollten. Wegen Schmu bei den Abrechnungen. Ich sage, es besteht schon ein Overkill der Kontrollen, und der wird immer größer. Ja, es gibt viele falsche Diagnosen und unnötige Therapien, zu Abrechnungszwecken. Besonders: Geräte-Behandlungen, Herzkatheter oder EKG zum Beispiel. Und unnötige Medikamente. Man muß zwei Dinge tun. Falsche Anreize beseitigen, und die Patienten aufklären. Hier widerspricht Martin. Die Ärzte machen es meistens richtig, sagt er. Das mit dem Abrechnungsbetrug sind Unterstellungen. Am Ende der Veranstaltung essen wir noch leckere Suppe, es ist viel übrig geblieben. Verbündete müssen unterschiedlicher Meinung sein, sonst wären es keine. Wer am Ende mehr von seiner Agenda durchsetzt, wird man sehen.

Treffen mit dem Mandanten

Martin fährt mich weiter nach Wuppertal, wo ich zwei Stunden später mit dem Mandanten und seinem Freund verabredet bin. Das Gespräch mit ihnen ist gut und entspannt. Wir sind optimistisch, lachen viel und reden über Datenschutz in allen Lebensbereichen. Wir suchen gemeinsam im Sozialgesetzbuch, wo eigentlich steht, dass der Patient die EGK benutzen muss. Dass Ärzte und Krankenkassen sie nutzen müssen, steht gross und breit drin. Endlich finden wir § 15 Absatz 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch. Dort steht aber nur die Krankenversichertenkarte, nicht die EGK. Wir glauben, das wird dem Gericht zu formal sein. Sagen werde ich es.

Wir müssen uns auf eine jahrelange juristische Auseinandersetzung einstellen. Allein das Verfahren vor dem Verfassungsgericht dauert mindestens ein Jahr. Aber da müssen wir erst hin kommen. Das höchste Gericht hat schon zweimal die Argumente gegen die Weitergabe der Behandlungsdaten als "durchaus erwägenswert" bezeichnet. Aber es hat zur Voraussetzung seiner verfassungsrechtlichen Prüfung gemacht, dass man "konkret und unmittelbar betroffen" ist. Das war bisher noch keiner. Mein Mandant wäre sozusagen der erste. Denn in der "Pilotregion" Nordrhein-Westfalen gehört er zu den wenigen, die die Karte schon bekommen sollten. Übrigens haben wir alle uns bei Ärzten in NRW umgehört. Gesehen hat die neue Karte noch keiner! Und was wäre, wenn das Gericht die Akte in Karlsruhe vorlegt - sind wir dann noch beteiligt? Ja, sage ich. Die Bergische Krankenkasse und der Kläger wären beigeladen und könnten Schriftsätze einreichen. Wir reden noch eine Weile über Arbeitnehmer-Datenschutz und Bespitzelung durch den Arbeitgeber, wobei ich in der Diskussion zwischen den beiden der Schiedsrichter sein soll. Sie verraten mir aber nicht, wer was gesagt hat, nur, worum es ging. (Dass man als Unternehmer keine Alkoholiker einzustellen braucht, prüfen darf, ob ein Bewerber Alkoholiker ist, aber niemanden wegen Alkoholismus entlassen darf.) So etwas erkläre ich gerne. Gelernt ist gelernt!


Erika Feyerabend, BioSkop

Meine nächste Station ist Essen. Erika Feyerabend wohnt in einer Frauen-WG mit großem Garten, es gibt erst mal Abendessen aus selbst angebautem Gemüse. Sie hat in ihrem Arbeitszimmer ein Gästebett stehen, für vorbei kommende Weggefährten. Da schlafe ich heute. Erika, genannt Ecki, gibt mit meinem Bekannten Klaus-Peter Görlitzer die Zeitschrift BioSkop heraus. Zeitschrift zur Beobachtung der Biowissenschaften. Ecki lebt vor allem von Seminaren zu Gesundheitsfragen, für Gewerkschaften und Betriebsräte. Auch meine Bremer Ex-Kollegin Ute Bertrand gehört zu diesem Verein. Die ist Mitautorin des Buchs "Der Gesundheitschip" und jetzt Pressesprecherin von Robin Wood. Ecki hat uns schon 1992 beim Schreiben des Buchs unterstützt. Wir waren gegen die Gesundheits-Chipkarte unterwegs, als es die Freie Ärzteschaft und die Gematik noch nicht gab, und mein Mandant minderjährig war. Wir werden noch dabei sein, wenn viele Bündnispartner aus "Stoppt die E-Card" wieder andere Prioritäten haben. Warum? Wir wollen, dass wir den Krankenkassen und Ärzten sagen, was sie für uns tun sollen. Und nicht, dass Krankenkassen und Ärzte uns sagen, wer wir sind. Genau darum geht es bei der EGK. Für uns. Die weniger Betuchten haben davon die größten Nachteile. Eigentlich gehören Gewerkschaften, Sozialverbände und SPD gegen die EGK in die erste Reihe. Bei ihnen geht der Hass auf die niedergelassenen Ärzte noch zu tief. Auch das verstehen wir, als Historiker der Arbeiterbewegung, die wir auch noch sind. Datenschutz ist für uns Teil eines tieferen Anliegens: namens Emanzipation, Aufklärung. Das macht unsere grosse Fröhlichkeit aus. Für mich ist der Abend eine gute Einstimmung auf den Gerichtstermin, mit einem Video über Christoph Schlingensief, und philosophischer Diskussion über die Religion unreligiöser Menschen. Fortsetzung beim nächsten Mal.

Am nächsten morgen ruft die Pressesprecherin des Sozialgerichts Düsseldorf auf meinem Funktelefon an, als ich gerade aus der Dusche steige. Ein Journalist, der für den WDR arbeitet, will mich nach dem Termin noch im Gericht interviewen. Die gleiche Frage hatte am Vortag eine Journalistin der DPA gestellt. Ich lehne ab, da ich die gewünschte Anonymität des Mandanten schützen muss. Nach dem Termin, draussen vor dem Gericht gibt es ein Interview mit mir, ist mein Vorschlag. Herr Orthen-Rahner hatte mir schon erzählt, die Identität des Klägers würde die Journalisten brennend interessieren. Dass ich seinen Namen nicht nenne, macht sie neugierig.

In Düsseldorf komme ich lange vor dem Termin mit dem Zug an, und kann mein Gepäck noch im Auto des Mandanten verstauen, und noch einen Kaffe mit ihm trinken, bevor wir zum Termin gehen. Vor der Tür des Sitzungssaals steht der Journalist, trotz allem. Endlich sitzen wir der Richterin und dem Vertreter der Bergischen Krankenkasse gegenüber.

Sozialgericht Düsseldorf

Wir haben einen nicht öffentlichen Erörterungstermin, ohne die ehrenamtlichen Beisitzer, die zusammen mit der Berufsrichterin die 9. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf bilden. Eine Besonderheit des Sozialrechts. Ein Vorfilter, um die Sachverhalte auszusortieren, die man ohne Verhandlung erledigen kann.

Mein Mandant sagt zu Beginn, was er will: er will alle seine medizinischen Daten nicht in zentralen Systemen gespeichert haben, sondern nur bei ihm selbst, und beim Arzt seines Vertrauens. Die Richterin führt dann in den Rechtsstreit ein. Sie fragt zunächst, ob die EGK tatsächlich ausgegeben wird. Der Kassenvertreter erklärt zu Protokoll, seine Krankenkasse habe noch keine einzige EGK ausgegeben. Das Projekt würde auf Eis liegen. Da muss ich eingreifen. Offiziell geht das Projekt ungebremst weiter. Ich gebe zu Protokoll, uns sei nichts von einer Unterbrechung bekannt. Als nächstes reden wir über die Anwendungen der EGK. Die Richterin weist darauf hin, dass es hier ausschließlich um die Betroffenheit des Mandanten als Patient geht. Sie unterscheidet die Pflichtanwendungen, und die freiwilligen Anwendungen. Die Pflichtanwendungen seien doch dieselben, wie bei der bisherigen Krankenversichertenkarte. Stopp, was ist mit dem Versicherten-Stammdatenabgleich? Dazu finden wir § 291 Abs 2, letzter Halbsatz SGB V mit dem Wörtchen "Zuzahlungsstatus". Dahinter steckt die Speicherung seiner möglichen Teilnahme an einem bestimmten Chroniker-Programm, (DMP, Disease Management Programme), in der Telematik-Infrastruktur, d.h. auf zentralen Servern, die im Internet erreichbar sind. Damit ist mein Mandant nicht einverstanden.

Die nächste Frage: freiwillige Anwendungen. Man kann doch nein sagen und wird dann nicht durch diese Anwendungen belastet, so die Richterin. Darauf kommt es datenschutz-rechtlich an: Einwilligung. Es kann einem dann, rechtlich gesehen, egal sein, wie sicher diese Daten sind. Das wäre Problem anderer Leute. Man kann nicht gegen etwas klagen, dem man zugestimmt hat. Das elektronische Rezept, auch eine Pflichtanwendung, liege doch auch auf Eis. Alles andere ist freiwillig. Stopp, kann die Bergische Krankenkasse meinem Mandanten garantieren, dass das elektronische Rezept nicht doch nächsten Monat kommt? Und ausserdem. Die EGK soll neue Behandlungsformen ermöglichen. Und wenn die flächendeckend genutzt werden, kann mein Mandant in die Situation kommen, dass er von seinem Arzt bekniet wird: er möge sich nicht so anstellen. Und zur Kommunikation mit seinem Fallmanager bei der Krankenkasse, oder mit anderen Ärzten der integrierten Versorgung, doch bitte die Nutzung seiner "Elektronischen Krankenakte" freigeben. Als Kranker will man es sich nicht mit seinen Ärzten verderben. Obwohl mein Mandant sehr datenschutz-bewusst ist, kann er sich später zur Nutzung der EGK-Anwendungen gezwungen fühlen, um seinen Ärzten die Arbeit nicht schwer zu machen. (Die EGK wird offiziell eingeführt, um gemeinsame Behandlung und Datenaustausch zu erleichtern). Und dann sind seine Daten über das Internet zugreifbar. Genau diese Situation will mein Mandant jetzt verhindern. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo er es verhindern kann. Er müsste sonst seine Daten später in einen Bereich hinein geben, bei dem er nicht wissen kann, wer wann was über ihn erfährt. Es geht um die sensibelsten Daten, die er hat.

Anschliessend reden wir über die Anträge, die gestellt werden. Wir formulieren gemeinsam drei Anträge:

  • Der Bescheid der Bergischen Krankenkasse, mit der Verpflichtung des Klägers, er muss die EGK benutzen, wird aufgehoben.
  • Die Bergische Krankenkasse wird verurteilt, dem Kläger Gesundheits-Leistungen zur Verfügung zu stellen, ohne dass er die EGK dazu nutzen muss.
  • Es wird angeregt, dass das Gericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen der EGK dem Verfassungsgericht vorlegt.

Jetzt reden wir über das weitere Vorgehen. Das Gericht hat alle Verhandlungstermine in diesem Jahr schon vergeben. Eine mündliche Verhandlung kann es erst nächstes Jahr geben. Aber wir könnten auf die mündliche Verhandlung verzichten und mit einer schnellen Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden sein. Ich bitte darum, dass wir zur Entscheidung darüber eine Woche Zeit bekommen.

Wir sind fertig. Rund 80 Minuten hat die Verhandlung gedauert. Als wir aus der Tür gehen, steht der Journalist davor. Ich gehe mit ihm nach draussen ins Freie. Einfach aus Trotz, obwohl es windig ist und regnet. Anschliessend telefoniere ich noch mit fünf weiteren Journalisten und erzähle ihnen, was vor Gericht passiert ist. Gegen 15:30 Uhr ist mein Einsatz zu Ende. Ich fahre zur Lebensgefährtin nach Berlin. Uff!

Versicherten-Stammdatenabgleich

Im Zug nach Berlin surfe ich mit meinem neuen Mobilfunk-Datenstick, um ganz sicher zu sein. Der Stammdaten-Abgleich steht schon im Gesetz. § 291 SGB V Absatz 2 b. (Für die Juristen unter den Lesern: Eingefügt durch Art. 1 Ziffer 5a des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24. Juli 2010, BGBl. I vom 29. Juli 2010, S. 983 (985).) Die Vorschrift ist aufgrund von Art. 14 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten, d.h. am 30. Juli 2010, vor knapp vier Wochen. Die URL ist hier: https://www.juris.de/jportal/docs/news_anlage/jpk/sgbd/mat/bgbl110s0983.pdf


Das Medienecho

Die Berichterstattung beschränkt sich meistens auf ein paar Zeilen. Oft steht in diesem kurzen Text, der Prozess wird von der Freien Ärzteschaft unterstützt. Damit wird ein Vorurteil unterstützt: Die Kampagne gegen die EGK würde nur, oder überwiegend, von Ärzten getragen. Insbesondere von der Freien Ärzteschaft. Damit ist auch Herrn Grauduszus nur begrenzt gedient. Wir müssen die Öffentlichkeitsarbeit in Zukunft anders anlegen, so dass deutlich wird: in unserem Verfahren geht es AUSCHLIESSLICH um Patienteninteressen. Und dafür kämpft ein Patient mit Unterstützung anderer Patienten und ihrer Organisationen. Es gibt mindestens einen Ärzteverband, der auf diesen Prozess aufmerksam macht und die Öffentlichkeitsarbeit der Patienten unterstützt. So ist es richtig, so muss es rüber kommen. Ich werde vorschlagen: Falls weitere Pressegespräche zu diesem Verfahren stattfinden, an denen ich teilnehme, dann werden sie vom Bündnis "Stoppt die E-Card" organisiert.