Geschichte der Elektronischen Gesundheitskarte

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Einführung

Seit sechs Jahren kündigen Presse, Funk und Fernsehen an, dass spätestens nächstes Jahr eine neue, moderne medizinische Chipkarte an alle Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgegeben wird. Kein Wunder eigentlich, denn im Sozialgesetzbuch ist der 1. Januar 2006 als spätester Starttermin der so genannten „Elektronischen Gesundheitskarte“ (EGK) vorgeschrieben. Sie soll sich unterscheiden von der bereits bestehenden Krankenversichertenkarte (KVK). Die KVK ist bereits eine Chipkarte, aber keine intelligente, wie es die EGK sein soll. Von der KVK kann man in der Arztpraxis nur lesen, man kann nichts draufschreiben. Zur Zeit, im März 2010, werden in der Pionierregion Nordrhein-Westfalen die ersten EGK von einer einigen Krankenkassen an ihre Versicherten ausgegeben. (EGK-“Rollout“). Einen Plan, wann die Karte an die meisten Deutschen „ausgerollt“ wird, gibt es bis dato nicht. Die derzeit manchmal in Krankenkassenbüros verbreitete Version, die neue Karte sei endgültig begraben worden, ist allerdings auch falsch.

Derzeit befinden wir uns in einer Zwischenphase. Das Projekt wird im Gesundheitsministerium ausgewertet, und das weitere Vorgehen neu festgelegt. Dies ist ein Beitrag zu dieser Zwischenbilanz. Ein Hinweis zum Sprachgebrauch: Die Befürworter der medizinischen Chipkarte nennen sie „elektronische Gesundheitskarte“, weil das mehr Akzeptanz schafft als „medizinische Chipkarte“. Es ist ähnlich wie bei der Atomkraft, die amtlich Kernkraft heißt. Zu den Befürwortern der neuen Karte gehört der Gesetzgeber, so daß „EGK“ ihr amtlicher Name ist. Ihre Gegner nennen dieselbe Karte „e-card“, und ihr Bündnis heißt „Weg mit der e-card“. Wir benutzen in dieser Broschüre entweder „medizinische Chipkarte“, oder die offiziellen Propagandabezeichnungen: „EGK“ und „elektronische Gesundheitskarte“. Liebe Leserin, lieber Leser, Sie lassen sich von keiner Bezeichnung beeinflussen, Sie gehören zur denkenden Minderheit.

Wie die meisten Patienten, fände ich es schön, wenn man digitale medizinische Dokumente schnell dort haben könnte, wo sie gebraucht werden. Zum Beispiel habe ich mir in der Nähe von Plön, 60 km von zu Hause, das Bein gebrochen und wurde dort operiert. Wie praktisch wäre es, wenn mein Hamburger Orthopäde oder ich selber die Röntgenbilder als Grafikdatei mit einer verschlüsselten e-mail aus Plön erhalten könnten. Es könnte schon seit fünf Jahren selbstverständlich sein – wenn es nur nicht so wenig kosten würde. Um das zu verstehen:

Kurze Geschichte der Versichertenkarten in der gesetzlichen Krankenversicherung

Kurze Chipkartengeschichte

Die Chipkarte wurde von dem Hamburger Jürgen Dethloff erfunden. Er stellte sich 1968 vor, daß viele sich bald maschinenlesbar ausweisen müßten, er ließ sich dafür einen integrierten Speicher patentieren, in eine Plastikkarte eingebaut, in dem ein „Identifikand“, also eine eindeutige Nummer zum Beispiel, fest verdrahtet ist und von einem Lesegerät ausgelesen werden kann. Vorbild Kreditkarte, nur mit einem Chip, statt Hochprägung und Magnetstreifen. Von dieser Art ist die Krankenversichertenkarte. 1977 setzte Dethloff noch eins drauf: die Prozessorchipkarte, mit einem kleinen Computer im Chip, der überprüft, ob der Zugreifende berechtigt ist, bevor er den Zugriff auf die in seinem Inneren gespeicherten, änderbaren Informationen freigibt. Von dieser Art war die damals geplante medizinische Chipkarte.

Mitte der 1990er Jahre hatten viele von uns schon mehr als fünf Karten in ihrer Geldbörse. Es entstand die Idee der dritten Generation, der „Multi-Card“. Eine intelligente Chipkarte mit vielen Anwendungen unterschiedlicher Anbieter darauf. Zumindest: eine normierte Karte, die jeder hat, und die für viele Anwendungen benutzbar ist. Von dieser Art ist der neue Personalausweis, der ab 2010 kommt, mit Chip, und der grundsätzlich auch für die Krankenversicherung nutzbar wäre. Aber die Industrie verkauft, solange es für jede neue Karte Geld gibt, lieber zwei oder zwanzig dumme oder intelligente Chipkarten, als nur eine.

Deutsche Firmen waren und sind in der Entwicklung von Chipkarten führend und halten zusätzliche Patente. Bemerkenswert sind: die Siemens AG, das Münchener Großunternehmen Giesecke & Devrient, sowie die ORGA GmbH – jetzt Sagem Orga. Sie waren beim Siegeszug elektronischer Karten im Gesundheitswesen von Anfang an dabei, und sind heute mit der EGK groß im Geschäft. Von Anfang an weiterer sehr wichtiger Akteur ist die Fraunhofer-Gesellschaft, eine staatlich finanzierte Großforschungseinrichtung, die auch Chipkarten entwickelt, und in deren Gremien die Industrie prominent vertreten ist und entsprechend lenken kann. Für diese Technik wurden nun Anwendungen gesucht.

Kurze Geschichte der deutschen Gesundheitskarten

1989 wurde – in der Ära Kohl – das Gesundheitsreformgesetz erlassen, das vorsah, bis 1992 die bis dahin üblichen Krankenscheine durch einen maschinenlesbaren Ausweis zu ersetzen. Zur Technik des Ausweises steht nichts im Gesetz. Mittels der Karte werden die Abrechnungsinformationen über Behandlungen und Diagnosen, die in der Arztpraxis entstehen, uns eindeutig zugeordnet. In dieser Form werden sie meist online an die Kassenärztliche Vereinigung weitergeleitet und von dort, teilweise anonymisiert, an die Krankenkassen. Man sollte übrigens nicht unterschätzen, wie viel medizinische Informationen über uns jetzt schon die Arztpraxis verlassen. Diagnosen und Behandlungen gehen schon jetzt nach draußen, personenbezogen.

Krankenkassen und Ärzteverbände einigten sich dafür 1989 zunächst auf eine Magnetstreifenkarte. Sie kann den im Gesetz vorgesehenen Versicherten-Datensatz aufnehmen und kostet weniger als halb so viel wie eine dumme Chipkarte. Wegen verbreiteter Proteste der Ärzte, denen schon damals die ganze Richtung nicht gefiel, mußte das Projekt 1990 – 92 eine Pause einlegen. In dieser Zeit gelang es der Chipkartenindustrie, die Chipkarte als Lösung durchzusetzen . Maßgebend waren damals die Krankenkassen, (in ihrem Auftrag das „Projektbüro Krankenversichertenkarte“ von Dr. Peter Debold), und die Siemens AG. Beide argumentierten, die Chipkarte sei, im Gegensatz zur Magnetstreifenkarte, erweiterbar. Man könnte neue Anwendungen während des Einsatzes laufend in die Karte aufnehmen. Dabei nannten sie einmal Behandlungs- und Diagnosedaten, wie Notfalldaten, elektronische Krankenakten, Arztbriefe und Rezepte, zum anderen unterschiedliche Tarife der Versicherten, unterschiedliche Zuzahlungsregelungen zum Beispiel, wie sie schon damals von liberalen Kritikern der Sozialversicherung gefordert wurden. Damit setzten die Krankenkassen und Siemens die Chipkarte durch. Wegen der Bedenken von Datenschützern wurde allerdings später die Nicht-Erweiterbarkeit technischer Komponenten in der Hardware der Karten und Lesegeräte vorgeschrieben, weil die Technologie nur so schnell durchsetzbar war. Man hätte jetzt genauso gut zur Magnetkarte zurückkehren und viele Millionen an Versicherungsbeiträgen sparen können. Tat man aber nicht. Große Visionen, als Gründe, um eine Technologie einzuführen, haben für Anbieter ihre Funktion erfüllt, wenn die Entscheidung für die Technologie getroffen ist. Was später aus den Visionen wird, ist nicht mehr so wichtig, man hat den Auftrag, insgesamt waren es 80 Millionen Karten und zehntausende Lesegeräte. Mehr wollten Siemens, ORGA, Giesecke & Devrient damals vielleicht gar nicht unbedingt erreichen. Danach hatten die Visionen für die nächsten 10 Jahre ihre Schuldigkeit getan. Diese Erkenntnis merken wir uns.

Damals hat die Chipkartenindustrie aber eines erreicht. „Datenübertragungen im Gesundheitswesen“ und „Chipkarte“ werden in einem Atemzug genannt. Man steht als Ketzer da, wenn man 2010 noch vorsichtig erwähnt, daß zur Übertragung von Röntgenbildern eine Chipkarte nicht zwingend erforderlich ist.

Zwar gab es 1995 – 2005 etwa ein dutzend Chipkartenprojekte bei einzelnen Krankenkassen, sie wurden aber allesamt wegen zu geringer Teilnehmerzahlen und mangels wirtschaftlichen Erfolgs eingestellt. Für die, um deren geschäftliche Interessen es bei der Chipkarte geht, stellt sich ein Problem, das sie „Henne-Ei-Problem“ nennen. Niemand benutzt eine Chipkarte, solange es nicht strategisch gut aufgestellte Terminals gibt, in die man die Chipkarte hineinstecken muß. Flächendeckende Anwendungen sind das Ziel der Industrie und ihrer Lobbyisten. In ihren Veröffentlichungen freuen sie sich derzeit über die neuesten Erfolge:

  1. das neue Meldeverfahren ELENA (Job-Card) für Arbeitsagenturen und ihre Kunden. (Ohne Karte kein Arbeitslosengeld).
  2. die neue elektronische Gesundheitskarte. (Ohne Karte keine Behandlung beim Arzt).
  3. die Altersprüfung mit Chipkarten an Zigarettenautomaten. (Ohne Chipkarte keine Zigaretten.)

Alle drei Anwendungen wurden vom deutschen Gesetzgeber verordnet, und es gibt sie im Ausland ziemlich selten. Die ersten beiden gehören zur zweiten Chipkartengeneration, den intelligenten Karten. Alle Arbeitsagenturen, Arbeitslosen, Arztpraxen und Versicherten müssen jetzt neue Karten und Lesegeräte bekommen, die etwa fünfmal so teuer sind, wie die der ersten Generation. Bei der EGK bezahlen alles die Versicherten.

Vorläufig wird mit den jetzt ausgegebenen EGK technisch kaum mehr gemacht, als die Krankenversichertenkarten können, oder als Magnetstreifenkarten könnten. Jetzt wird eine „bis aufs Gerippe abgespeckte“ Version der EGK ausgegeben, die allerdings später durch Software-Updates über das Netz fast beliebig ausgebaut werden kann. Die Chipkartenindustrie hat also mit denselben Verkaufsargumenten bereits die nächste Technologie an die Versicherten verkauft, bisher, ohne den versprochenen Mehrwert zu liefern. Ein Sarkastiker würde sagen: Schön für unsere Wirtschaft. Jetzt kann sie 2020 mit denselben Argumenten: elektronische Krankenakte, verschiedene Tarife, ihre nächste, fünfmal so teure technische Generation verkaufen. Eigentlich haben diese Firmen das Geschäftsmodell der Rüstungsindustrie gefunden. Die verkauft auch mit immer komplexeren Systemen stets dasselbe, Sicherheit, und sie lebt davon, dass sie es nie erreicht. Die Gesundheitstelematik-Industrie nennt ihr Geschäftsziel: Kommunikation im Gesundheitswesen. Warum wurde der elektronische Arztbrief und die Patientenakte im Netz nicht erreicht? Das erklärt eine

Kurze Geschichte der Gematik

Die Gematik GmbH ist die Organisation zur Einführung der EGK und zur Schaffung einer neuen Telekommunikations-Infrastruktur, genannt „Gesundheitstelematik-Infrastruktur“. Die Schaffung der Gematik wurde 2003 ins Gesetz geschrieben. Sie soll die EGK und ihre Infrastruktur definieren und regeln. Träger sind die Krankenkassenverbände und die Verbände der Leistungserbringer (Ärzte, Krankenhäuser usw.) zu je 50 %, in einem Beirat sind zusätzlich unter anderem der Staat, die IT-Industrie und der Datenschutz vertreten. Die Kosten werden alleine von den Krankenkassen getragen. Trotzdem hat die IT-Industrie bisher einen bestimmenden Einfluß auf die „Gesundheitstelematik“ gehabt.

In anderen Projekten des „e-Government“ (elektronische Regierung) reichte eine Koalition von Staat und Politik mit der Industrie, um die innovativen Anwendungen auszurollen. Man brauchte bei ELENA nicht das Einverständnis der Arbeitslosen und Beschäftigten der Arbeitsagenturen einzuholen, und hat es auch nicht getan. Die fehlende Beteiligung der Betroffenen, die dort für die Industrie ein Erfolgsfaktor war, war in der Medizin bisher ein Mißerfolgsfaktor. Aber der Reihe nach.

Die Definition der Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen

Die Architektur für die Gesundheitstelematik stammt vom Konsortium „bit4Health“, das sich 2003 so präsentierte:

„Zur Unterstützung des Projekts »Elektronische Gesundheitskarte« wurde vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung nach einer europaweiten Ausschreibung ein Projektkonsortium bestehend aus den Firmen IBM Deutschland GmbH, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO), der SAP Deutschland AG & Co KG, der InterComponentWare AG und der ORGA Kartensysteme GmbH beauftragt. Am 3. September 2003 fand im Beisein von Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder das Kickoff-Meeting für das Projekt »bIT4health« statt. Das Ziel des Projekts »bIT4health« ist es, die bundesweite Einführung der elektronischen Gesundheitskarte vorzubereiten. Im Mittelpunkt der Arbeiten des Projekts »bIT4health« steht die Definition einer herstellerneutralen Telematik- Rahmenarchitektur und Sicherheitsinfrastruktur. Weitere begleitende Aktivitäten sind in den Bereichen Akzeptanzbildung, Projektmanagement, Qualitätssicherung und der wissenschaftlichen Begleitung gebündelt. Das Projektkonsortium »bIT4health« begleitet die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte über die Definitionsphase der Rahmenarchitektur hinaus während der Testphase bis hin zur Einführung und dem ersten Betriebsjahr in 2006.“

Auch bIT4health wurde aus Krankenkassenbeiträgen bezahlt. Hier war nur Industrie dabei. Die ORGA und das Fraunhofer-Institut kennen Sie schon. Ihnen fallen drei neue Beteiligte auf, InterComponentWare, SAP, und IBM. InterComponentWare, 1998 gegründet, beschäftigt sich vor allem mit Vernetzung im Gesundheitswesen. Sie wird uns wieder begegnen, wenn vom Hausarztmodell die Rede sein wird. Hauptinvestor bei ICW ist der Mitbegründer und Miteigentümer von SAP, Dietmar Hopp. (Auch bekannt als Hauptsponsor des Bundesligavereins TSG 1899 Hoffenheim). IBM interessiert sich für die Netze und den Betrieb von Serverdiensten in der Telematik-Infrastruktur. Mit Erfolg. Es wurden bereits millionenschwere Aufträge der Gematik an IBM erteilt, auch sie bezahlt aus Krankenkassenbeiträgen. Bislang bleibt diese Infrastruktur auch nach dem EGK Rollout ohne großen Nutzen.

Das Ergebnis der Definitionsphase von Bit4health war eine technische Strukturbeschreibung, groß, aufwändig, umfassend, gesichert, die alle Beteiligten und ihre Systeme einbezog. Und überall die wichtigsten, für das Anwendungsfeld beworbenen Produkte der IT-Industrie an ihre jeweiligen Zielgruppen ausrollen sollte. Diese Architektur bestimmt die Planungen der Gematik bis zum heutigen Tag. Deshalb wollen wir einen kurzen Blick auf diese Zielarchitektur werfen.

Sie teilt die IT im Gesundheitswesen in vier große Blöcke.

  1. In den Arztpraxen und Apotheken, und vielleicht sogar beim Versicherten zu Hause gibt es die Primärsysteme, in der Architekturbeschreibung ist das der „Service Consumer Tier“. Alle Systeme der Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen, Apotheken, ja sogar zukünftig der Patienten, die Gesundheitsdaten erfassen oder darstellen, sind Primärsysteme. Sie enthalten Daten, die zukünftig in die Struktur hinein oder aus ihr heraus übermittelt werden können oder sollen. Es gibt bereits zehntausende solche Systeme, nämlich in den meisten Arztpraxen und in allen Krankenhäusern, Kassen und Apotheken. Sie sollen verbunden werden mit
  2. der Telematik-Infrastruktur, die von der Gematik entwickelt wurde und wird. Die ist noch nicht im echten Betrieb, aber teilweise schon entwickelt und getestet, und ihre Inbetriebnahme ist das große Ziel. Entsprechende Konzessionen sind schon vergeben. Diese Telematik-Infrastruktur ist wiederum verbunden mit
  3. den Fachdiensten, die in der Architektur vom „Service Provider Tier“ bereitgestellt werden. Dazu gehören zum Beispiel: elektronische Patientenakte, elektronisches Rezept, Versichertendatenmanagement. Also all die Anwendungen, die derzeit geplant sind, und die es in der Regel noch nicht gibt. Bei der Patientenakte ist z.B. nicht klar, wer sie bezahlen soll. Letzter Bestandteil sind die
  4. Mehrwertdienste. Dies sind beliebige weitere Anwendungen, die Teile der Telematik-Infrastruktur nutzen, auf mehr oder weniger freiwilliger Basis. Beispiel: Anwendungen der privaten Krankenversicherung. Sie darf die Telematik-Infrastruktur, die allein von den Gesetzlichen bezahlt wird, mit nutzen. Ein Geschenk an die reichere Konkurrenz. Weiteres Beispiel: Wahltarife innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung, wie das Hausarztmodell, auf das wir im Kapitel Gesundheitspolitik zurück kommen.

Die Telematik-Infrastruktur (oben 2.) teilt sich wiederum in drei Schichten auf.

    1. Konnektoren, die zum Zugriff auf die EGK und zum Transfer von Daten von und auf diese dienen,
    2. Netzwerkdienste, über die die Daten transportiert werden, und
    3. Broker-Services (Anwendungsgateways), die die Verteilung der Daten an die Fachdienste zentralisieren und teilweise auch Daten anonymisieren. Zum Beispiel können die Broker die Information verbergen, welcher Arzt eine Behandlung vorgenommen hat.

Diese gesamte Infrastruktur kann auch von den Mehrwertdiensten benutzt werden .

Für den Informationsaustausch im System werden Web Services genutzt. Interessant daran ist, dass wegen dieses Nachrichtenformats große Dateien, wie Röntgenbilder, Computertomographie- oder Videodaten, nicht im Telematik-System übermittelt werden können . Sie könnten z.B. nicht in der elektronischen Patientenakte gespeichert werden, falls es sie mal gibt. Selbst wenn alles geklappt hätte, wäre sichergestellt, daß der Industrie ein sehr gutes Verkaufsargument für die nächste Innovationsrunde erhalten bleibt.

Der einzige Fachdienst, der derzeit in NRW neu kommt, ist der elektronische Stammdatenabgleich (in der Gematik-Terminologie: Fachdienst Versichertendatenmanagement). Die Anschrift des Versicherten, und sein Zuzahlungsstatus werden jetzt bei jedem Arztbesuch gegen den Bestand der Krankenkasse geprüft, gegebenenfalls aktualisiert, und auch aktuell auf die Karte zurück geschrieben. Nun steht auf jeder alten KVK schon die Krankenkasse und die unveränderbare Versicherten-Nummer jedes Versicherten. Mit diesen Kennzeichen als Schlüssel holt man bei jedem Arztbesuch dessen aktuelle Adresse und den Zuzahlungsstatus aus dem Netz, sofern sie sich geändert haben. Man bräuchte die Adresse für die Arztpraxis nicht mehr von der Karte zu holen. Aber man schreibt sie darauf. Für die Krankenkassen ist dieses Verfahren eine Verbesserung, weil es den Austausch der Karten bei Adreßänderung vermeidet. Es wäre aber auch mit der KVK machbar gewesen. Man hätte die gespeicherte Anschrift ja ab sofort einfach ignorieren können, und die Adresse immer online holen. Die Frage, warum die Krankenkassen das alles trotzdem mitmachen und bezahlen, beantworten wir im Kapitel Gesundheitspolitik. Sie haben strategische Gründe.

Aus all den Anwendungen, die im Gesetz stehen, und für die die eGK eingeführt wird, – e-Rezept, e-Arztbrief, elektronische Patientenakte, wurde bisher nichts. (Siehe Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, § 291 a). Aber – wichtiges Zwischenergebnis - die Anwendungen gehörten gar nicht zur Telematik-Infrastruktur, die die Gematik aufbauen sollte. Aus eigener Sicht war die Gematik erfolgreich. Die Interessen der IT-Industrie, die Strategie und Auftrag zugrunde lagen, wurden gut wahrgenommen.

Für Fortsetzungen ist gesorgt. Das Gesundheitswesen ist ein „Leuchtturmprojekt“ des e-Government. E-Government wurde 1999 von rot-grün erfunden und wird seit 2005 auch von der EU gefördert. Zielsetzung ist unter anderem, durch staatliches Handeln Spitzentechnologie zu fördern und zugleich die Verwaltung zu modernisieren, indem Bürger z.B. über das Internet Dienstleistungen der Verwaltung nutzen. 2005 beschloß das Bundeskabinett im Rahmen des dazu gehörigen Programms „Deutschland online“ eine „Gemeinsame e-card-Strategie“, mit der die Elektronische Gesundheitskarte, der Digitale Personalausweis, ELENA und die Elektronische Steuererklärung eng aufeinander abgestimmt werden sollten . Die Führung des deutschen e-Government liegt mittlerweile beim Ministerium für Wirtschaft, Forschung und Entwicklung. Seit 2006 gibt es dort den „Nationalen IT-Gipfel“, dem vor allem Vertreter der IT-Industrie angehören, mit einer Arbeitsgruppe 6, „IKT und Gesundheit“. Den Vorsitz darin hat ein Vertreter von Giesecke & Devrient. Weiter sind Siemens und die Fraunhofer-Gesellschaft sowie Philips, T-Systems und Vodafone vertreten. Einzige Organisationen der Anwendungsbranche sind der Pharmakonzern Bayer, und die AOK. Ärzte sind nicht vertreten.

Probleme bei der Realisierung der Anwendungen

Während der Umsetzung der EGK traten drei Probleme auf, die bisher das Rollout der neuen Anwendungen blockiert haben:

  • Gegensätzliche Interessen der verschiedenen Interessengruppen (Ärzte, Krankenkassen, IT-Industrie, Patienten und Datenschutz) blockieren sich gegenseitig, so daß für neue Anwendungen keine gestaltungsfähige Koalition zustande kommt. Die Fachdienste kamen nicht zustande. Es blieb bei der nackten Infrastruktur. Das Ergebnis: Knochen ohne Fleisch.
  • Ohne diese neuen Anwendungen mit einem echten Mehrwert entstand kein hinreichendes Interesse bei Krankenkassen oder Ärzten, sich aktiv für den Rollout der EGK einzusetzen. So daß oft genug nur IT-Industrie und Politik als energische Befürworter übrig blieben. Ohne Unterstützung aus der Branche ist aber im Gesundheitswesen wenig zu machen.
  • Bei anderen e-Government Projekten können die Probleme mit dem größeren Zeit- und Kostenbedarf der neuen Technologie schlecht organisierten Gruppen, z.B. in den Arbeitsagenturen, einfach übergestülpt werden. Ärzte sind noch immer eine gut organisierte Gruppe. Dadurch kam es zu erheblichen Verzögerungen des Projekts.

Gehen wir die Gründe einzeln durch.

Gegensätzliche Interessen verhindern Anwendungen

Die Architektur der Telematik-Infrastruktur ist so zentralistisch angelegt, daß man bei jeder Anwendung allen Beteiligten gerecht werden mußte – vor allem: den Finanziers, den Krankenkassen, und denen, die die praktische Umsetzung tragen, den Ärzten. Das System mit Teillösungen von unten nach oben wachsen zu lassen, war nicht vorgesehen. Dadurch kam es aber zu einer gegenseitigen Blockade. Die Problematik versteht man mit drei Beispielen


Elektronische Patientenakte

Die Krankenkassen wollen sie, um überflüssige Behandlungen sowie Abrechnungsbetrug zu vermeiden. Dazu brauchen sie den zentralen Zugriff auf Krankengeschichten, am besten patienten- und arztbezogen. Die meisten Ärzte wollen sich nicht in die Karten sehen lassen, weil sie fürchten, daß das zu zusätzlichem Zeitverbrauch und letztlich zu Honorarsenkung führt. Sie wollen Daten leicht versenden und empfangen können, aber vor allem von Kollege zu Kollege. Ähnlich sind die Interessen der Krankenhäuser. Für Ärzte oder Krankenhäuser sind ihre Patientenakten ein Mittel der Kundenbindung. Der Vertrauensaufbau und die Untersuchungen am Anfang lohnen sich oft erst durch Dauerbehandlung. Ein zu leichter Wechsel des Patienten würde ihre Kalkulation zerstören.

Wenn wir bei einem Krankenhauskonzern wie Asklepios oder Rhön-Klinikum behandelt werden, stehen unsere medizinischen Informationen jedem Mitarbeiter zur Verfügung, der uns behandelt, Krankenhaus-übergreifend. Aber die Unternehmen hüten sich, die Akten nach draußen zu geben. Patienten oder Wettbewerber könnten Haftungsprozesse anstrengen, die Konkurrenten könnten mit besseren Angeboten locken, Krankenkassen die Abrechnungssteuerung monieren. Am liebsten möchten diese Krankenhäuser nur einem weiterbehandelnden Arzt, der einen entlassenen Patienten behandelt, elektronisch die Informationen schicken, die sie für ihn ausgesucht haben. Eine Infrastruktur zur Datenübertragung nur nach Wunsch wäre zur Zeit in ihrem Interesse. Aber die Krankenkassen würden sie nicht bezahlen, ohne einen direkten Vorteil davon zu haben.

Bild des Versicherten auf der Karte

Wenn man die elektronische Patientenakte als wesentliches Ziel sieht – wie die IT-Industrie, die daran am meisten verdienen kann – dann muß man für eine absolut wasserdichte Identifikation des Besitzers der Akte sein. Im IT-deutsch: für wasserdichte Authentifizierung des Inhabers der EGK, mit der Qualität des Personalausweises. Das heißt, nur Bilder auf der Karte, bei denen eine Amtsperson die Qualität des Bildes geprüft hat, und, daß die abgebildete Person der Ausweisinhaber ist. Dadurch käme das hohe Maß von Vertrauen zustande, das erforderlich wäre, damit die Versicherten freiwillige Anwendungen nutzen, die sie womöglich extra bezahlen müssen.

Für die Krankenkassen würde die Kartenausgabe mit sicherer Authentifizierung unnötig kostspielig, zeitraubend und störungsgefährdet. Die Kosten stünden für sie in keinem Verhältnis zum mittelfristigen Nutzen. Der Verzicht auf sichere Authentifizierung behindert die elektronische Patientenakte. Die Spezifikation der Gematik spricht sich vage für eine sichere Identifikation aus, läßt aber gleichzeitig zu, daß Karten ohne Bild ausgegeben werden .

Das elektronische Rezept

Das Arzneimittelrezept auf der Karte selbst, zunächst geplant, war im Interesse der Apotheken, u.a. weil damit den Patienten die Benutzung von Versandapotheken im Internet praktisch unmöglich würde. Dadurch können die hohen Arzneimittelpreise und Handelsspannen in Deutschland verteidigt werden. Auf Drängen der Krankenkassen mußte das Rezept von der Karte weg und in einen Fachdienst verlagert werden, auf den dann auch Versandapotheken Zugriff haben können. Diese Anforderung, das Rezept in einen Fachdienst zu verlagern, kam so spät heraus, daß sie nicht mehr rechtzeitig umzusetzen war.

Zwischenergebnis: gegensätzliche Interessen

Daher machte die Spezifikation in der Gematik so manche Runde, ohne schnell vom Fleck zu kommen. Ähnlich war es bei anderen Themen. In der Anfangsphase 2004 mußte das Gesundheitsministerium erheblichen Druck ausüben, um Beschlüsse der Spitzenverbände zu erzwingen. Um die Telematik-Infrastruktur erfolgreich ausrollen zu können, mußte unter Zeitdruck eine Anwendung nach der anderen über Bord geworfen werden, zuletzt das e-Rezept. Wie bei einem Schiff in Seenot, auf dem der Kapitän die Fracht über Bord werfen läßt, damit Schiff und Mannschaft überleben. In dem Bild ist die Telematik-Infrastruktur das Schiff, das bislang gerettet wurde. Die Mannschaft, die an Bord bleibt, ist die Belegschaft der Gematik.

Ohne Anwendungen kein Interesse der Branche

Es hat acht Feldversuche zur EGK mit zehntausenden Patienten und hunderten Ärzten gegeben, wie es bei einem so großen Projekt sein muß. Die Hälfte sind abgebrochen worden, weil Krankenkassen und Ärzte viel zusätzlichen Aufwand sahen, aber keinen Nutzen. Zuletzt in Heilbronn. Der Chef der AOK Rheinland-Hamburg, einer der großen Krankenkassen in der Pionierrregion NRW, hat in einem bekannt gewordenen Brief an den NRW Gesundheitsminister sehr deutlich gemacht, daß die Krankenkassen derzeit gar keinen Vorteil durch die EGK sehen, und daß der Rollout sich vor allem dadurch so hinzieht. Genauso sehen es die Ärzte. Auf mehreren Ärztetagen wurden extrem kritische Resolutionen zur EGK verabschiedet.


Probleme im praktischen Umgang, Zeit- und Kostenbedarf

Bei der Erprobung der EGK stellten sich zwei wesentliche Probleme heraus, Laufzeitprobleme und Probleme mit der PIN-Eingabe.

Bei Empfang eines neuen Patienten in der Arztpraxis wird dessen Chipkarte eingelesen. Wenn daraus nur Daten ausgelesen werden, geht das sehr schnell. Wenn ein Online-Zugriff durch alle Schichten der Telematik-Infrastruktur passieren muß, dauert das wesentlich länger. Es entstehen also längere Wartezeiten. Wer die Situation am Empfang größerer Arztpraxen kennt, der weiß: mehr Wartezeit erfordert die Einstellung zusätzlichen Personals. Wer bezahlt das?

Ähnlich ist es mit der PIN Eingabe. Das Sicherheitskonzept sieht vor, daß sich die Karte des Arztes – der Heilberufsausweis – und die Karte des Patienten – die EGK – gegenseitig authentifizieren, bevor ein Zugriff auf die Infrastruktur erfolgt. Das erfordert, daß beide ihre PIN eingeben.

Bei einem Modellversuch in Flensburg 2008 wurden 75 % der EGK gesperrt, nachdem die Patienten ihre PIN dreimal falsch eingegeben hatten. 30 % der Ärzte sperrten auf die gleiche Weise ihren Heilberufsausweis, was natürlich viel schlimmer ist, denn von ihnen hängt das System ab. Weiteres Ärgernis für die Ärzte ist, daß die ständigen PIN-Eingaben ihre Zeit kosten, und ihre ganze Praxis solange auf sie warten muß.

Daher erfand man zwei Lösungen:

  • Durch eine Komfort- oder Stapelsignatur können Ärzte entweder mit einem RFID Chip signieren, oder sie signieren viele Rezepte gleichzeitig,
  • Ärzte dürfen als Treuhänder der Patienten deren PIN verwalten.

Für jeden, der etwas von Technik versteht, wird dadurch das ganze Sicherheitskonzept fragwürdig. Für so eine Lösung hätte man nicht unbedingt intelligente Chipkarten gebraucht. Intelligente Chipkarten und eine zentrale Infrastruktur standen der praktischen Benutzbarkeit entgegen.


Reaktion der Politik

Ärzte gehören traditionell zum Klientel der FDP. Ab 2007 nahm die FDP unter dem Druck der Ärzte kritische Positionen zur EGK ein. Im Bundestagswahlkampf 2009 forderte sie den Stopp der EGK. Und wurde damit Teil der Regierungskoalition.

Im Koalitionsvertrag 2009 wurde vereinbart, daß das EGK-Projekt zunächst nicht weiter vorangetrieben, und ausgewertet wird. Gesundheitsminister Rösler hat aber deutlich gemacht, daß der Rollout in NRW erst einmal weiter gehen soll. Das weitere Vorgehen ist offen.


Fazit

Das Problem mit den Chipkarten

Es ist bemerkenswert, wie weit gehend die Chipkarten-Industrie es geschafft hat, daß neue Anwendungen im Gesundheitswesen um ihre Erfindung, die intelligente Chipkarte, herum maßgeschneidert wurden. Ohne daß eine zentrale Infrastruktur für die Speicherung von Gesundheitsdaten, mit einem einheitlichen Verschlüsselungsmedium EGK, aus einer Branchen-Logik heraus zwingend wäre. Die alte KVK oder der neue Personalausweis hätten die Identifikation des Patienten auch erledigen können, so weit eine solche Identifikation nötig ist. Die großen Klinikkonzerne setzen Chipkarten nicht zur Patientenverwaltung ein, nur als Wertkarten zum Telefonieren.

Wenn man die Parallelen zu ELENA und den Zigarettenautomaten sieht – beides zunächst Alleingänge Deutschlands in Europa – drängt sich als Antwort auf: Lobbyismus dürfte die Ursache für die Chipkarteneinführungen sein. Nun können dahinter ja gute Argumente stecken. Zum Beispiel: Chipkarten sind eine deutsche Technologie, wir unterstützen Chipkarten-Anwendungen in Deutschland, um sie ins Ausland exportieren zu können. Deutschland will Exportweltmeister bleiben. Die Frage, ob man Beitragsgelder der Krankenversicherung zur Exportförderung nutzen darf, muß jeder nach seinen politischen Präferenzen beantworten.

Dazu müßte man Anwendungsfelder suchen, die es in derselben Form im Ausland gibt. Bei den Zigarettenautomaten ist das gelungen. In den meisten Ländern der Welt fehlt aber eine Voraussetzung für elektronische Karten im Gesundheitswesen, egal ob sie intelligent oder dumm sind. Das deutsche sogenannte Sachleistungsprinzip, bei dem der Patient von seiner Versicherung nur „Sachleistungen“, also Behandlungen und Heilmittel, aber kein Geld erhält. Die weltweite Regel ist, daß die Patienten beim Arzt die Behandlungskosten vorschießen, und das Geld von ihrer Versicherung zurück holen. Man braucht den Ausweis im Ausland nicht, um für die Abrechnung der Ärzte mit der Kasse dem Patienten Abrechnungsdaten zuzuordnen. Der Patient braucht einen Ausweis höchstens, um dem Arzt oder Krankenhaus seine Kreditwürdigkeit zu zeigen. Aber dafür reicht auch die Kreditkarte. Deshalb gibt es im Ausland meist schon mal Karten wie die KVK nicht. Die Situation ist wie bei uns in der privaten Krankenversicherung, die auch keine maschinenlesbaren Karten hat und derzeit keine Chipkarten plant. Dementsprechend die Situation im größten Markt der Welt, USA. Zu Präsident Obamas Gesundheitsreform gehört eine milliardenschwerde IT-Initiative für das Gesundheitswesen (Telemedicine). Karten sind kein Thema, statt dessen: Datenautobahnen zwischen Krankenhäusern. Schlechte Karten für intelligente Chipkarten im Gesundheitsbereich weltweit.

Anbieter der Kommunikationsstruktur – zum Beispiel IBM, T-Systems – gestalten deshalb bei uns, in ihrer Gemeinschaft mit Chipkartenherstellern, ihre Produkte so, daß die zentralen und hierarchischen Lösungen nur noch zu wenigen Märkten passen. Nun ist Deutschland als Markt groß genug, um Geld zu verdienen. Giesecke & Devrient haben Großaufträge noch in Taiwan, Slowenien und Österreich akquirieren können, ansonsten gibt es flächendeckende Chipkarten im Gesundheitswesen bisher nirgends. Ein eventuell legitimes Ziel der Politik, Exportförderung, wird mit der Chipkarte nicht erreicht. Statt dessen bleibt es bei schlichter Subvention für private Unternehmen, mit Mitteln der Politik, bezahlt aber nicht aus Steuergeldern, sondern aus Versicherungsbeiträgen. Wenn man Skandale sucht, das wäre einer.

Wenn der IT-Kabelhersteller Belkin den Vorsitzenden für die nationale IT-Strategie-Arbeitsgruppe für das Gesundheitswesen gestellt hätte, bräuchten wir uns nicht zu wundern, wenn wir zehn Jahre später in der Arztpraxis öfter stolpern müßten. Deutschland hat Giesecke & Devrient beauftragt. Wundern wir uns nicht, wenn wir 2013 beim Arzt PINs eingeben, und warten müssen.


Das Bündnis zwischen Krankenkassen und IT-Industrie, und wir

Der Machtblock, der die Computerisierung des Gesundheitswesens vorantreibt, besteht aus den Krankenkassen und der IT-Industrie. Die Krankenkassen wollen mit behandeln, aus den besten Gründen natürlich: Qualitätssicherung, Kostensenkung. Sie brauchen dazu Informationen über die Behandlungen. Die wollen sie durch Informationstechnologie bekommen. Symptomatisch ist, daß Gernot Kiefer, der Vorstandsvorsitzende von BITMARCK, einer Firma für Krankenkassen-IT, am 1.1.2010 von dort in den Vorsitz des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung wechselte. Es ist gar keine schlechte Idee, in Anbetracht der Aufgaben des Spitzenverbandes nach heutigem Stand.

Unvertreten bleiben gewisse Interessen der Ärzte und Patienten. Die Patienten werden offiziell durch die Krankenkassen vertreten, schließlich haben wir deren Gremien bei den Sozialwahlen gewählt. Die Kassenärztliche Vereinigung vertritt die Ärzte. Beide Organisationen nehmen schon aufgrund ihrer Größe – tausende Mitarbeiter – weitgehend die Interessen ihrer eigenen Vorstände und Beschäftigten wahr: mehr Verantwortung, neue interessante Mitarbeiter in der Ebene unter einem selbst. Wenn diese Broschüre einen Beitrag dazu leisten kann, daß die Mitglieder die Kontrolle über ihre Selbstverwaltung zurück holen, hätte sie ihren Zweck erfüllt.